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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Stadt sein, der endlich das Vorliegende zusammen
gestellt hat. Es wurde hierauf beinahe Tag und
Nacht gearbeitet, um zu rechter Zeit fertig zu sein.
Geöffnet sollte das Kästchen darum nicht werden, da¬
mit meine Tochter nicht etwa blos mir zu Liebe diesen
Schmuck an ihrem Trauungstage nehmen, und einen
schöneren und kostbareren, den sie besize, zu ihrem
Leidwesen ruhen lasse."

"Sie besizt keinen schöneren," erwiederte Risach,
"wir haben den, welchen sie heute trug, nach Zeich¬
nungen, die wir aus mittelalterlichen Gegenständen
frei zusammen trugen, ebenfalls bei Heinrichs Freunde
verfertigen lassen. Mathilde, laß doch den Schmuck
herbei bringen, daß wir beide vergleichen."

Mathilde reichte an Natalien ein Schlüsselchen,
und diese holte selber das Fach, in welchem der
Schmuck lag. Er war eine Zusammensezung von
Diamanten und Rubinen. Er sah so zart rein und
edel aus, wie ein in Farben geseztes mittelalterliches
Kunstwerk. Ein wahrer Zauber lag um diese Innig¬
keit von Wasserglanz und Rosenröthe in die sinnigen
Gestalten vertheilt, die nur aus den Gedanken unserer
Vorfahren so genommen werden können. Und den¬
noch stand nach einstimmigem Urtheile der Smaragd¬

Stadt ſein, der endlich das Vorliegende zuſammen
geſtellt hat. Es wurde hierauf beinahe Tag und
Nacht gearbeitet, um zu rechter Zeit fertig zu ſein.
Geöffnet ſollte das Käſtchen darum nicht werden, da¬
mit meine Tochter nicht etwa blos mir zu Liebe dieſen
Schmuck an ihrem Trauungstage nehmen, und einen
ſchöneren und koſtbareren, den ſie beſize, zu ihrem
Leidweſen ruhen laſſe.“

„Sie beſizt keinen ſchöneren,“ erwiederte Riſach,
„wir haben den, welchen ſie heute trug, nach Zeich¬
nungen, die wir aus mittelalterlichen Gegenſtänden
frei zuſammen trugen, ebenfalls bei Heinrichs Freunde
verfertigen laſſen. Mathilde, laß doch den Schmuck
herbei bringen, daß wir beide vergleichen.“

Mathilde reichte an Natalien ein Schlüſſelchen,
und dieſe holte ſelber das Fach, in welchem der
Schmuck lag. Er war eine Zuſammenſezung von
Diamanten und Rubinen. Er ſah ſo zart rein und
edel aus, wie ein in Farben geſeztes mittelalterliches
Kunſtwerk. Ein wahrer Zauber lag um dieſe Innig¬
keit von Waſſerglanz und Roſenröthe in die ſinnigen
Geſtalten vertheilt, die nur aus den Gedanken unſerer
Vorfahren ſo genommen werden können. Und den¬
noch ſtand nach einſtimmigem Urtheile der Smaragd¬

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[420/0434] Stadt ſein, der endlich das Vorliegende zuſammen geſtellt hat. Es wurde hierauf beinahe Tag und Nacht gearbeitet, um zu rechter Zeit fertig zu ſein. Geöffnet ſollte das Käſtchen darum nicht werden, da¬ mit meine Tochter nicht etwa blos mir zu Liebe dieſen Schmuck an ihrem Trauungstage nehmen, und einen ſchöneren und koſtbareren, den ſie beſize, zu ihrem Leidweſen ruhen laſſe.“ „Sie beſizt keinen ſchöneren,“ erwiederte Riſach, „wir haben den, welchen ſie heute trug, nach Zeich¬ nungen, die wir aus mittelalterlichen Gegenſtänden frei zuſammen trugen, ebenfalls bei Heinrichs Freunde verfertigen laſſen. Mathilde, laß doch den Schmuck herbei bringen, daß wir beide vergleichen.“ Mathilde reichte an Natalien ein Schlüſſelchen, und dieſe holte ſelber das Fach, in welchem der Schmuck lag. Er war eine Zuſammenſezung von Diamanten und Rubinen. Er ſah ſo zart rein und edel aus, wie ein in Farben geſeztes mittelalterliches Kunſtwerk. Ein wahrer Zauber lag um dieſe Innig¬ keit von Waſſerglanz und Roſenröthe in die ſinnigen Geſtalten vertheilt, die nur aus den Gedanken unſerer Vorfahren ſo genommen werden können. Und den¬ noch ſtand nach einſtimmigem Urtheile der Smaragd¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/434>, abgerufen am 25.11.2024.