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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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das eines Malers, gewiß aber nicht das eines Dich¬
ters oder gar eines Tonsezers. Die ersteren Gegen¬
stände zogen mich immer mehr an, die lezteren stan¬
den mir ferner. Wenn es aber mehr eine Kunstliebe
war, was sich in mir äußerte, nicht eine Schöpfungs¬
kraft, so war es immerhin auch ein Vermögen der
Gestalten, aber nur eines, die Gestalten aufzuneh¬
men. Wenn diese Art von Eigenthümlichkeit den Be¬
sizer zunächst beglückt, wie ja jede Kraft selbst die
Schaffungskraft zuerst ihres Besizers willen da ist, so
bezieht sie sich doch auch auf andere Menschen, wie in
zweiter Hinsicht jede Kraft, selbst die eigenste eines
Menschen, nicht in ihm verschlossen bleiben kann,
sondern auf andere übergeht. Es ist eine sehr falsche
Behauptung, die man aber oft hört, daß jedes große
Kunstwerk auf seine Zeit eine große Wirkung hervor¬
bringen müsse, daß ferner das Werk, welches eine
große Wirkung hervor bringt, auch ein großes Kunst¬
werk sei, und daß dort, wo bei einem Werke die Wir¬
kung ausbleibt, von einer Kunst nicht geredet werden
kann. Wenn irgend ein Theil der Menschheit ein
Volk rein und gesund am Leibe und an der Seele ist,
wenn seine Kräfte gleichmäßig entwickelt nicht aber
nach einer Seite unverhältnißmäßig angespannt und

das eines Malers, gewiß aber nicht das eines Dich¬
ters oder gar eines Tonſezers. Die erſteren Gegen¬
ſtände zogen mich immer mehr an, die lezteren ſtan¬
den mir ferner. Wenn es aber mehr eine Kunſtliebe
war, was ſich in mir äußerte, nicht eine Schöpfungs¬
kraft, ſo war es immerhin auch ein Vermögen der
Geſtalten, aber nur eines, die Geſtalten aufzuneh¬
men. Wenn dieſe Art von Eigenthümlichkeit den Be¬
ſizer zunächſt beglückt, wie ja jede Kraft ſelbſt die
Schaffungskraft zuerſt ihres Beſizers willen da iſt, ſo
bezieht ſie ſich doch auch auf andere Menſchen, wie in
zweiter Hinſicht jede Kraft, ſelbſt die eigenſte eines
Menſchen, nicht in ihm verſchloſſen bleiben kann,
ſondern auf andere übergeht. Es iſt eine ſehr falſche
Behauptung, die man aber oft hört, daß jedes große
Kunſtwerk auf ſeine Zeit eine große Wirkung hervor¬
bringen müſſe, daß ferner das Werk, welches eine
große Wirkung hervor bringt, auch ein großes Kunſt¬
werk ſei, und daß dort, wo bei einem Werke die Wir¬
kung ausbleibt, von einer Kunſt nicht geredet werden
kann. Wenn irgend ein Theil der Menſchheit ein
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[223/0237] das eines Malers, gewiß aber nicht das eines Dich¬ ters oder gar eines Tonſezers. Die erſteren Gegen¬ ſtände zogen mich immer mehr an, die lezteren ſtan¬ den mir ferner. Wenn es aber mehr eine Kunſtliebe war, was ſich in mir äußerte, nicht eine Schöpfungs¬ kraft, ſo war es immerhin auch ein Vermögen der Geſtalten, aber nur eines, die Geſtalten aufzuneh¬ men. Wenn dieſe Art von Eigenthümlichkeit den Be¬ ſizer zunächſt beglückt, wie ja jede Kraft ſelbſt die Schaffungskraft zuerſt ihres Beſizers willen da iſt, ſo bezieht ſie ſich doch auch auf andere Menſchen, wie in zweiter Hinſicht jede Kraft, ſelbſt die eigenſte eines Menſchen, nicht in ihm verſchloſſen bleiben kann, ſondern auf andere übergeht. Es iſt eine ſehr falſche Behauptung, die man aber oft hört, daß jedes große Kunſtwerk auf ſeine Zeit eine große Wirkung hervor¬ bringen müſſe, daß ferner das Werk, welches eine große Wirkung hervor bringt, auch ein großes Kunſt¬ werk ſei, und daß dort, wo bei einem Werke die Wir¬ kung ausbleibt, von einer Kunſt nicht geredet werden kann. Wenn irgend ein Theil der Menſchheit ein Volk rein und geſund am Leibe und an der Seele iſt, wenn ſeine Kräfte gleichmäßig entwickelt nicht aber nach einer Seite unverhältnißmäßig angeſpannt und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/237>, abgerufen am 21.11.2024.