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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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"Sie barg ihr Angesicht in den Rosen vor ihr, und
ihre glühende Wange war auch jezt noch schöner als
die Rosen. Sie drückte das Angesicht ganz in die
Blumen, und weinte so, daß ich glaubte, ich fühle
das Zittern ihres Körpers, oder es werde eine Ohn¬
macht ihren Schmerz erschöpfen. Ich wollte sprechen,
ich versuchte es mehrere Male; aber ich konnte nicht,
die Brust war mir zerpreßt und die Werkzeuge
des Sprechens ohne Macht. Ich faßte nach ihrem
Körper, sie zuckte aber weg, wenn sie es empfand.
Dann stand ich unbeweglich neben ihr. Ich grif mit
der bloßen Hand in die Zweige der Rosen, drückte,
daß mir leichter würde, die Dornen derselben in die
Hand, und ließ das Blut an ihr nieder rinnen."

"Als das eine Zeit gedauert hatte, als sich ihr
Weinen etwas gemildert hatte, hob sie das Angesicht
empor, trocknete mit dem Tuche, das sie aus der Ta¬
sche genommen, die Thränen, und sagte: ""Es ist alles
vorüber. Weßhalb wir noch länger hier bleiben sollen,
dazu ist kein Grund, lasse uns wieder in das Haus
gehen, und das Weitere dieser Handlung verfolgen.
Wer uns begegnet, soll nicht sehen, daß ich so sehr
geweint habe.""

"Sie trocknete neuerdings mit dem Tuche die Au¬

„Sie barg ihr Angeſicht in den Roſen vor ihr, und
ihre glühende Wange war auch jezt noch ſchöner als
die Roſen. Sie drückte das Angeſicht ganz in die
Blumen, und weinte ſo, daß ich glaubte, ich fühle
das Zittern ihres Körpers, oder es werde eine Ohn¬
macht ihren Schmerz erſchöpfen. Ich wollte ſprechen,
ich verſuchte es mehrere Male; aber ich konnte nicht,
die Bruſt war mir zerpreßt und die Werkzeuge
des Sprechens ohne Macht. Ich faßte nach ihrem
Körper, ſie zuckte aber weg, wenn ſie es empfand.
Dann ſtand ich unbeweglich neben ihr. Ich grif mit
der bloßen Hand in die Zweige der Roſen, drückte,
daß mir leichter würde, die Dornen derſelben in die
Hand, und ließ das Blut an ihr nieder rinnen.“

„Als das eine Zeit gedauert hatte, als ſich ihr
Weinen etwas gemildert hatte, hob ſie das Angeſicht
empor, trocknete mit dem Tuche, das ſie aus der Ta¬
ſche genommen, die Thränen, und ſagte: „„Es iſt alles
vorüber. Weßhalb wir noch länger hier bleiben ſollen,
dazu iſt kein Grund, laſſe uns wieder in das Haus
gehen, und das Weitere dieſer Handlung verfolgen.
Wer uns begegnet, ſoll nicht ſehen, daß ich ſo ſehr
geweint habe.““

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[325/0339] „Sie barg ihr Angeſicht in den Roſen vor ihr, und ihre glühende Wange war auch jezt noch ſchöner als die Roſen. Sie drückte das Angeſicht ganz in die Blumen, und weinte ſo, daß ich glaubte, ich fühle das Zittern ihres Körpers, oder es werde eine Ohn¬ macht ihren Schmerz erſchöpfen. Ich wollte ſprechen, ich verſuchte es mehrere Male; aber ich konnte nicht, die Bruſt war mir zerpreßt und die Werkzeuge des Sprechens ohne Macht. Ich faßte nach ihrem Körper, ſie zuckte aber weg, wenn ſie es empfand. Dann ſtand ich unbeweglich neben ihr. Ich grif mit der bloßen Hand in die Zweige der Roſen, drückte, daß mir leichter würde, die Dornen derſelben in die Hand, und ließ das Blut an ihr nieder rinnen.“ „Als das eine Zeit gedauert hatte, als ſich ihr Weinen etwas gemildert hatte, hob ſie das Angeſicht empor, trocknete mit dem Tuche, das ſie aus der Ta¬ ſche genommen, die Thränen, und ſagte: „„Es iſt alles vorüber. Weßhalb wir noch länger hier bleiben ſollen, dazu iſt kein Grund, laſſe uns wieder in das Haus gehen, und das Weitere dieſer Handlung verfolgen. Wer uns begegnet, ſoll nicht ſehen, daß ich ſo ſehr geweint habe.““ „Sie trocknete neuerdings mit dem Tuche die Au¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/339>, abgerufen am 22.11.2024.