meinen Männerjahren mir Starrsinn vorwarf. Das hinderte aber nicht, daß ich dort, wo mir ein Fremdes durch Gründe und hohe Triebfedern unterstüzt gege¬ ben wurde, dasselbe als mein Eigenes aufnahm, und mit der tiefsten Begeisterung durchführte. Das habe ich einmal in meinem Leben gegen meine stärkste Nei¬ gung, die ich hatte, gethan, um der Ehre und der Pflicht zu genügen. Ich werde es euch später erzäh¬ len. Daraus folgt, daß ich eigensinnig der Bedeu¬ tung des Wortes, wie man es gewöhnlich nimmt, nicht gewesen bin, und es auch im Alter, in dem man überhaupt immer milder wird, gewiß nicht bin. Eine zweite Eigenschaft von mir war, daß ich sehr gerne die Erfolge meiner Handlungen abgesondert von jedem Fremdartigen vor mir haben wollte, um klar den Zusammenhang des Gewollten und Gewirk¬ ten überschauen und mein Thun für die Zukunft regeln zu können. Eine Handlung, die nur gesezt wird, um einer Vorschrift zu genügen oder eine Fassung zu voll¬ enden, konnte mir Pein erregen. Daraus folgte, daß ich Thaten, deren lezter Zweck ferne lag oder mir nicht deutlich war, nur lässig zu vollführen geneigt war, während ich Handlungen, wenn ihr Ziel auch sehr schwer und nur durch viele Mittelglieder zu erreichen
meinen Männerjahren mir Starrſinn vorwarf. Das hinderte aber nicht, daß ich dort, wo mir ein Fremdes durch Gründe und hohe Triebfedern unterſtüzt gege¬ ben wurde, dasſelbe als mein Eigenes aufnahm, und mit der tiefſten Begeiſterung durchführte. Das habe ich einmal in meinem Leben gegen meine ſtärkſte Nei¬ gung, die ich hatte, gethan, um der Ehre und der Pflicht zu genügen. Ich werde es euch ſpäter erzäh¬ len. Daraus folgt, daß ich eigenſinnig der Bedeu¬ tung des Wortes, wie man es gewöhnlich nimmt, nicht geweſen bin, und es auch im Alter, in dem man überhaupt immer milder wird, gewiß nicht bin. Eine zweite Eigenſchaft von mir war, daß ich ſehr gerne die Erfolge meiner Handlungen abgeſondert von jedem Fremdartigen vor mir haben wollte, um klar den Zuſammenhang des Gewollten und Gewirk¬ ten überſchauen und mein Thun für die Zukunft regeln zu können. Eine Handlung, die nur geſezt wird, um einer Vorſchrift zu genügen oder eine Faſſung zu voll¬ enden, konnte mir Pein erregen. Daraus folgte, daß ich Thaten, deren lezter Zweck ferne lag oder mir nicht deutlich war, nur läſſig zu vollführen geneigt war, während ich Handlungen, wenn ihr Ziel auch ſehr ſchwer und nur durch viele Mittelglieder zu erreichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0226"n="212"/>
meinen Männerjahren mir Starrſinn vorwarf. Das<lb/>
hinderte aber nicht, daß ich dort, wo mir ein Fremdes<lb/>
durch Gründe und hohe Triebfedern unterſtüzt gege¬<lb/>
ben wurde, dasſelbe als mein Eigenes aufnahm, und<lb/>
mit der tiefſten Begeiſterung durchführte. Das habe<lb/>
ich einmal in meinem Leben gegen meine ſtärkſte Nei¬<lb/>
gung, die ich hatte, gethan, um der Ehre und der<lb/>
Pflicht zu genügen. Ich werde es euch ſpäter erzäh¬<lb/>
len. Daraus folgt, daß ich eigenſinnig der Bedeu¬<lb/>
tung des Wortes, wie man es gewöhnlich nimmt,<lb/>
nicht geweſen bin, und es auch im Alter, in dem<lb/>
man überhaupt immer milder wird, gewiß nicht bin.<lb/>
Eine zweite Eigenſchaft von mir war, daß ich ſehr<lb/>
gerne die Erfolge meiner Handlungen abgeſondert<lb/>
von jedem Fremdartigen vor mir haben wollte, um<lb/>
klar den Zuſammenhang des Gewollten und Gewirk¬<lb/>
ten überſchauen und mein Thun für die Zukunft regeln<lb/>
zu können. Eine Handlung, die nur geſezt wird, um<lb/>
einer Vorſchrift zu genügen oder eine Faſſung zu voll¬<lb/>
enden, konnte mir Pein erregen. Daraus folgte, daß<lb/>
ich Thaten, deren lezter Zweck ferne lag oder mir nicht<lb/>
deutlich war, nur läſſig zu vollführen geneigt war,<lb/>
während ich Handlungen, wenn ihr Ziel auch ſehr<lb/>ſchwer und nur durch viele Mittelglieder zu erreichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0226]
meinen Männerjahren mir Starrſinn vorwarf. Das
hinderte aber nicht, daß ich dort, wo mir ein Fremdes
durch Gründe und hohe Triebfedern unterſtüzt gege¬
ben wurde, dasſelbe als mein Eigenes aufnahm, und
mit der tiefſten Begeiſterung durchführte. Das habe
ich einmal in meinem Leben gegen meine ſtärkſte Nei¬
gung, die ich hatte, gethan, um der Ehre und der
Pflicht zu genügen. Ich werde es euch ſpäter erzäh¬
len. Daraus folgt, daß ich eigenſinnig der Bedeu¬
tung des Wortes, wie man es gewöhnlich nimmt,
nicht geweſen bin, und es auch im Alter, in dem
man überhaupt immer milder wird, gewiß nicht bin.
Eine zweite Eigenſchaft von mir war, daß ich ſehr
gerne die Erfolge meiner Handlungen abgeſondert
von jedem Fremdartigen vor mir haben wollte, um
klar den Zuſammenhang des Gewollten und Gewirk¬
ten überſchauen und mein Thun für die Zukunft regeln
zu können. Eine Handlung, die nur geſezt wird, um
einer Vorſchrift zu genügen oder eine Faſſung zu voll¬
enden, konnte mir Pein erregen. Daraus folgte, daß
ich Thaten, deren lezter Zweck ferne lag oder mir nicht
deutlich war, nur läſſig zu vollführen geneigt war,
während ich Handlungen, wenn ihr Ziel auch ſehr
ſchwer und nur durch viele Mittelglieder zu erreichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/226>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.