gehen dürfen, gewiß aber wird kein Zwang sein, daß du sie oder mich weniger lieben müssest."
"Nein, nein, rede mir nicht von diesen Dingen," erwiderte sie, "es peinigt mich, und zerstört mir das Herz, das ich dir mit großer Theilnahme in der Morgenstunde habe bringen wollen."
"Nun, so reden wir nicht mehr davon, Klotilde," sagte ich, "sei nur beruhigt, und bleibe bei mir."
"Ich bleibe ja bei dir," antwortete sie, "und sprich freundlich zu mir."
Sie hatte die lezte Spur der Thränen von ihrem Angesichte vertilgt, sie sezte sich auf dem Size neben mir noch mehr zurecht, und ich mußte mit ihr sprechen. Sie fragte mich von neuem um Natalien, wie sie aussehe, was sie thue, wie sie sich zu ihrer Mutter ihrem Bruder und zu meinen Gastfreunde verhalte. Ich mußte ihr erzählen, wann ich sie zum ersten Male gesehen habe, wann ich in dem Sternenhofe gewesen sei, wann sie den Asperhof besucht habe, wann ein Ahnungsgefühl in mein Herz gekommen, wie es dort gewachsen sei, wie ich mit mir gekämpft habe, was dann gekommen sei, und wie es sich gefügt habe, daß wir endlich die Worte zu einander gefunden haben.
Ich erzählte ihr gerne, ich erzählte ihr immer
gehen dürfen, gewiß aber wird kein Zwang ſein, daß du ſie oder mich weniger lieben müſſeſt.“
„Nein, nein, rede mir nicht von dieſen Dingen,“ erwiderte ſie, „es peinigt mich, und zerſtört mir das Herz, das ich dir mit großer Theilnahme in der Morgenſtunde habe bringen wollen.“
„Nun, ſo reden wir nicht mehr davon, Klotilde,“ ſagte ich, „ſei nur beruhigt, und bleibe bei mir.“
„Ich bleibe ja bei dir,“ antwortete ſie, „und ſprich freundlich zu mir.“
Sie hatte die lezte Spur der Thränen von ihrem Angeſichte vertilgt, ſie ſezte ſich auf dem Size neben mir noch mehr zurecht, und ich mußte mit ihr ſprechen. Sie fragte mich von neuem um Natalien, wie ſie ausſehe, was ſie thue, wie ſie ſich zu ihrer Mutter ihrem Bruder und zu meinen Gaſtfreunde verhalte. Ich mußte ihr erzählen, wann ich ſie zum erſten Male geſehen habe, wann ich in dem Sternenhofe geweſen ſei, wann ſie den Asperhof beſucht habe, wann ein Ahnungsgefühl in mein Herz gekommen, wie es dort gewachſen ſei, wie ich mit mir gekämpft habe, was dann gekommen ſei, und wie es ſich gefügt habe, daß wir endlich die Worte zu einander gefunden haben.
Ich erzählte ihr gerne, ich erzählte ihr immer
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gehen dürfen, gewiß aber wird kein Zwang ſein, daß
du ſie oder mich weniger lieben müſſeſt.“
„Nein, nein, rede mir nicht von dieſen Dingen,“
erwiderte ſie, „es peinigt mich, und zerſtört mir das
Herz, das ich dir mit großer Theilnahme in der
Morgenſtunde habe bringen wollen.“
„Nun, ſo reden wir nicht mehr davon, Klotilde,“
ſagte ich, „ſei nur beruhigt, und bleibe bei mir.“
„Ich bleibe ja bei dir,“ antwortete ſie, „und ſprich
freundlich zu mir.“
Sie hatte die lezte Spur der Thränen von ihrem
Angeſichte vertilgt, ſie ſezte ſich auf dem Size neben
mir noch mehr zurecht, und ich mußte mit ihr ſprechen.
Sie fragte mich von neuem um Natalien, wie ſie
ausſehe, was ſie thue, wie ſie ſich zu ihrer Mutter
ihrem Bruder und zu meinen Gaſtfreunde verhalte.
Ich mußte ihr erzählen, wann ich ſie zum erſten Male
geſehen habe, wann ich in dem Sternenhofe geweſen
ſei, wann ſie den Asperhof beſucht habe, wann ein
Ahnungsgefühl in mein Herz gekommen, wie es dort
gewachſen ſei, wie ich mit mir gekämpft habe, was dann
gekommen ſei, und wie es ſich gefügt habe, daß wir
endlich die Worte zu einander gefunden haben.
Ich erzählte ihr gerne, ich erzählte ihr immer
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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