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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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konnte jene hohe Freude nicht theilen, die die Männer
über jeden Vortheil hatten, den die Unsrigen errangen,
sie fühlte nur die Wunden, die geschlagen wurden,
ob sie auch dem Feinde galten, und wenn sie auch
wünschte, daß Friede würde, und unsere Fluren von
dem Feinde befreit wären, so wünschte sie das nicht
durch Erschlagen aller Feinde, sondern nur durch ihr
Vertreiben, und sie konnte es sich nicht verhehlen,
daß es ihr sehr widrig sei, daß vernünftige Wesen
ihren Streit nicht in Vernunft und nach Gerechtigkeit
austragen können, sondern daß sie sich gegenseitig
dabei tödten, und sie schalt die Wildheit der drei
Männer, welche auch nicht mehr die Thatsachen rechts
und links sähen, sondern nur den Feind im Auge hät¬
ten, auf den sie blind los rennen wollten.

So waren die Sachen endlich zu jenem Stande
gediehen, da unsere Truppen auf unserem Boden ge¬
schlagen sich nach Norden zogen, um dort noch tiefere
und schmerzlichere Wunden zu empfangen, bis das
Maß voll war, bis das Gericht eintrat, und der Über¬
muth und die Willkühr wieder in ihre Grenzen zurük
geworfen, ja dort hart gestraft werden sollte.

Als unsere Truppen sich damals vor dem Sieger
zurükzogen, geschah es zum ersten Male, daß auch
eine Abtheilung unserer Kriegsmacht und zwar eine

konnte jene hohe Freude nicht theilen, die die Männer
über jeden Vortheil hatten, den die Unſrigen errangen,
ſie fühlte nur die Wunden, die geſchlagen wurden,
ob ſie auch dem Feinde galten, und wenn ſie auch
wünſchte, daß Friede würde, und unſere Fluren von
dem Feinde befreit wären, ſo wünſchte ſie das nicht
durch Erſchlagen aller Feinde, ſondern nur durch ihr
Vertreiben, und ſie konnte es ſich nicht verhehlen,
daß es ihr ſehr widrig ſei, daß vernünftige Weſen
ihren Streit nicht in Vernunft und nach Gerechtigkeit
austragen können, ſondern daß ſie ſich gegenſeitig
dabei tödten, und ſie ſchalt die Wildheit der drei
Männer, welche auch nicht mehr die Thatſachen rechts
und links ſähen, ſondern nur den Feind im Auge hät¬
ten, auf den ſie blind los rennen wollten.

So waren die Sachen endlich zu jenem Stande
gediehen, da unſere Truppen auf unſerem Boden ge¬
ſchlagen ſich nach Norden zogen, um dort noch tiefere
und ſchmerzlichere Wunden zu empfangen, bis das
Maß voll war, bis das Gericht eintrat, und der Über¬
muth und die Willkühr wieder in ihre Grenzen zurük
geworfen, ja dort hart geſtraft werden ſollte.

Als unſere Truppen ſich damals vor dem Sieger
zurükzogen, geſchah es zum erſten Male, daß auch
eine Abtheilung unſerer Kriegsmacht und zwar eine

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[230/0241] konnte jene hohe Freude nicht theilen, die die Männer über jeden Vortheil hatten, den die Unſrigen errangen, ſie fühlte nur die Wunden, die geſchlagen wurden, ob ſie auch dem Feinde galten, und wenn ſie auch wünſchte, daß Friede würde, und unſere Fluren von dem Feinde befreit wären, ſo wünſchte ſie das nicht durch Erſchlagen aller Feinde, ſondern nur durch ihr Vertreiben, und ſie konnte es ſich nicht verhehlen, daß es ihr ſehr widrig ſei, daß vernünftige Weſen ihren Streit nicht in Vernunft und nach Gerechtigkeit austragen können, ſondern daß ſie ſich gegenſeitig dabei tödten, und ſie ſchalt die Wildheit der drei Männer, welche auch nicht mehr die Thatſachen rechts und links ſähen, ſondern nur den Feind im Auge hät¬ ten, auf den ſie blind los rennen wollten. So waren die Sachen endlich zu jenem Stande gediehen, da unſere Truppen auf unſerem Boden ge¬ ſchlagen ſich nach Norden zogen, um dort noch tiefere und ſchmerzlichere Wunden zu empfangen, bis das Maß voll war, bis das Gericht eintrat, und der Über¬ muth und die Willkühr wieder in ihre Grenzen zurük geworfen, ja dort hart geſtraft werden ſollte. Als unſere Truppen ſich damals vor dem Sieger zurükzogen, geſchah es zum erſten Male, daß auch eine Abtheilung unſerer Kriegsmacht und zwar eine

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/241>, abgerufen am 23.11.2024.