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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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""O theure Mathilde, ich habe dir nichts zu ver¬
zeihen, oder du hast es mir auch,"" antwortete ich. ""Die
Erklärung liegt darin, daß du nicht zu sehen vermoch¬
test, was zu sehen war, und daß ich dann nicht näher
zu treten vermochte, als ich hätte näher treten sollen.
In der Liebe liegt alles. Dein schmerzhaftes Zürnen
war die Liebe, und mein schmerzhaftes Zurückhalten
war auch die Liebe. In ihr liegt unser Fehler, und
in ihr liegt unser Lohn.""

""Ja in der Liebe,"" erwiederte sie, ""die wir nicht
ausrotten konnten. Gustav, ich bin dir doch troz allem
treu geblieben, und habe nur dich allein geliebt. Viele
haben mich begehrt, ich wies sie ab; man hat mir
einen Gatten gegeben, der gut aber fremd neben
mir lebte, ich kannte nur dich, die Blume meiner
Jugend, die nie verblüht ist. Und du liebst mich auch,
das sagen die tausend Rosen vor den Mauern deines
Hauses, und es ist ein Strafgericht für mich, daß ich
gerade zu der Zeit ihrer Blüthe gekommen bin.""

""Rede nicht von Strafgerichten, Mathilde,"" er¬
wiederte ich, ""und weil alles Andere so ist, so lasse
die Vergangenheit, und sage, welche deine Lage jezt
ist. Kann ich dir in irgend etwas helfen?""

""Nein, Gustav,"" entgegnete sie, ""die größte

„„O theure Mathilde, ich habe dir nichts zu ver¬
zeihen, oder du haſt es mir auch,““ antwortete ich. „„Die
Erklärung liegt darin, daß du nicht zu ſehen vermoch¬
teſt, was zu ſehen war, und daß ich dann nicht näher
zu treten vermochte, als ich hätte näher treten ſollen.
In der Liebe liegt alles. Dein ſchmerzhaftes Zürnen
war die Liebe, und mein ſchmerzhaftes Zurückhalten
war auch die Liebe. In ihr liegt unſer Fehler, und
in ihr liegt unſer Lohn.““

„„Ja in der Liebe,““ erwiederte ſie, „„die wir nicht
ausrotten konnten. Guſtav, ich bin dir doch troz allem
treu geblieben, und habe nur dich allein geliebt. Viele
haben mich begehrt, ich wies ſie ab; man hat mir
einen Gatten gegeben, der gut aber fremd neben
mir lebte, ich kannte nur dich, die Blume meiner
Jugend, die nie verblüht iſt. Und du liebſt mich auch,
das ſagen die tauſend Roſen vor den Mauern deines
Hauſes, und es iſt ein Strafgericht für mich, daß ich
gerade zu der Zeit ihrer Blüthe gekommen bin.““

„„Rede nicht von Strafgerichten, Mathilde,““ er¬
wiederte ich, „„und weil alles Andere ſo iſt, ſo laſſe
die Vergangenheit, und ſage, welche deine Lage jezt
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[342/0356] „„O theure Mathilde, ich habe dir nichts zu ver¬ zeihen, oder du haſt es mir auch,““ antwortete ich. „„Die Erklärung liegt darin, daß du nicht zu ſehen vermoch¬ teſt, was zu ſehen war, und daß ich dann nicht näher zu treten vermochte, als ich hätte näher treten ſollen. In der Liebe liegt alles. Dein ſchmerzhaftes Zürnen war die Liebe, und mein ſchmerzhaftes Zurückhalten war auch die Liebe. In ihr liegt unſer Fehler, und in ihr liegt unſer Lohn.““ „„Ja in der Liebe,““ erwiederte ſie, „„die wir nicht ausrotten konnten. Guſtav, ich bin dir doch troz allem treu geblieben, und habe nur dich allein geliebt. Viele haben mich begehrt, ich wies ſie ab; man hat mir einen Gatten gegeben, der gut aber fremd neben mir lebte, ich kannte nur dich, die Blume meiner Jugend, die nie verblüht iſt. Und du liebſt mich auch, das ſagen die tauſend Roſen vor den Mauern deines Hauſes, und es iſt ein Strafgericht für mich, daß ich gerade zu der Zeit ihrer Blüthe gekommen bin.““ „„Rede nicht von Strafgerichten, Mathilde,““ er¬ wiederte ich, „„und weil alles Andere ſo iſt, ſo laſſe die Vergangenheit, und ſage, welche deine Lage jezt iſt. Kann ich dir in irgend etwas helfen?““ „„Nein, Guſtav,““ entgegnete ſie, „„die größte

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/356>, abgerufen am 22.11.2024.