des Erdgeschosses ein Fenstergitter. Das Erdgeschoß des Hauses hatte lauter eiserne Fenstergitter. Diese waren aber nicht jene großstäbigen Gitter, wie man sie an vielen Häusern und auch an Gefängnissen an¬ bringt, sondern sie waren sanft geschweift, und hatten oben und unten eine flache Wölbung, die mitten gleichsam wie in einen Schlußstein in eine schöne Rose zusammenlief. Diese Rose war von vorzüglich leichter Arbeit, und war ihrem Vorbilde treuer, als ich irgendwo in Eisen gesehen hatte. Außerdem war das ganze Gitter in zierlicher Art zusammengestellt, und die Stäbe hatten nebst der Schlußrose noch manche andere bedeutsame Verzierungen. Es war fast gegen Abend, als ich mich in einer Stube des Erdgeschosses, deren Fenster auf die Rosen hinaus¬ gingen, befand, um mir vorläufig die ganze Gestalt des Gitters, die außen zu sehr von den Rosen ver¬ deckt war, zu entwerfen. Die einzelnen Verzierungen, deren Hauptentwicklung nach außen ging, wollte ich mir später einmal von dorther zeichnen. Da ich in meine Arbeit vertieft war, dunkelte es vor dem Fenster, wie wenn die Laubblätter vor demselben von einem Schatten bedeckt würden. Da ich genauer hinsah, er¬ kannte ich, daß jemand vor dem Fenster stehe, den
des Erdgeſchoſſes ein Fenſtergitter. Das Erdgeſchoß des Hauſes hatte lauter eiſerne Fenſtergitter. Dieſe waren aber nicht jene großſtäbigen Gitter, wie man ſie an vielen Häuſern und auch an Gefängniſſen an¬ bringt, ſondern ſie waren ſanft geſchweift, und hatten oben und unten eine flache Wölbung, die mitten gleichſam wie in einen Schlußſtein in eine ſchöne Roſe zuſammenlief. Dieſe Roſe war von vorzüglich leichter Arbeit, und war ihrem Vorbilde treuer, als ich irgendwo in Eiſen geſehen hatte. Außerdem war das ganze Gitter in zierlicher Art zuſammengeſtellt, und die Stäbe hatten nebſt der Schlußroſe noch manche andere bedeutſame Verzierungen. Es war faſt gegen Abend, als ich mich in einer Stube des Erdgeſchoſſes, deren Fenſter auf die Roſen hinaus¬ gingen, befand, um mir vorläufig die ganze Geſtalt des Gitters, die außen zu ſehr von den Roſen ver¬ deckt war, zu entwerfen. Die einzelnen Verzierungen, deren Hauptentwicklung nach außen ging, wollte ich mir ſpäter einmal von dorther zeichnen. Da ich in meine Arbeit vertieft war, dunkelte es vor dem Fenſter, wie wenn die Laubblätter vor demſelben von einem Schatten bedeckt würden. Da ich genauer hinſah, er¬ kannte ich, daß jemand vor dem Fenſter ſtehe, den
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des Erdgeſchoſſes ein Fenſtergitter. Das Erdgeſchoß
des Hauſes hatte lauter eiſerne Fenſtergitter. Dieſe
waren aber nicht jene großſtäbigen Gitter, wie man
ſie an vielen Häuſern und auch an Gefängniſſen an¬
bringt, ſondern ſie waren ſanft geſchweift, und hatten
oben und unten eine flache Wölbung, die mitten
gleichſam wie in einen Schlußſtein in eine ſchöne
Roſe zuſammenlief. Dieſe Roſe war von vorzüglich
leichter Arbeit, und war ihrem Vorbilde treuer, als
ich irgendwo in Eiſen geſehen hatte. Außerdem war
das ganze Gitter in zierlicher Art zuſammengeſtellt,
und die Stäbe hatten nebſt der Schlußroſe noch
manche andere bedeutſame Verzierungen. Es war
faſt gegen Abend, als ich mich in einer Stube des
Erdgeſchoſſes, deren Fenſter auf die Roſen hinaus¬
gingen, befand, um mir vorläufig die ganze Geſtalt
des Gitters, die außen zu ſehr von den Roſen ver¬
deckt war, zu entwerfen. Die einzelnen Verzierungen,
deren Hauptentwicklung nach außen ging, wollte ich
mir ſpäter einmal von dorther zeichnen. Da ich in
meine Arbeit vertieft war, dunkelte es vor dem Fenſter,
wie wenn die Laubblätter vor demſelben von einem
Schatten bedeckt würden. Da ich genauer hinſah, er¬
kannte ich, daß jemand vor dem Fenſter ſtehe, den
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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