blik über ein Größeres: ganze menschliche Abtheilun¬ gen und Verhältnisse wurden geordnet, das Recht des Ganzen vereint mit dem des Theiles, und Gro߬ muth gegen den Feind und Unterdrükung seiner Em¬ pfindungen und Leidenschaften zum Besten der Gerech¬ tigkeit hoch und herrlich gehalten, wie ja Mäßigung schon den Alten als die erste männliche Tugend galt, und endlich wurde ein völkerumschlingendes Band als ein Wünschenswerthes gedacht, ein Band, das alle Gaben des einen Volkes mit denen des andern ver¬ tauscht, die Wissenschaft fördert, ihre Schäze für alle Menschen darlegt, und in der Kunst und Religion zu dem einfach Hohen und Himmlischen leitet.
Wie es mit dem Aufwärtssteigen des mensch¬ lichen Geschlechtes ist, so ist es auch mit seinem Ab¬ wärtssteigen. Untergehenden Völkern verschwindet zu¬ erst das Maß. Sie gehen nach Einzelnem aus, sie werfen sich mit kurzem Blike auf das Beschränkte und Unbedeutende, sie sezen das Bedingte über das Allge¬ meine; dann suchen sie den Genuß und das Sinnliche, sie suchen Befriedigung ihres Hasses und Neides gegen den Nachbar, in ihrer Kunst wird das Einseitige ge¬ schildert das nur von einem Standpunkte Gültige, dann das Zerfahrene Unstimmende Abenteuerliche, endlich das Sinnenreizende Aufregende und zulezt die
blik über ein Größeres: ganze menſchliche Abtheilun¬ gen und Verhältniſſe wurden geordnet, das Recht des Ganzen vereint mit dem des Theiles, und Gro߬ muth gegen den Feind und Unterdrükung ſeiner Em¬ pfindungen und Leidenſchaften zum Beſten der Gerech¬ tigkeit hoch und herrlich gehalten, wie ja Mäßigung ſchon den Alten als die erſte männliche Tugend galt, und endlich wurde ein völkerumſchlingendes Band als ein Wünſchenswerthes gedacht, ein Band, das alle Gaben des einen Volkes mit denen des andern ver¬ tauſcht, die Wiſſenſchaft fördert, ihre Schäze für alle Menſchen darlegt, und in der Kunſt und Religion zu dem einfach Hohen und Himmliſchen leitet.
Wie es mit dem Aufwärtsſteigen des menſch¬ lichen Geſchlechtes iſt, ſo iſt es auch mit ſeinem Ab¬ wärtsſteigen. Untergehenden Völkern verſchwindet zu¬ erſt das Maß. Sie gehen nach Einzelnem aus, ſie werfen ſich mit kurzem Blike auf das Beſchränkte und Unbedeutende, ſie ſezen das Bedingte über das Allge¬ meine; dann ſuchen ſie den Genuß und das Sinnliche, ſie ſuchen Befriedigung ihres Haſſes und Neides gegen den Nachbar, in ihrer Kunſt wird das Einſeitige ge¬ ſchildert das nur von einem Standpunkte Gültige, dann das Zerfahrene Unſtimmende Abenteuerliche, endlich das Sinnenreizende Aufregende und zulezt die
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blik über ein Größeres: ganze menſchliche Abtheilun¬
gen und Verhältniſſe wurden geordnet, das Recht des
Ganzen vereint mit dem des Theiles, und Gro߬
muth gegen den Feind und Unterdrükung ſeiner Em¬
pfindungen und Leidenſchaften zum Beſten der Gerech¬
tigkeit hoch und herrlich gehalten, wie ja Mäßigung
ſchon den Alten als die erſte männliche Tugend galt,
und endlich wurde ein völkerumſchlingendes Band als
ein Wünſchenswerthes gedacht, ein Band, das alle
Gaben des einen Volkes mit denen des andern ver¬
tauſcht, die Wiſſenſchaft fördert, ihre Schäze für alle
Menſchen darlegt, und in der Kunſt und Religion zu
dem einfach Hohen und Himmliſchen leitet.
Wie es mit dem Aufwärtsſteigen des menſch¬
lichen Geſchlechtes iſt, ſo iſt es auch mit ſeinem Ab¬
wärtsſteigen. Untergehenden Völkern verſchwindet zu¬
erſt das Maß. Sie gehen nach Einzelnem aus, ſie
werfen ſich mit kurzem Blike auf das Beſchränkte und
Unbedeutende, ſie ſezen das Bedingte über das Allge¬
meine; dann ſuchen ſie den Genuß und das Sinnliche,
ſie ſuchen Befriedigung ihres Haſſes und Neides gegen
den Nachbar, in ihrer Kunſt wird das Einſeitige ge¬
ſchildert das nur von einem Standpunkte Gültige,
dann das Zerfahrene Unſtimmende Abenteuerliche,
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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