häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte, zu den Bildern meine Zuflucht, und suchte zu ergrün¬ den, wie es dieser und jener gemacht habe, um zu dem Ausdrucke zu gelangen, den er darstellte. Mein Vater sagte, das sei der geschichtliche Weg der Kunst, man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬ sammlungen besuche, und wenn die Werke ohne große Lücken da sind, um sie vergleichen zu können. Das sei auch außer der genauesten Betrachtung der Natur und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunst wachse, und auf dem sie bei den verschiedenen An¬ fängen, die sie in verschiedenen Zeiten und Räumen gehabt habe, gewachsen ist, bis sie wieder versank oder zerstört wurde, um wieder zu beginnen, und zu versuchen, ob sie steigen könne. Wo der bare Hochmuth auftritt, der alles Gewesene verwirft, und aus sich schaffen will, dort ist es mit der Kunst wie auch mit andern Dingen in dieser Welt aus, und man wirft sich in das bloße Leere.
Außer dem Zeichnungsunterrichte sezte ich mit der Schwester auch die Übungen in der spanischen Sprache und im Zitherspiele fort. Sie war ohnehin von Kindheit an geneigt gewesen, alles, was ich that, ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Lust
häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte, zu den Bildern meine Zuflucht, und ſuchte zu ergrün¬ den, wie es dieſer und jener gemacht habe, um zu dem Ausdrucke zu gelangen, den er darſtellte. Mein Vater ſagte, das ſei der geſchichtliche Weg der Kunſt, man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬ ſammlungen beſuche, und wenn die Werke ohne große Lücken da ſind, um ſie vergleichen zu können. Das ſei auch außer der genaueſten Betrachtung der Natur und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunſt wachſe, und auf dem ſie bei den verſchiedenen An¬ fängen, die ſie in verſchiedenen Zeiten und Räumen gehabt habe, gewachſen iſt, bis ſie wieder verſank oder zerſtört wurde, um wieder zu beginnen, und zu verſuchen, ob ſie ſteigen könne. Wo der bare Hochmuth auftritt, der alles Geweſene verwirft, und aus ſich ſchaffen will, dort iſt es mit der Kunſt wie auch mit andern Dingen in dieſer Welt aus, und man wirft ſich in das bloße Leere.
Außer dem Zeichnungsunterrichte ſezte ich mit der Schweſter auch die Übungen in der ſpaniſchen Sprache und im Zitherſpiele fort. Sie war ohnehin von Kindheit an geneigt geweſen, alles, was ich that, ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Luſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0272"n="258"/>
häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte,<lb/>
zu den Bildern meine Zuflucht, und ſuchte zu ergrün¬<lb/>
den, wie es dieſer und jener gemacht habe, um zu<lb/>
dem Ausdrucke zu gelangen, den er darſtellte. Mein<lb/>
Vater ſagte, das ſei der geſchichtliche Weg der Kunſt,<lb/>
man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬<lb/>ſammlungen beſuche, und wenn die Werke ohne große<lb/>
Lücken da ſind, um ſie vergleichen zu können. Das<lb/>ſei auch außer der genaueſten Betrachtung der Natur<lb/>
und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunſt<lb/>
wachſe, und auf dem ſie bei den verſchiedenen An¬<lb/>
fängen, die ſie in verſchiedenen Zeiten und Räumen<lb/>
gehabt habe, gewachſen iſt, bis ſie wieder verſank<lb/>
oder zerſtört wurde, um wieder zu beginnen, und zu<lb/>
verſuchen, ob ſie ſteigen könne. Wo der bare Hochmuth<lb/>
auftritt, der alles Geweſene verwirft, und aus ſich<lb/>ſchaffen will, dort iſt es mit der Kunſt wie auch mit<lb/>
andern Dingen in dieſer Welt aus, und man wirft<lb/>ſich in das bloße Leere.</p><lb/><p>Außer dem Zeichnungsunterrichte ſezte ich mit der<lb/>
Schweſter auch die Übungen in der ſpaniſchen Sprache<lb/>
und im Zitherſpiele fort. Sie war ohnehin von<lb/>
Kindheit an geneigt geweſen, alles, was ich that,<lb/>
ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Luſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[258/0272]
häufig, wenn ich nicht in das Reine kommen konnte,
zu den Bildern meine Zuflucht, und ſuchte zu ergrün¬
den, wie es dieſer und jener gemacht habe, um zu
dem Ausdrucke zu gelangen, den er darſtellte. Mein
Vater ſagte, das ſei der geſchichtliche Weg der Kunſt,
man könne ihn verfolgen, wenn man große Bilder¬
ſammlungen beſuche, und wenn die Werke ohne große
Lücken da ſind, um ſie vergleichen zu können. Das
ſei auch außer der genaueſten Betrachtung der Natur
und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunſt
wachſe, und auf dem ſie bei den verſchiedenen An¬
fängen, die ſie in verſchiedenen Zeiten und Räumen
gehabt habe, gewachſen iſt, bis ſie wieder verſank
oder zerſtört wurde, um wieder zu beginnen, und zu
verſuchen, ob ſie ſteigen könne. Wo der bare Hochmuth
auftritt, der alles Geweſene verwirft, und aus ſich
ſchaffen will, dort iſt es mit der Kunſt wie auch mit
andern Dingen in dieſer Welt aus, und man wirft
ſich in das bloße Leere.
Außer dem Zeichnungsunterrichte ſezte ich mit der
Schweſter auch die Übungen in der ſpaniſchen Sprache
und im Zitherſpiele fort. Sie war ohnehin von
Kindheit an geneigt geweſen, alles, was ich that,
ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Luſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/272>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.