war nicht verbildet. Er war körperlich sehr gesund, und dies wirkte auch auf seinen Geist, der nebstdem überall von den Seinigen mit Maß und Ruhe um¬ geben war. Er lernte sehr genau, und lernte leicht und gut, er war folgsam und wahrhaftig. Ich wurde ihm bald zugeneigt. Noch ehe der Winter kam, ver¬ langte er, daß er nicht mehr neben der Mutter sondern neben mir wohnen solle, er sei ja kein so kleiner Knabe mehr, daß er die Mutter immer brauche, und er müsse nun bald neben den Männern sein. Man willfahrte ihm auf meine Bitte, er bekam ein Zimmer neben mir, und der Diener, der bis jezt nebst andern meine Auf¬ träge zu besorgen gehabt hatte, wurde uns gemein¬ schaftlich beigegeben. Sein Körper entwickelte sich auch ziemlich regsam, er war in dem Sommer gewach¬ sen, sein Haupt war regelmäßiger und sein Blick war stärker geworden."
"So endete der Herbst, und als bereits die Reife an jedem Morgen auf den Wiesen lagen, zogen wir in die Stadt. Hier änderte sich manches. Alfred und ich wohnten wohl wieder neben einander; aber statt des Himmels und der Berge und der grünen Bäume sahen Häuser und Mauern in unsere Fenster herein. Ich war es von früherem Stadtleben gewohnt, und
war nicht verbildet. Er war körperlich ſehr geſund, und dies wirkte auch auf ſeinen Geiſt, der nebſtdem überall von den Seinigen mit Maß und Ruhe um¬ geben war. Er lernte ſehr genau, und lernte leicht und gut, er war folgſam und wahrhaftig. Ich wurde ihm bald zugeneigt. Noch ehe der Winter kam, ver¬ langte er, daß er nicht mehr neben der Mutter ſondern neben mir wohnen ſolle, er ſei ja kein ſo kleiner Knabe mehr, daß er die Mutter immer brauche, und er müſſe nun bald neben den Männern ſein. Man willfahrte ihm auf meine Bitte, er bekam ein Zimmer neben mir, und der Diener, der bis jezt nebſt andern meine Auf¬ träge zu beſorgen gehabt hatte, wurde uns gemein¬ ſchaftlich beigegeben. Sein Körper entwickelte ſich auch ziemlich regſam, er war in dem Sommer gewach¬ ſen, ſein Haupt war regelmäßiger und ſein Blick war ſtärker geworden.“
„So endete der Herbſt, und als bereits die Reife an jedem Morgen auf den Wieſen lagen, zogen wir in die Stadt. Hier änderte ſich manches. Alfred und ich wohnten wohl wieder neben einander; aber ſtatt des Himmels und der Berge und der grünen Bäume ſahen Häuſer und Mauern in unſere Fenſter herein. Ich war es von früherem Stadtleben gewohnt, und
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war nicht verbildet. Er war körperlich ſehr geſund,
und dies wirkte auch auf ſeinen Geiſt, der nebſtdem
überall von den Seinigen mit Maß und Ruhe um¬
geben war. Er lernte ſehr genau, und lernte leicht
und gut, er war folgſam und wahrhaftig. Ich wurde
ihm bald zugeneigt. Noch ehe der Winter kam, ver¬
langte er, daß er nicht mehr neben der Mutter ſondern
neben mir wohnen ſolle, er ſei ja kein ſo kleiner Knabe
mehr, daß er die Mutter immer brauche, und er müſſe
nun bald neben den Männern ſein. Man willfahrte
ihm auf meine Bitte, er bekam ein Zimmer neben mir,
und der Diener, der bis jezt nebſt andern meine Auf¬
träge zu beſorgen gehabt hatte, wurde uns gemein¬
ſchaftlich beigegeben. Sein Körper entwickelte ſich
auch ziemlich regſam, er war in dem Sommer gewach¬
ſen, ſein Haupt war regelmäßiger und ſein Blick war
ſtärker geworden.“
„So endete der Herbſt, und als bereits die Reife
an jedem Morgen auf den Wieſen lagen, zogen wir
in die Stadt. Hier änderte ſich manches. Alfred und
ich wohnten wohl wieder neben einander; aber ſtatt
des Himmels und der Berge und der grünen Bäume
ſahen Häuſer und Mauern in unſere Fenſter herein.
Ich war es von früherem Stadtleben gewohnt, und
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/290>, abgerufen am 24.11.2024.
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