bodens, die Fenstervorhänge und die Zimmerdecke in unbestimmten Ausdehnungen und unklaren Umrissen in ihnen spiegelten. Ich merkte bald, daß, wenn alle diese Dinge in die Farbe der Abbildungen aufgenom¬ men werden sollten, die dargestellten Gegenstände wohl an Reichthum und Reiz gewinnen, aber an Verständlichkeit verlieren würden, so lange man nicht das Zimmer mit allem, was es enthält, mit malt, und dadurch die Begründung aufzeigt. Da ich dies nicht konnte, und mein Zweck es auch nicht er¬ heischte, so entfernte ich alles Zufällige und stark Ein¬ wirkende aus dem Zimmer, und malte dann die Schni¬ zereien, wie sie sich sammt den übergebliebenen Ein¬ wirkungen mir zeigten, um einerseits wahr zu sein, und um andererseits, wenn ich jede Einwirkung der Umgebung weg ließe, nicht etwas geradezu Unmög¬ liches an ihre Stelle zu sezen und den Gegenstand seines Lebens zu berauben, weil er dadurch aus jeder Umgebung gerückt würde, keinen Plaz seines Daseins und also überhaupt kein Dasein hätte. Was die wirk¬ liche Ortsfarbe der Schnizereien sei, würde sich aus dem Ganzen schon ergeben, und müßte aus ihm er¬ kannt werden. Ich wendete bei der Arbeit sehr viele Mühe auf, und suchte sie so genau, als es meiner
bodens, die Fenſtervorhänge und die Zimmerdecke in unbeſtimmten Ausdehnungen und unklaren Umriſſen in ihnen ſpiegelten. Ich merkte bald, daß, wenn alle dieſe Dinge in die Farbe der Abbildungen aufgenom¬ men werden ſollten, die dargeſtellten Gegenſtände wohl an Reichthum und Reiz gewinnen, aber an Verſtändlichkeit verlieren würden, ſo lange man nicht das Zimmer mit allem, was es enthält, mit malt, und dadurch die Begründung aufzeigt. Da ich dies nicht konnte, und mein Zweck es auch nicht er¬ heiſchte, ſo entfernte ich alles Zufällige und ſtark Ein¬ wirkende aus dem Zimmer, und malte dann die Schni¬ zereien, wie ſie ſich ſammt den übergebliebenen Ein¬ wirkungen mir zeigten, um einerſeits wahr zu ſein, und um andererſeits, wenn ich jede Einwirkung der Umgebung weg ließe, nicht etwas geradezu Unmög¬ liches an ihre Stelle zu ſezen und den Gegenſtand ſeines Lebens zu berauben, weil er dadurch aus jeder Umgebung gerückt würde, keinen Plaz ſeines Daſeins und alſo überhaupt kein Daſein hätte. Was die wirk¬ liche Ortsfarbe der Schnizereien ſei, würde ſich aus dem Ganzen ſchon ergeben, und müßte aus ihm er¬ kannt werden. Ich wendete bei der Arbeit ſehr viele Mühe auf, und ſuchte ſie ſo genau, als es meiner
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0390"n="376"/>
bodens, die Fenſtervorhänge und die Zimmerdecke in<lb/>
unbeſtimmten Ausdehnungen und unklaren Umriſſen<lb/>
in ihnen ſpiegelten. Ich merkte bald, daß, wenn alle<lb/>
dieſe Dinge in die Farbe der Abbildungen aufgenom¬<lb/>
men werden ſollten, die dargeſtellten Gegenſtände<lb/>
wohl an Reichthum und Reiz gewinnen, aber an<lb/>
Verſtändlichkeit verlieren würden, ſo lange man nicht<lb/>
das Zimmer mit allem, was es enthält, mit malt,<lb/>
und dadurch die Begründung aufzeigt. Da ich dies<lb/>
nicht konnte, und mein Zweck es auch nicht er¬<lb/>
heiſchte, ſo entfernte ich alles Zufällige und ſtark Ein¬<lb/>
wirkende aus dem Zimmer, und malte dann die Schni¬<lb/>
zereien, wie ſie ſich ſammt den übergebliebenen Ein¬<lb/>
wirkungen mir zeigten, um einerſeits wahr zu ſein,<lb/>
und um andererſeits, wenn ich jede Einwirkung der<lb/>
Umgebung weg ließe, nicht etwas geradezu Unmög¬<lb/>
liches an ihre Stelle zu ſezen und den Gegenſtand<lb/>ſeines Lebens zu berauben, weil er dadurch aus jeder<lb/>
Umgebung gerückt würde, keinen Plaz ſeines Daſeins<lb/>
und alſo überhaupt kein Daſein hätte. Was die wirk¬<lb/>
liche Ortsfarbe der Schnizereien ſei, würde ſich aus<lb/>
dem Ganzen ſchon ergeben, und müßte aus ihm er¬<lb/>
kannt werden. Ich wendete bei der Arbeit ſehr viele<lb/>
Mühe auf, und ſuchte ſie ſo genau, als es meiner<lb/></p></div></body></text></TEI>
[376/0390]
bodens, die Fenſtervorhänge und die Zimmerdecke in
unbeſtimmten Ausdehnungen und unklaren Umriſſen
in ihnen ſpiegelten. Ich merkte bald, daß, wenn alle
dieſe Dinge in die Farbe der Abbildungen aufgenom¬
men werden ſollten, die dargeſtellten Gegenſtände
wohl an Reichthum und Reiz gewinnen, aber an
Verſtändlichkeit verlieren würden, ſo lange man nicht
das Zimmer mit allem, was es enthält, mit malt,
und dadurch die Begründung aufzeigt. Da ich dies
nicht konnte, und mein Zweck es auch nicht er¬
heiſchte, ſo entfernte ich alles Zufällige und ſtark Ein¬
wirkende aus dem Zimmer, und malte dann die Schni¬
zereien, wie ſie ſich ſammt den übergebliebenen Ein¬
wirkungen mir zeigten, um einerſeits wahr zu ſein,
und um andererſeits, wenn ich jede Einwirkung der
Umgebung weg ließe, nicht etwas geradezu Unmög¬
liches an ihre Stelle zu ſezen und den Gegenſtand
ſeines Lebens zu berauben, weil er dadurch aus jeder
Umgebung gerückt würde, keinen Plaz ſeines Daſeins
und alſo überhaupt kein Daſein hätte. Was die wirk¬
liche Ortsfarbe der Schnizereien ſei, würde ſich aus
dem Ganzen ſchon ergeben, und müßte aus ihm er¬
kannt werden. Ich wendete bei der Arbeit ſehr viele
Mühe auf, und ſuchte ſie ſo genau, als es meiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/390>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.