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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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"Da müßt ihr ja recht müde sein," sagte sie, und
machte eine Bewegung auf dem Bänklein, um mir
Plaz neben sich zu verschaffen.

Ich wußte nicht recht, wie ich thun sollte, sezte
mich aber doch an ihrer Seite nieder.

"Habt ihr etwa ein Buch mit euch genommen,
um auf dieser Bank zu lesen," fragte ich, "oder habt
ihr nicht Blumen gepflückt?"

"Ich habe kein Buch mitgenommen, und habe
keine Blumen gepflückt," antwortete sie, "ich kann
nicht lesen, wenn ich gehe, und kann auch nicht lesen,
wenn ich im freien Felde auf einer Bank oder auf
einem Steine size."

Wirklich sah ich auch gar nichts neben ihr, sie
hatte kein Körbchen oder sonst irgend etwas, das
Frauen gerne mit sich zu tragen pflegen, um Gegen¬
stände hinein legen zu können; sie saß müßig auf dem
Bänklein, und ihr Strohhut, den sie von dem Haupte
genommen hatte, lag neben ihr in dem Grase.

"Die Blumen pflücke ich," fuhr sie nach einem
Weilchen fort, "wenn sie bei Gelegenheit an dem
Wege stehen. Hier herum ist meistens der Mohn,
der aber wenig zu Sträußen paßt, weil er gerne die
Blätter fallen läßt, dann sind die Kornblumen die

„Da müßt ihr ja recht müde ſein,“ ſagte ſie, und
machte eine Bewegung auf dem Bänklein, um mir
Plaz neben ſich zu verſchaffen.

Ich wußte nicht recht, wie ich thun ſollte, ſezte
mich aber doch an ihrer Seite nieder.

„Habt ihr etwa ein Buch mit euch genommen,
um auf dieſer Bank zu leſen,“ fragte ich, „oder habt
ihr nicht Blumen gepflückt?“

„Ich habe kein Buch mitgenommen, und habe
keine Blumen gepflückt,“ antwortete ſie, „ich kann
nicht leſen, wenn ich gehe, und kann auch nicht leſen,
wenn ich im freien Felde auf einer Bank oder auf
einem Steine ſize.“

Wirklich ſah ich auch gar nichts neben ihr, ſie
hatte kein Körbchen oder ſonſt irgend etwas, das
Frauen gerne mit ſich zu tragen pflegen, um Gegen¬
ſtände hinein legen zu können; ſie ſaß müßig auf dem
Bänklein, und ihr Strohhut, den ſie von dem Haupte
genommen hatte, lag neben ihr in dem Graſe.

„Die Blumen pflücke ich,“ fuhr ſie nach einem
Weilchen fort, „wenn ſie bei Gelegenheit an dem
Wege ſtehen. Hier herum iſt meiſtens der Mohn,
der aber wenig zu Sträußen paßt, weil er gerne die
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[316/0330] „Da müßt ihr ja recht müde ſein,“ ſagte ſie, und machte eine Bewegung auf dem Bänklein, um mir Plaz neben ſich zu verſchaffen. Ich wußte nicht recht, wie ich thun ſollte, ſezte mich aber doch an ihrer Seite nieder. „Habt ihr etwa ein Buch mit euch genommen, um auf dieſer Bank zu leſen,“ fragte ich, „oder habt ihr nicht Blumen gepflückt?“ „Ich habe kein Buch mitgenommen, und habe keine Blumen gepflückt,“ antwortete ſie, „ich kann nicht leſen, wenn ich gehe, und kann auch nicht leſen, wenn ich im freien Felde auf einer Bank oder auf einem Steine ſize.“ Wirklich ſah ich auch gar nichts neben ihr, ſie hatte kein Körbchen oder ſonſt irgend etwas, das Frauen gerne mit ſich zu tragen pflegen, um Gegen¬ ſtände hinein legen zu können; ſie ſaß müßig auf dem Bänklein, und ihr Strohhut, den ſie von dem Haupte genommen hatte, lag neben ihr in dem Graſe. „Die Blumen pflücke ich,“ fuhr ſie nach einem Weilchen fort, „wenn ſie bei Gelegenheit an dem Wege ſtehen. Hier herum iſt meiſtens der Mohn, der aber wenig zu Sträußen paßt, weil er gerne die Blätter fallen läßt, dann ſind die Kornblumen die

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/330>, abgerufen am 22.11.2024.