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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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"Ich glaube nicht, daß ihr Zweck ganz verfehlt
wird." sagte mein Gastfreund, "das Suchen und das,
was sie in diesem Suchen fördert, und in sich und
anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müssen eben
verschiedene und zwar verschieden hohe und verschie¬
den geartete Stufen erstiegen werden. Wenn jede
Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenstande
zugeführt würde, und ihn ergreifen und erschöpfen
müßte, so wäre eine viel schönere und reichere Blume
dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem
Gegenstande zuwenden kann oder sich von ihm fern
halten, die ihr Paradies sehen, sich von ihm abwen¬
den und dann trauern kann, daß sie sich von ihm
abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies
eingeht, und sich glücklich fühlt, daß sie eingegan¬
gen ist."

"Oft habe ich schon gedacht," sagte ich, "da die
Kunst so sehr aus die Menschen wirkt, wie ich an mir
selber wenn auch nur erst kurze Zeit zu beobachten
Gelegenheit hatte, ob denn der Künstler bei der An¬
lage seines Werkes seine Mitmenschen vor Augen
habe, und dahin rechne, wie er es einrichten müsse,
daß auf sie die Wirkung gemacht werde, die er
beabsichtiget."

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„Ich glaube nicht, daß ihr Zweck ganz verfehlt
wird.“ ſagte mein Gaſtfreund, „das Suchen und das,
was ſie in dieſem Suchen fördert, und in ſich und
anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müſſen eben
verſchiedene und zwar verſchieden hohe und verſchie¬
den geartete Stufen erſtiegen werden. Wenn jede
Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenſtande
zugeführt würde, und ihn ergreifen und erſchöpfen
müßte, ſo wäre eine viel ſchönere und reichere Blume
dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem
Gegenſtande zuwenden kann oder ſich von ihm fern
halten, die ihr Paradies ſehen, ſich von ihm abwen¬
den und dann trauern kann, daß ſie ſich von ihm
abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies
eingeht, und ſich glücklich fühlt, daß ſie eingegan¬
gen iſt.“

„Oft habe ich ſchon gedacht,“ ſagte ich, „da die
Kunſt ſo ſehr aus die Menſchen wirkt, wie ich an mir
ſelber wenn auch nur erſt kurze Zeit zu beobachten
Gelegenheit hatte, ob denn der Künſtler bei der An¬
lage ſeines Werkes ſeine Mitmenſchen vor Augen
habe, und dahin rechne, wie er es einrichten müſſe,
daß auf ſie die Wirkung gemacht werde, die er
beabſichtiget.“

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[83/0097] „Ich glaube nicht, daß ihr Zweck ganz verfehlt wird.“ ſagte mein Gaſtfreund, „das Suchen und das, was ſie in dieſem Suchen fördert, und in ſich und anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müſſen eben verſchiedene und zwar verſchieden hohe und verſchie¬ den geartete Stufen erſtiegen werden. Wenn jede Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenſtande zugeführt würde, und ihn ergreifen und erſchöpfen müßte, ſo wäre eine viel ſchönere und reichere Blume dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem Gegenſtande zuwenden kann oder ſich von ihm fern halten, die ihr Paradies ſehen, ſich von ihm abwen¬ den und dann trauern kann, daß ſie ſich von ihm abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies eingeht, und ſich glücklich fühlt, daß ſie eingegan¬ gen iſt.“ „Oft habe ich ſchon gedacht,“ ſagte ich, „da die Kunſt ſo ſehr aus die Menſchen wirkt, wie ich an mir ſelber wenn auch nur erſt kurze Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte, ob denn der Künſtler bei der An¬ lage ſeines Werkes ſeine Mitmenſchen vor Augen habe, und dahin rechne, wie er es einrichten müſſe, daß auf ſie die Wirkung gemacht werde, die er beabſichtiget.“ 6 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/97>, abgerufen am 24.11.2024.