Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

großen Flächen der Schatten und der Lichter an gan¬
zen Bergkörpern und das Zurückgehen und Hinaus¬
weichen des Himmelsgewölbes seien mir nicht gelun¬
gen. Man zeigte mir, daß ich nicht nur in den Far¬
ben viel zu bestimmt gewesen wäre, daß ich gemalt
hätte, was nur mein Bewußtsein an entfernten Stel¬
len gesagt nicht mein Auge, sondern daß ich auch die
Hintergründe zu groß gezeichnet hätte, sie wären mei¬
nen Augen groß erschienen, und das hätte ich durch
das Hinaufrücken der Linien angeben wollen. Aber
durch beides, durch Deutlichkeit der Malerei und durch
die Vergrößerung der Fernen hätte ich die letzteren
näher gerückt, und ihnen das Großartige benommen,
das sie in der Wirklichkeit besäßen. Eustach rieth mir,
eine Glastafel mit Canadabalsam zu überziehen, wo¬
durch sie etwas rauher würde, so daß Farben auf ihr
haften, ohne daß sie die Durchsichtigkeit verlöre, und
durch diese Tafel Fernen mit den an sie grenzen¬
den näheren Gegenständen mittelst eines Pinsels zu
zeichnen, und ich würde sehen, wie klein sich die grö߬
ten und ausgedehntesten entfernten Berge darstellten,
und wie groß das zunächstliegende Kleine würde.
Dieses Verfahren aber empfehle er nur, damit man
zur Überzeugung der Verhältnisse komme, und einen

großen Flächen der Schatten und der Lichter an gan¬
zen Bergkörpern und das Zurückgehen und Hinaus¬
weichen des Himmelsgewölbes ſeien mir nicht gelun¬
gen. Man zeigte mir, daß ich nicht nur in den Far¬
ben viel zu beſtimmt geweſen wäre, daß ich gemalt
hätte, was nur mein Bewußtſein an entfernten Stel¬
len geſagt nicht mein Auge, ſondern daß ich auch die
Hintergründe zu groß gezeichnet hätte, ſie wären mei¬
nen Augen groß erſchienen, und das hätte ich durch
das Hinaufrücken der Linien angeben wollen. Aber
durch beides, durch Deutlichkeit der Malerei und durch
die Vergrößerung der Fernen hätte ich die letzteren
näher gerückt, und ihnen das Großartige benommen,
das ſie in der Wirklichkeit beſäßen. Euſtach rieth mir,
eine Glastafel mit Canadabalſam zu überziehen, wo¬
durch ſie etwas rauher würde, ſo daß Farben auf ihr
haften, ohne daß ſie die Durchſichtigkeit verlöre, und
durch dieſe Tafel Fernen mit den an ſie grenzen¬
den näheren Gegenſtänden mittelſt eines Pinſels zu
zeichnen, und ich würde ſehen, wie klein ſich die grö߬
ten und ausgedehnteſten entfernten Berge darſtellten,
und wie groß das zunächſtliegende Kleine würde.
Dieſes Verfahren aber empfehle er nur, damit man
zur Überzeugung der Verhältniſſe komme, und einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="45"/>
großen Flächen der Schatten und der Lichter an gan¬<lb/>
zen Bergkörpern und das Zurückgehen und Hinaus¬<lb/>
weichen des Himmelsgewölbes &#x017F;eien mir nicht gelun¬<lb/>
gen. Man zeigte mir, daß ich nicht nur in den Far¬<lb/>
ben viel zu be&#x017F;timmt gewe&#x017F;en wäre, daß ich gemalt<lb/>
hätte, was nur mein Bewußt&#x017F;ein an entfernten Stel¬<lb/>
len ge&#x017F;agt nicht mein Auge, &#x017F;ondern daß ich auch die<lb/>
Hintergründe zu groß gezeichnet hätte, &#x017F;ie wären mei¬<lb/>
nen Augen groß er&#x017F;chienen, und das hätte ich durch<lb/>
das Hinaufrücken der Linien angeben wollen. Aber<lb/>
durch beides, durch Deutlichkeit der Malerei und durch<lb/>
die Vergrößerung der Fernen hätte ich die letzteren<lb/>
näher gerückt, und ihnen das Großartige benommen,<lb/>
das &#x017F;ie in der Wirklichkeit be&#x017F;äßen. Eu&#x017F;tach rieth mir,<lb/>
eine Glastafel mit Canadabal&#x017F;am zu überziehen, wo¬<lb/>
durch &#x017F;ie etwas rauher würde, &#x017F;o daß Farben auf ihr<lb/>
haften, ohne daß &#x017F;ie die Durch&#x017F;ichtigkeit verlöre, und<lb/>
durch die&#x017F;e Tafel Fernen mit den an &#x017F;ie grenzen¬<lb/>
den näheren Gegen&#x017F;tänden mittel&#x017F;t eines Pin&#x017F;els zu<lb/>
zeichnen, und ich würde &#x017F;ehen, wie klein &#x017F;ich die grö߬<lb/>
ten und ausgedehnte&#x017F;ten entfernten Berge dar&#x017F;tellten,<lb/>
und wie groß das zunäch&#x017F;tliegende Kleine würde.<lb/>
Die&#x017F;es Verfahren aber empfehle er nur, damit man<lb/>
zur Überzeugung der Verhältni&#x017F;&#x017F;e komme, und einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0059] großen Flächen der Schatten und der Lichter an gan¬ zen Bergkörpern und das Zurückgehen und Hinaus¬ weichen des Himmelsgewölbes ſeien mir nicht gelun¬ gen. Man zeigte mir, daß ich nicht nur in den Far¬ ben viel zu beſtimmt geweſen wäre, daß ich gemalt hätte, was nur mein Bewußtſein an entfernten Stel¬ len geſagt nicht mein Auge, ſondern daß ich auch die Hintergründe zu groß gezeichnet hätte, ſie wären mei¬ nen Augen groß erſchienen, und das hätte ich durch das Hinaufrücken der Linien angeben wollen. Aber durch beides, durch Deutlichkeit der Malerei und durch die Vergrößerung der Fernen hätte ich die letzteren näher gerückt, und ihnen das Großartige benommen, das ſie in der Wirklichkeit beſäßen. Euſtach rieth mir, eine Glastafel mit Canadabalſam zu überziehen, wo¬ durch ſie etwas rauher würde, ſo daß Farben auf ihr haften, ohne daß ſie die Durchſichtigkeit verlöre, und durch dieſe Tafel Fernen mit den an ſie grenzen¬ den näheren Gegenſtänden mittelſt eines Pinſels zu zeichnen, und ich würde ſehen, wie klein ſich die grö߬ ten und ausgedehnteſten entfernten Berge darſtellten, und wie groß das zunächſtliegende Kleine würde. Dieſes Verfahren aber empfehle er nur, damit man zur Überzeugung der Verhältniſſe komme, und einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/59
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/59>, abgerufen am 17.05.2024.