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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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augen sich erheben. Er sagte, das werde gewiß ein¬
mal einen Grund zu einer neuen Eintheilung dieser
Cactusgestalt geben. Er zeigte mir an vorhandenen
Gewächsen den Unterschied, und ich mußte ihn erken¬
nen. Er sagte, daß dies nicht zufällig sei, und daß
er die Thatsache schon dreißig Jahre beobachte. Da¬
mals, als er jung gewesen, seien kaum einige dieser
Gestaltungen bekannt gewesen, jezt vermehre sich die
Kenntniß derselben bedeutend, seit die Menschen zur
Einsicht ihrer Schönheit gekommen sind, und Reisende
Pflanzen aus Amerika senden, wie jener Reisende,
der von deutschen Landen aus fast in der ganzen Welt
gewesen sei. Es könne nur Unverstand oder Oberfläch¬
lichkeit oder Kurzsichtigkeit diese Pflanzengattung un¬
gestaltig nennen, da doch nichts regelmäßiger und
manigfaltiger und dabei reizender sei als eben sie.
Nur eine erste genaue Betrachtung und Vergleichung
derselben sei nöthig, und nur ein sehr kurzes Fortsezen
dieser Betrachtung, damit die Gegner dieser Pflanzen
in warme Verehrer derselben übergehen -- es müßte
nur ein Mensch überhaupt kein Freund der Pflanzen
sein, welche Gattung es vielleicht in der Welt nicht
gibt. Als ich das Pflanzenhaus verließ, begleitete er
mich bis an die Grenze der Gewächshäuser, und auch

augen ſich erheben. Er ſagte, das werde gewiß ein¬
mal einen Grund zu einer neuen Eintheilung dieſer
Cactusgeſtalt geben. Er zeigte mir an vorhandenen
Gewächſen den Unterſchied, und ich mußte ihn erken¬
nen. Er ſagte, daß dies nicht zufällig ſei, und daß
er die Thatſache ſchon dreißig Jahre beobachte. Da¬
mals, als er jung geweſen, ſeien kaum einige dieſer
Geſtaltungen bekannt geweſen, jezt vermehre ſich die
Kenntniß derſelben bedeutend, ſeit die Menſchen zur
Einſicht ihrer Schönheit gekommen ſind, und Reiſende
Pflanzen aus Amerika ſenden, wie jener Reiſende,
der von deutſchen Landen aus faſt in der ganzen Welt
geweſen ſei. Es könne nur Unverſtand oder Oberfläch¬
lichkeit oder Kurzſichtigkeit dieſe Pflanzengattung un¬
geſtaltig nennen, da doch nichts regelmäßiger und
manigfaltiger und dabei reizender ſei als eben ſie.
Nur eine erſte genaue Betrachtung und Vergleichung
derſelben ſei nöthig, und nur ein ſehr kurzes Fortſezen
dieſer Betrachtung, damit die Gegner dieſer Pflanzen
in warme Verehrer derſelben übergehen — es müßte
nur ein Menſch überhaupt kein Freund der Pflanzen
ſein, welche Gattung es vielleicht in der Welt nicht
gibt. Als ich das Pflanzenhaus verließ, begleitete er
mich bis an die Grenze der Gewächshäuſer, und auch

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[68/0082] augen ſich erheben. Er ſagte, das werde gewiß ein¬ mal einen Grund zu einer neuen Eintheilung dieſer Cactusgeſtalt geben. Er zeigte mir an vorhandenen Gewächſen den Unterſchied, und ich mußte ihn erken¬ nen. Er ſagte, daß dies nicht zufällig ſei, und daß er die Thatſache ſchon dreißig Jahre beobachte. Da¬ mals, als er jung geweſen, ſeien kaum einige dieſer Geſtaltungen bekannt geweſen, jezt vermehre ſich die Kenntniß derſelben bedeutend, ſeit die Menſchen zur Einſicht ihrer Schönheit gekommen ſind, und Reiſende Pflanzen aus Amerika ſenden, wie jener Reiſende, der von deutſchen Landen aus faſt in der ganzen Welt geweſen ſei. Es könne nur Unverſtand oder Oberfläch¬ lichkeit oder Kurzſichtigkeit dieſe Pflanzengattung un¬ geſtaltig nennen, da doch nichts regelmäßiger und manigfaltiger und dabei reizender ſei als eben ſie. Nur eine erſte genaue Betrachtung und Vergleichung derſelben ſei nöthig, und nur ein ſehr kurzes Fortſezen dieſer Betrachtung, damit die Gegner dieſer Pflanzen in warme Verehrer derſelben übergehen — es müßte nur ein Menſch überhaupt kein Freund der Pflanzen ſein, welche Gattung es vielleicht in der Welt nicht gibt. Als ich das Pflanzenhaus verließ, begleitete er mich bis an die Grenze der Gewächshäuſer, und auch

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/82>, abgerufen am 21.11.2024.