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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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das Richtige traf, und den Tüchtigsten Achtung einge¬
flößt hätte: aber er hatte auch eine so bewegliche leb¬
hafte und über seine anderen Geisteskräfte hinaus
ragende Einbildungskraft, daß sie immer die Äuße¬
rungen seiner andern Geistesthätigkeiten zu Schanden,
und sich in struppigen wirren und zakigen Dingen
Luft machte. Wäre sie bildend gewesen so wäre er
ein Künstler geworden; aber sie blieb nur abschweifend
zerbrochen und herumspringend, so daß er Dinge sagte,
die niemand verstand, daß er wizig war, daß er lä¬
cherlich wurde, und vor lauter Plänen zu keinem rech¬
ten Thun kam. Daraus folgte daß in seinem Leben
nur Anfänge ohne Fortsezung und Fortsezungen ohne
Anfänge waren.

Er wurde einmal, da sein Vater und seine Mutter
schon todt waren, der Gegenstand großer Zuneigung
eines Mädchens. Er liebte das Mädchen so sehr, daß
kein Wesen auf der Erde war, dem er eine gleiche oder
nur annähernde Neigung hätte schenken können. Es
schienen also alle Bedingungen zu einer glüklichen Ver¬
einigung vorhanden zu sein. Aber einmal machte er sich
in Gesellschaft vieler Menschen durch seine Reden und
Wortsprünge so lächerlich, daß das Mädchen mit
Glut und Scham übergossen da saß. Er schrieb des
andern Tages an seine Braut, daß er ihrer unwürdig

das Richtige traf, und den Tüchtigſten Achtung einge¬
flößt hätte: aber er hatte auch eine ſo bewegliche leb¬
hafte und über ſeine anderen Geiſteskräfte hinaus
ragende Einbildungskraft, daß ſie immer die Äuße¬
rungen ſeiner andern Geiſtesthätigkeiten zu Schanden,
und ſich in ſtruppigen wirren und zakigen Dingen
Luft machte. Wäre ſie bildend geweſen ſo wäre er
ein Künſtler geworden; aber ſie blieb nur abſchweifend
zerbrochen und herumſpringend, ſo daß er Dinge ſagte,
die niemand verſtand, daß er wizig war, daß er lä¬
cherlich wurde, und vor lauter Plänen zu keinem rech¬
ten Thun kam. Daraus folgte daß in ſeinem Leben
nur Anfänge ohne Fortſezung und Fortſezungen ohne
Anfänge waren.

Er wurde einmal, da ſein Vater und ſeine Mutter
ſchon todt waren, der Gegenſtand großer Zuneigung
eines Mädchens. Er liebte das Mädchen ſo ſehr, daß
kein Weſen auf der Erde war, dem er eine gleiche oder
nur annähernde Neigung hätte ſchenken können. Es
ſchienen alſo alle Bedingungen zu einer glüklichen Ver¬
einigung vorhanden zu ſein. Aber einmal machte er ſich
in Geſellſchaft vieler Menſchen durch ſeine Reden und
Wortſprünge ſo lächerlich, daß das Mädchen mit
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[218/0229] das Richtige traf, und den Tüchtigſten Achtung einge¬ flößt hätte: aber er hatte auch eine ſo bewegliche leb¬ hafte und über ſeine anderen Geiſteskräfte hinaus ragende Einbildungskraft, daß ſie immer die Äuße¬ rungen ſeiner andern Geiſtesthätigkeiten zu Schanden, und ſich in ſtruppigen wirren und zakigen Dingen Luft machte. Wäre ſie bildend geweſen ſo wäre er ein Künſtler geworden; aber ſie blieb nur abſchweifend zerbrochen und herumſpringend, ſo daß er Dinge ſagte, die niemand verſtand, daß er wizig war, daß er lä¬ cherlich wurde, und vor lauter Plänen zu keinem rech¬ ten Thun kam. Daraus folgte daß in ſeinem Leben nur Anfänge ohne Fortſezung und Fortſezungen ohne Anfänge waren. Er wurde einmal, da ſein Vater und ſeine Mutter ſchon todt waren, der Gegenſtand großer Zuneigung eines Mädchens. Er liebte das Mädchen ſo ſehr, daß kein Weſen auf der Erde war, dem er eine gleiche oder nur annähernde Neigung hätte ſchenken können. Es ſchienen alſo alle Bedingungen zu einer glüklichen Ver¬ einigung vorhanden zu ſein. Aber einmal machte er ſich in Geſellſchaft vieler Menſchen durch ſeine Reden und Wortſprünge ſo lächerlich, daß das Mädchen mit Glut und Scham übergoſſen da ſaß. Er ſchrieb des andern Tages an ſeine Braut, daß er ihrer unwürdig

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/229>, abgerufen am 24.11.2024.