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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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walter nahm den Deckel desselben ab, und sagte, wie
er immer that: "ich wünsche sehr wohl zu speisen."

Mathilde streckte den Arm mit dem dunkeln Sei¬
denkleide aus, nahm den großen silbernen Löffel, und
schöpfte, wie sie es sich nie nehmen ließ zu thun,
Suppe für uns auf die Teller, welche der Diener dar¬
reichte. Der Hausverwalter hatte, da er alles in Ord¬
nung sah, das Zimmer nach seiner Gepflogenheit ver¬
lassen. Das Abendessen war nun wie alle Tage.
Mathilde sprach freundlich und heiter von verschiede¬
nen Gegenständen, die sich eben darboten, und vergaß
nicht, der abwesenden Freunde zu erwähnen und des
Vergnügens zu gedenken, das ihre Rückkunft veran¬
lassen werde. Sie sprach von der Erndte, von dem
Segen, der heuer überall so reichlich verbreitet sei,
und wie sich alles, was sich auf der Erde befinde, doch
zulezt immer wieder in das Rechte wende. Als die
Zeit des Abendessens vorüber war, erhob sie sich, und
es wurden die Anstalten gemacht, daß sich jedes in
seine Wohnung begebe. Mit derselben sanften Güte,
mit der sie mich vor dem Abendessen begrüßt hatte,
verabschiedete sie sich nun, wir wünschten uns wechsel¬
seitig eine glückliche Ruhe, und trennten uns.

Als ich in meinem Zimmer angekommen war,

1 *

walter nahm den Deckel desſelben ab, und ſagte, wie
er immer that: „ich wünſche ſehr wohl zu ſpeiſen.“

Mathilde ſtreckte den Arm mit dem dunkeln Sei¬
denkleide aus, nahm den großen ſilbernen Löffel, und
ſchöpfte, wie ſie es ſich nie nehmen ließ zu thun,
Suppe für uns auf die Teller, welche der Diener dar¬
reichte. Der Hausverwalter hatte, da er alles in Ord¬
nung ſah, das Zimmer nach ſeiner Gepflogenheit ver¬
laſſen. Das Abendeſſen war nun wie alle Tage.
Mathilde ſprach freundlich und heiter von verſchiede¬
nen Gegenſtänden, die ſich eben darboten, und vergaß
nicht, der abweſenden Freunde zu erwähnen und des
Vergnügens zu gedenken, das ihre Rückkunft veran¬
laſſen werde. Sie ſprach von der Erndte, von dem
Segen, der heuer überall ſo reichlich verbreitet ſei,
und wie ſich alles, was ſich auf der Erde befinde, doch
zulezt immer wieder in das Rechte wende. Als die
Zeit des Abendeſſens vorüber war, erhob ſie ſich, und
es wurden die Anſtalten gemacht, daß ſich jedes in
ſeine Wohnung begebe. Mit derſelben ſanften Güte,
mit der ſie mich vor dem Abendeſſen begrüßt hatte,
verabſchiedete ſie ſich nun, wir wünſchten uns wechſel¬
ſeitig eine glückliche Ruhe, und trennten uns.

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[3/0017] walter nahm den Deckel desſelben ab, und ſagte, wie er immer that: „ich wünſche ſehr wohl zu ſpeiſen.“ Mathilde ſtreckte den Arm mit dem dunkeln Sei¬ denkleide aus, nahm den großen ſilbernen Löffel, und ſchöpfte, wie ſie es ſich nie nehmen ließ zu thun, Suppe für uns auf die Teller, welche der Diener dar¬ reichte. Der Hausverwalter hatte, da er alles in Ord¬ nung ſah, das Zimmer nach ſeiner Gepflogenheit ver¬ laſſen. Das Abendeſſen war nun wie alle Tage. Mathilde ſprach freundlich und heiter von verſchiede¬ nen Gegenſtänden, die ſich eben darboten, und vergaß nicht, der abweſenden Freunde zu erwähnen und des Vergnügens zu gedenken, das ihre Rückkunft veran¬ laſſen werde. Sie ſprach von der Erndte, von dem Segen, der heuer überall ſo reichlich verbreitet ſei, und wie ſich alles, was ſich auf der Erde befinde, doch zulezt immer wieder in das Rechte wende. Als die Zeit des Abendeſſens vorüber war, erhob ſie ſich, und es wurden die Anſtalten gemacht, daß ſich jedes in ſeine Wohnung begebe. Mit derſelben ſanften Güte, mit der ſie mich vor dem Abendeſſen begrüßt hatte, verabſchiedete ſie ſich nun, wir wünſchten uns wechſel¬ ſeitig eine glückliche Ruhe, und trennten uns. Als ich in meinem Zimmer angekommen war, 1 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/17>, abgerufen am 21.11.2024.