zimmer meines Vaters lauter vorzügliche seien, und daß sie noch dazu an Werth so sehr zusammen stimm¬ ten, daß das Ganze eben den Eindruck eines Außeror¬ dentlichen machte. Ich hatte schon so viel Urtheil ge¬ wonnen, daß ich dachte, nicht gar zu weit mehr in die Irre gerathen zu können. Ich äußerte mich in dieser Beziehung gegen meinen Vater, und er ver¬ sicherte in der That, daß er glaube, daß er nicht nur gute Meister besize, sondern auch von diesen Meistern nach seiner Erfahrung, die er sich in vielen Jahren in vielen Gemäldesammlungen und im Lesen vieler Werke über Kunst erworben habe, bessere von ihren Arbeiten. Ich gab mich den Bildern immer inniger hin, und konnte mich von manchem kaum trennen. Das Köpfchen von einem jungen Mädchen, das ich mir einmal zu einem Zeichnungsmuster genommen hatte, stammte von Hans Holbein dem jüngern her. Es war so zart so lieb, daß es jezt auch wieder einen Zauber auf mich ausübte, wie es wohl auch damals ausgeübt haben mußte; denn sonst hätte ich es ja nicht zum Vorbilde genommen. Kaum waren hier Mittel zu entdecken, mit denen der Künstler gewirkt hatte. Eine so einfache so natürliche Färbung mit wenig Glanz und Vortreten der Farben, so gering
zimmer meines Vaters lauter vorzügliche ſeien, und daß ſie noch dazu an Werth ſo ſehr zuſammen ſtimm¬ ten, daß das Ganze eben den Eindruck eines Außeror¬ dentlichen machte. Ich hatte ſchon ſo viel Urtheil ge¬ wonnen, daß ich dachte, nicht gar zu weit mehr in die Irre gerathen zu können. Ich äußerte mich in dieſer Beziehung gegen meinen Vater, und er ver¬ ſicherte in der That, daß er glaube, daß er nicht nur gute Meiſter beſize, ſondern auch von dieſen Meiſtern nach ſeiner Erfahrung, die er ſich in vielen Jahren in vielen Gemäldeſammlungen und im Leſen vieler Werke über Kunſt erworben habe, beſſere von ihren Arbeiten. Ich gab mich den Bildern immer inniger hin, und konnte mich von manchem kaum trennen. Das Köpfchen von einem jungen Mädchen, das ich mir einmal zu einem Zeichnungsmuſter genommen hatte, ſtammte von Hans Holbein dem jüngern her. Es war ſo zart ſo lieb, daß es jezt auch wieder einen Zauber auf mich ausübte, wie es wohl auch damals ausgeübt haben mußte; denn ſonſt hätte ich es ja nicht zum Vorbilde genommen. Kaum waren hier Mittel zu entdecken, mit denen der Künſtler gewirkt hatte. Eine ſo einfache ſo natürliche Färbung mit wenig Glanz und Vortreten der Farben, ſo gering
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0251"n="237"/>
zimmer meines Vaters lauter vorzügliche ſeien, und<lb/>
daß ſie noch dazu an Werth ſo ſehr zuſammen ſtimm¬<lb/>
ten, daß das Ganze eben den Eindruck eines Außeror¬<lb/>
dentlichen machte. Ich hatte ſchon ſo viel Urtheil ge¬<lb/>
wonnen, daß ich dachte, nicht gar zu weit mehr in<lb/>
die Irre gerathen zu können. Ich äußerte mich in<lb/>
dieſer Beziehung gegen meinen Vater, und er ver¬<lb/>ſicherte in der That, daß er glaube, daß er nicht nur<lb/>
gute Meiſter beſize, ſondern auch von dieſen Meiſtern<lb/>
nach ſeiner Erfahrung, die er ſich in vielen Jahren<lb/>
in vielen Gemäldeſammlungen und im Leſen vieler<lb/>
Werke über Kunſt erworben habe, beſſere von ihren<lb/>
Arbeiten. Ich gab mich den Bildern immer inniger<lb/>
hin, und konnte mich von manchem kaum trennen.<lb/>
Das Köpfchen von einem jungen Mädchen, das ich<lb/>
mir einmal zu einem Zeichnungsmuſter genommen<lb/>
hatte, ſtammte von Hans Holbein dem jüngern her.<lb/>
Es war ſo zart ſo lieb, daß es jezt auch wieder einen<lb/>
Zauber auf mich ausübte, wie es wohl auch damals<lb/>
ausgeübt haben mußte; denn ſonſt hätte ich es ja<lb/>
nicht zum Vorbilde genommen. Kaum waren hier<lb/>
Mittel zu entdecken, mit denen der Künſtler gewirkt<lb/>
hatte. Eine ſo einfache ſo natürliche Färbung mit<lb/>
wenig Glanz und Vortreten der Farben, ſo gering<lb/></p></div></body></text></TEI>
[237/0251]
zimmer meines Vaters lauter vorzügliche ſeien, und
daß ſie noch dazu an Werth ſo ſehr zuſammen ſtimm¬
ten, daß das Ganze eben den Eindruck eines Außeror¬
dentlichen machte. Ich hatte ſchon ſo viel Urtheil ge¬
wonnen, daß ich dachte, nicht gar zu weit mehr in
die Irre gerathen zu können. Ich äußerte mich in
dieſer Beziehung gegen meinen Vater, und er ver¬
ſicherte in der That, daß er glaube, daß er nicht nur
gute Meiſter beſize, ſondern auch von dieſen Meiſtern
nach ſeiner Erfahrung, die er ſich in vielen Jahren
in vielen Gemäldeſammlungen und im Leſen vieler
Werke über Kunſt erworben habe, beſſere von ihren
Arbeiten. Ich gab mich den Bildern immer inniger
hin, und konnte mich von manchem kaum trennen.
Das Köpfchen von einem jungen Mädchen, das ich
mir einmal zu einem Zeichnungsmuſter genommen
hatte, ſtammte von Hans Holbein dem jüngern her.
Es war ſo zart ſo lieb, daß es jezt auch wieder einen
Zauber auf mich ausübte, wie es wohl auch damals
ausgeübt haben mußte; denn ſonſt hätte ich es ja
nicht zum Vorbilde genommen. Kaum waren hier
Mittel zu entdecken, mit denen der Künſtler gewirkt
hatte. Eine ſo einfache ſo natürliche Färbung mit
wenig Glanz und Vortreten der Farben, ſo gering
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.