meines Lehrganges sie wieder besuchen, dann aber einige Monate bei ihnen bleiben wolle. Hiemit waren auch die, in deren Dienste ich stand, zufrieden."
"Die Stadt, welche mir Anfangs so unheimlich gewesen war, wurde mir immer lieber. Ich gewöhnte mich daran, immer fremde Menschen in den Gassen und auf den Pläzen zu sehen und darunter nur selten einem Bekannten zu begegnen; es erschien mir dieses so weltbürgerlich, und wie es früher mein Gemüth niedergedrückt hatte, so stählte es jezt dasselbe. Einen schönen Einfluß übten auf mich die großen wissen¬ schaftlichen und Kunsthilfsmittel, welche die Stadt, besizt. Ich besuchte die Büchersammlungen die der Gemälde, ich ging gerne in das Schauspiel, und hörte gute Musik. Es lebte von jeher ein großer Eifer für wissenschaftliche Bestrebungen in mir, und ich konnte demselben jezt bei der Heiterkeit meiner Lage Nahrung geben. Was ich bedurfte, und was ich durch meine Mittel mir nicht hätte anschaffen können, fand ich in den Sammlungen. Da ich den sogenannten Vergnü¬ gungen nicht nachging, sondern in meinen Bestrebun¬ gen mein Vergnügen fand, so hatte ich Zeit genug, und weil ich gesund und stark war, reichte auch meine Kraft aus. In hohem Maße befriedigten mich einige
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meines Lehrganges ſie wieder beſuchen, dann aber einige Monate bei ihnen bleiben wolle. Hiemit waren auch die, in deren Dienſte ich ſtand, zufrieden.“
„Die Stadt, welche mir Anfangs ſo unheimlich geweſen war, wurde mir immer lieber. Ich gewöhnte mich daran, immer fremde Menſchen in den Gaſſen und auf den Pläzen zu ſehen und darunter nur ſelten einem Bekannten zu begegnen; es erſchien mir dieſes ſo weltbürgerlich, und wie es früher mein Gemüth niedergedrückt hatte, ſo ſtählte es jezt daſſelbe. Einen ſchönen Einfluß übten auf mich die großen wiſſen¬ ſchaftlichen und Kunſthilfsmittel, welche die Stadt, beſizt. Ich beſuchte die Bücherſammlungen die der Gemälde, ich ging gerne in das Schauſpiel, und hörte gute Muſik. Es lebte von jeher ein großer Eifer für wiſſenſchaftliche Beſtrebungen in mir, und ich konnte demſelben jezt bei der Heiterkeit meiner Lage Nahrung geben. Was ich bedurfte, und was ich durch meine Mittel mir nicht hätte anſchaffen können, fand ich in den Sammlungen. Da ich den ſogenannten Vergnü¬ gungen nicht nachging, ſondern in meinen Beſtrebun¬ gen mein Vergnügen fand, ſo hatte ich Zeit genug, und weil ich geſund und ſtark war, reichte auch meine Kraft aus. In hohem Maße befriedigten mich einige
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meines Lehrganges ſie wieder beſuchen, dann aber
einige Monate bei ihnen bleiben wolle. Hiemit waren
auch die, in deren Dienſte ich ſtand, zufrieden.“
„Die Stadt, welche mir Anfangs ſo unheimlich
geweſen war, wurde mir immer lieber. Ich gewöhnte
mich daran, immer fremde Menſchen in den Gaſſen
und auf den Pläzen zu ſehen und darunter nur ſelten
einem Bekannten zu begegnen; es erſchien mir dieſes
ſo weltbürgerlich, und wie es früher mein Gemüth
niedergedrückt hatte, ſo ſtählte es jezt daſſelbe. Einen
ſchönen Einfluß übten auf mich die großen wiſſen¬
ſchaftlichen und Kunſthilfsmittel, welche die Stadt,
beſizt. Ich beſuchte die Bücherſammlungen die der
Gemälde, ich ging gerne in das Schauſpiel, und hörte
gute Muſik. Es lebte von jeher ein großer Eifer für
wiſſenſchaftliche Beſtrebungen in mir, und ich konnte
demſelben jezt bei der Heiterkeit meiner Lage Nahrung
geben. Was ich bedurfte, und was ich durch meine
Mittel mir nicht hätte anſchaffen können, fand ich in
den Sammlungen. Da ich den ſogenannten Vergnü¬
gungen nicht nachging, ſondern in meinen Beſtrebun¬
gen mein Vergnügen fand, ſo hatte ich Zeit genug,
und weil ich geſund und ſtark war, reichte auch meine
Kraft aus. In hohem Maße befriedigten mich einige
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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