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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Ich verlegte mich nach dieser gemachten Erfah¬
rung mit noch größerem Eifer auf die Kenntniß der
Werke der bildenden Kunst. Ich lernte mich in die
Bilder des Vaters bis in die kleinsten Einzelheiten
hinein, und war zu diesem Zwecke sehr oft und zu¬
weilen lange in dem Bilderzimmer, ich besuchte alle
größeren zugänglichen Sammlungen, und suchte deren
Bilder zu ergründen, ich besah alle Bildnerwerke, die
in unserer Stadt einen Ruf hatten, und strebte nach
einer genauen Kenntniß ihrer Beschaffenheiten, ich las
endlich namhafte Werke über die Kunst, und verglich
meine Gedanken und Gefühle mit den in den Büchern
gefundenen. Ich sprach viel mit meinem Vater über
diese Gegenstände, wir näherten uns immer mehr,
meine Empfindungen wurden stets inniger, und ich
versenkte meine Seele in sie. Unsern Erzdom bewun¬
derte ich jezt in einem höheren Maße als in allen
früheren Zeiten, und ich stand manche Stunde vor
seinem ungeheuren Baue. Selbst die Gebilde der Ma¬
thematik, wenn ich wieder zu Zeiten etwas in ihr zu
thun hatte, erschienen mir zuweilen schön und zierlich,
was mir namentlich bei einigen französischen Mathe¬
matikern geschah. Das Malen schöner Köpfe sezte ich
fort, und eben so wurde das Zeichnen und Malen

Ich verlegte mich nach dieſer gemachten Erfah¬
rung mit noch größerem Eifer auf die Kenntniß der
Werke der bildenden Kunſt. Ich lernte mich in die
Bilder des Vaters bis in die kleinſten Einzelheiten
hinein, und war zu dieſem Zwecke ſehr oft und zu¬
weilen lange in dem Bilderzimmer, ich beſuchte alle
größeren zugänglichen Sammlungen, und ſuchte deren
Bilder zu ergründen, ich beſah alle Bildnerwerke, die
in unſerer Stadt einen Ruf hatten, und ſtrebte nach
einer genauen Kenntniß ihrer Beſchaffenheiten, ich las
endlich namhafte Werke über die Kunſt, und verglich
meine Gedanken und Gefühle mit den in den Büchern
gefundenen. Ich ſprach viel mit meinem Vater über
dieſe Gegenſtände, wir näherten uns immer mehr,
meine Empfindungen wurden ſtets inniger, und ich
verſenkte meine Seele in ſie. Unſern Erzdom bewun¬
derte ich jezt in einem höheren Maße als in allen
früheren Zeiten, und ich ſtand manche Stunde vor
ſeinem ungeheuren Baue. Selbſt die Gebilde der Ma¬
thematik, wenn ich wieder zu Zeiten etwas in ihr zu
thun hatte, erſchienen mir zuweilen ſchön und zierlich,
was mir namentlich bei einigen franzöſiſchen Mathe¬
matikern geſchah. Das Malen ſchöner Köpfe ſezte ich
fort, und eben ſo wurde das Zeichnen und Malen

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[251/0265] Ich verlegte mich nach dieſer gemachten Erfah¬ rung mit noch größerem Eifer auf die Kenntniß der Werke der bildenden Kunſt. Ich lernte mich in die Bilder des Vaters bis in die kleinſten Einzelheiten hinein, und war zu dieſem Zwecke ſehr oft und zu¬ weilen lange in dem Bilderzimmer, ich beſuchte alle größeren zugänglichen Sammlungen, und ſuchte deren Bilder zu ergründen, ich beſah alle Bildnerwerke, die in unſerer Stadt einen Ruf hatten, und ſtrebte nach einer genauen Kenntniß ihrer Beſchaffenheiten, ich las endlich namhafte Werke über die Kunſt, und verglich meine Gedanken und Gefühle mit den in den Büchern gefundenen. Ich ſprach viel mit meinem Vater über dieſe Gegenſtände, wir näherten uns immer mehr, meine Empfindungen wurden ſtets inniger, und ich verſenkte meine Seele in ſie. Unſern Erzdom bewun¬ derte ich jezt in einem höheren Maße als in allen früheren Zeiten, und ich ſtand manche Stunde vor ſeinem ungeheuren Baue. Selbſt die Gebilde der Ma¬ thematik, wenn ich wieder zu Zeiten etwas in ihr zu thun hatte, erſchienen mir zuweilen ſchön und zierlich, was mir namentlich bei einigen franzöſiſchen Mathe¬ matikern geſchah. Das Malen ſchöner Köpfe ſezte ich fort, und eben ſo wurde das Zeichnen und Malen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/265>, abgerufen am 22.11.2024.