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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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len, was ich lese," antwortete er, "ich dachte, es
wird sich schon geben. Deine Mutter wußte es wohl."

Die Hochachtung für den Vater, der ohne Auf¬
heben mehr war, als der Sohn geahnt hatte, und
der geduldig auf den Sohn gewartet hatte, ob er auf
dem Wege zu ihm stoßen werde, war nicht die einzige
Frucht dieses Tages. Ich empfand recht wohl, daß
der Vater auch mich höher achtete, und daß er eine
große Freude habe, daß der Sohn nun auch in Kunst¬
dingen sich ihm nähere. Daß wir in einigen wissen¬
schaftlichen Sachen zusammen trafen, wußte ich wohl,
da wir über Gegenstände der Geschichte der Dichtun¬
gen und über andere in jüngster Zeit manchmal ge¬
sprochen hatten, ich wußte aber nie, in wie ferne und
auf welchen Wegen der Vater zu diesen Dingen ge¬
kommen war. Heute hatte ich einen größern Einblick
gethan, und ich wußte nun auch gar nicht, welch eine
geregelte wissenschaftliche Bildung der Vater aus sei¬
nen früheren Jahren hinter sich habe, und ob es nicht
etwa gar aus dieser wissenschaftlichen Bildung herzu¬
schreiben sei, daß er mich gerade meinen Weg habe
gehen lassen, der mir selber zuweilen abenteuerlich
vorgekommen war. Ich mußte jezt doppelt wünschen,
daß mein Vater einmal mit meinem Gastfreunde zu¬

len, was ich leſe,“ antwortete er, „ich dachte, es
wird ſich ſchon geben. Deine Mutter wußte es wohl.“

Die Hochachtung für den Vater, der ohne Auf¬
heben mehr war, als der Sohn geahnt hatte, und
der geduldig auf den Sohn gewartet hatte, ob er auf
dem Wege zu ihm ſtoßen werde, war nicht die einzige
Frucht dieſes Tages. Ich empfand recht wohl, daß
der Vater auch mich höher achtete, und daß er eine
große Freude habe, daß der Sohn nun auch in Kunſt¬
dingen ſich ihm nähere. Daß wir in einigen wiſſen¬
ſchaftlichen Sachen zuſammen trafen, wußte ich wohl,
da wir über Gegenſtände der Geſchichte der Dichtun¬
gen und über andere in jüngſter Zeit manchmal ge¬
ſprochen hatten, ich wußte aber nie, in wie ferne und
auf welchen Wegen der Vater zu dieſen Dingen ge¬
kommen war. Heute hatte ich einen größern Einblick
gethan, und ich wußte nun auch gar nicht, welch eine
geregelte wiſſenſchaftliche Bildung der Vater aus ſei¬
nen früheren Jahren hinter ſich habe, und ob es nicht
etwa gar aus dieſer wiſſenſchaftlichen Bildung herzu¬
ſchreiben ſei, daß er mich gerade meinen Weg habe
gehen laſſen, der mir ſelber zuweilen abenteuerlich
vorgekommen war. Ich mußte jezt doppelt wünſchen,
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[248/0262] len, was ich leſe,“ antwortete er, „ich dachte, es wird ſich ſchon geben. Deine Mutter wußte es wohl.“ Die Hochachtung für den Vater, der ohne Auf¬ heben mehr war, als der Sohn geahnt hatte, und der geduldig auf den Sohn gewartet hatte, ob er auf dem Wege zu ihm ſtoßen werde, war nicht die einzige Frucht dieſes Tages. Ich empfand recht wohl, daß der Vater auch mich höher achtete, und daß er eine große Freude habe, daß der Sohn nun auch in Kunſt¬ dingen ſich ihm nähere. Daß wir in einigen wiſſen¬ ſchaftlichen Sachen zuſammen trafen, wußte ich wohl, da wir über Gegenſtände der Geſchichte der Dichtun¬ gen und über andere in jüngſter Zeit manchmal ge¬ ſprochen hatten, ich wußte aber nie, in wie ferne und auf welchen Wegen der Vater zu dieſen Dingen ge¬ kommen war. Heute hatte ich einen größern Einblick gethan, und ich wußte nun auch gar nicht, welch eine geregelte wiſſenſchaftliche Bildung der Vater aus ſei¬ nen früheren Jahren hinter ſich habe, und ob es nicht etwa gar aus dieſer wiſſenſchaftlichen Bildung herzu¬ ſchreiben ſei, daß er mich gerade meinen Weg habe gehen laſſen, der mir ſelber zuweilen abenteuerlich vorgekommen war. Ich mußte jezt doppelt wünſchen, daß mein Vater einmal mit meinem Gaſtfreunde zu¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/262>, abgerufen am 22.11.2024.