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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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pes an dem Gesteine. Die Felder waren abgeerntet
und umgepflügt, sie lagen kahl den Hügeln und Hän¬
gen entlang, nur die grünen Tafeln der Wintersaaten
leuchteten hervor. Die Hausthiere des Sommer¬
zwanges entledigt, der sie auf einen kleinen Weidefleck
gebannt hatte, gingen auf den Wiesen, um das nach¬
sprossende Gras zu genießen, oder gar auf den Saat¬
feldern umher. Die Wäldchen, die die unzähligen
Hügel krönten, glänzten noch in dieser späten Zeit
des Jahres entweder goldgelb in dem unverlorenen
Schmuck des Laubes oder röthlich oder es zogen sich
bunte Streifen durch das dunkle bergan klimmende
Grün der Föhren empor. Und über allem dem war
doch ein blauer sanfter Hauch, der es milderte, und ihm
einen lieben Reiz gab. Besonders gegen die Thalrinnen
oder Tiefen zu war die blaue Farbe zart und schön.
Aus diesem Dufte heraus leuchteten hie und da ent¬
fernte Kirchthürme oder schimmerten einzelne weiße
Punkte von Häusern. Das Tiefland war von den
Morgennebeln befreit, es lag sammt dem Hochge¬
birge, das es gegen Süden begrenzte, überall sichtbar
da, und säumte weithinstreichend das abgeschlossene
Hügelgelände, auf dem wir fuhren, wie eine entfernte
duftige schweigende Fabel. Von Menschentreiben

pes an dem Geſteine. Die Felder waren abgeerntet
und umgepflügt, ſie lagen kahl den Hügeln und Hän¬
gen entlang, nur die grünen Tafeln der Winterſaaten
leuchteten hervor. Die Hausthiere des Sommer¬
zwanges entledigt, der ſie auf einen kleinen Weidefleck
gebannt hatte, gingen auf den Wieſen, um das nach¬
ſproſſende Gras zu genießen, oder gar auf den Saat¬
feldern umher. Die Wäldchen, die die unzähligen
Hügel krönten, glänzten noch in dieſer ſpäten Zeit
des Jahres entweder goldgelb in dem unverlorenen
Schmuck des Laubes oder röthlich oder es zogen ſich
bunte Streifen durch das dunkle bergan klimmende
Grün der Föhren empor. Und über allem dem war
doch ein blauer ſanfter Hauch, der es milderte, und ihm
einen lieben Reiz gab. Beſonders gegen die Thalrinnen
oder Tiefen zu war die blaue Farbe zart und ſchön.
Aus dieſem Dufte heraus leuchteten hie und da ent¬
fernte Kirchthürme oder ſchimmerten einzelne weiße
Punkte von Häuſern. Das Tiefland war von den
Morgennebeln befreit, es lag ſammt dem Hochge¬
birge, das es gegen Süden begrenzte, überall ſichtbar
da, und ſäumte weithinſtreichend das abgeſchloſſene
Hügelgelände, auf dem wir fuhren, wie eine entfernte
duftige ſchweigende Fabel. Von Menſchentreiben

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[210/0224] pes an dem Geſteine. Die Felder waren abgeerntet und umgepflügt, ſie lagen kahl den Hügeln und Hän¬ gen entlang, nur die grünen Tafeln der Winterſaaten leuchteten hervor. Die Hausthiere des Sommer¬ zwanges entledigt, der ſie auf einen kleinen Weidefleck gebannt hatte, gingen auf den Wieſen, um das nach¬ ſproſſende Gras zu genießen, oder gar auf den Saat¬ feldern umher. Die Wäldchen, die die unzähligen Hügel krönten, glänzten noch in dieſer ſpäten Zeit des Jahres entweder goldgelb in dem unverlorenen Schmuck des Laubes oder röthlich oder es zogen ſich bunte Streifen durch das dunkle bergan klimmende Grün der Föhren empor. Und über allem dem war doch ein blauer ſanfter Hauch, der es milderte, und ihm einen lieben Reiz gab. Beſonders gegen die Thalrinnen oder Tiefen zu war die blaue Farbe zart und ſchön. Aus dieſem Dufte heraus leuchteten hie und da ent¬ fernte Kirchthürme oder ſchimmerten einzelne weiße Punkte von Häuſern. Das Tiefland war von den Morgennebeln befreit, es lag ſammt dem Hochge¬ birge, das es gegen Süden begrenzte, überall ſichtbar da, und ſäumte weithinſtreichend das abgeſchloſſene Hügelgelände, auf dem wir fuhren, wie eine entfernte duftige ſchweigende Fabel. Von Menſchentreiben

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/224>, abgerufen am 18.05.2024.