Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

richtete er etwas an dem Pferde, prüfte anderes, und
da es gut befunden war, schwang er sich hinauf. Da
er einmal oben saß, war es nur ein Augenblik, in
welchem er sich gleichsam fest zu sezen suchte, dann
gab er die Sporen, that einen Ruf, und mit
einer so fürchterlichen Schnelligkeit, daß man kaum
mit den Augen bliken konnte, daß die Funken in
Schwärmen sprühten, flog er über den Steindamm
hinaus. Als er jenseits war, wie man aus dem
schwächeren Hufschlage schließen konnte, schoß er rechts
und links einen Pistolenschuß ab, worauf sogleich
Blize hinter ihm sichtbar wurden, Schüsse krachten,
Geschrei sich erhob, und sich ferner zog.

"Das ist ein Mann," rief Lulu jubelnd.

"Du Scheusal, du kleine Ausgeburt," schrie der
Schloßherr, "du fällst in Bewunderung unsern Fein¬
den zu."

"Er ist ja kein Franzose," antwortete Lulu, "er
spricht so schön deutsch."

"Um so schlechter, um so tausendmal schlechter ist
er, sagte der Schloßherr, "als ein Deutscher sollte er
lieber in die fernsten Gegenden ziehen, und betteln,
ehe er mit dem Erzfeinde sich verbindet, ja er sollte
lieber den Tod leiden. So aber nimmt er von unserem
Thurme die Stellung der Verbündeten auf, verräth

richtete er etwas an dem Pferde, prüfte anderes, und
da es gut befunden war, ſchwang er ſich hinauf. Da
er einmal oben ſaß, war es nur ein Augenblik, in
welchem er ſich gleichſam feſt zu ſezen ſuchte, dann
gab er die Sporen, that einen Ruf, und mit
einer ſo fürchterlichen Schnelligkeit, daß man kaum
mit den Augen bliken konnte, daß die Funken in
Schwärmen ſprühten, flog er über den Steindamm
hinaus. Als er jenſeits war, wie man aus dem
ſchwächeren Hufſchlage ſchließen konnte, ſchoß er rechts
und links einen Piſtolenſchuß ab, worauf ſogleich
Blize hinter ihm ſichtbar wurden, Schüſſe krachten,
Geſchrei ſich erhob, und ſich ferner zog.

„Das iſt ein Mann,“ rief Lulu jubelnd.

„Du Scheuſal, du kleine Ausgeburt,“ ſchrie der
Schloßherr, „du fällſt in Bewunderung unſern Fein¬
den zu.“

„Er iſt ja kein Franzoſe,“ antwortete Lulu, „er
ſpricht ſo ſchön deutſch.“

„Um ſo ſchlechter, um ſo tauſendmal ſchlechter iſt
er, ſagte der Schloßherr, „als ein Deutſcher ſollte er
lieber in die fernſten Gegenden ziehen, und betteln,
ehe er mit dem Erzfeinde ſich verbindet, ja er ſollte
lieber den Tod leiden. So aber nimmt er von unſerem
Thurme die Stellung der Verbündeten auf, verräth

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0256" n="245"/>
richtete er etwas an dem Pferde, prüfte anderes, und<lb/>
da es gut befunden war, &#x017F;chwang er &#x017F;ich hinauf. Da<lb/>
er einmal oben &#x017F;aß, war es nur ein Augenblik, in<lb/>
welchem er &#x017F;ich gleich&#x017F;am fe&#x017F;t zu &#x017F;ezen &#x017F;uchte, dann<lb/>
gab er die Sporen, that einen Ruf, und mit<lb/>
einer &#x017F;o fürchterlichen Schnelligkeit, daß man kaum<lb/>
mit den Augen bliken konnte, daß die Funken in<lb/>
Schwärmen &#x017F;prühten, flog er über den Steindamm<lb/>
hinaus. Als er jen&#x017F;eits war, wie man aus dem<lb/>
&#x017F;chwächeren Huf&#x017F;chlage &#x017F;chließen konnte, &#x017F;choß er rechts<lb/>
und links einen Pi&#x017F;tolen&#x017F;chuß ab, worauf &#x017F;ogleich<lb/>
Blize hinter ihm &#x017F;ichtbar wurden, Schü&#x017F;&#x017F;e krachten,<lb/>
Ge&#x017F;chrei &#x017F;ich erhob, und &#x017F;ich ferner zog.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t ein Mann,&#x201C; rief Lulu jubelnd.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du Scheu&#x017F;al, du kleine Ausgeburt,&#x201C; &#x017F;chrie der<lb/>
Schloßherr, &#x201E;du fäll&#x017F;t in Bewunderung un&#x017F;ern Fein¬<lb/>
den zu.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er i&#x017F;t ja kein Franzo&#x017F;e,&#x201C; antwortete Lulu, &#x201E;er<lb/>
&#x017F;pricht &#x017F;o &#x017F;chön deut&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um &#x017F;o &#x017F;chlechter, um &#x017F;o tau&#x017F;endmal &#x017F;chlechter i&#x017F;t<lb/>
er, &#x017F;agte der Schloßherr, &#x201E;als ein Deut&#x017F;cher &#x017F;ollte er<lb/>
lieber in die fern&#x017F;ten Gegenden ziehen, und betteln,<lb/>
ehe er mit dem Erzfeinde &#x017F;ich verbindet, ja er &#x017F;ollte<lb/>
lieber den Tod leiden. So aber nimmt er von un&#x017F;erem<lb/>
Thurme die Stellung der Verbündeten auf, verräth<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0256] richtete er etwas an dem Pferde, prüfte anderes, und da es gut befunden war, ſchwang er ſich hinauf. Da er einmal oben ſaß, war es nur ein Augenblik, in welchem er ſich gleichſam feſt zu ſezen ſuchte, dann gab er die Sporen, that einen Ruf, und mit einer ſo fürchterlichen Schnelligkeit, daß man kaum mit den Augen bliken konnte, daß die Funken in Schwärmen ſprühten, flog er über den Steindamm hinaus. Als er jenſeits war, wie man aus dem ſchwächeren Hufſchlage ſchließen konnte, ſchoß er rechts und links einen Piſtolenſchuß ab, worauf ſogleich Blize hinter ihm ſichtbar wurden, Schüſſe krachten, Geſchrei ſich erhob, und ſich ferner zog. „Das iſt ein Mann,“ rief Lulu jubelnd. „Du Scheuſal, du kleine Ausgeburt,“ ſchrie der Schloßherr, „du fällſt in Bewunderung unſern Fein¬ den zu.“ „Er iſt ja kein Franzoſe,“ antwortete Lulu, „er ſpricht ſo ſchön deutſch.“ „Um ſo ſchlechter, um ſo tauſendmal ſchlechter iſt er, ſagte der Schloßherr, „als ein Deutſcher ſollte er lieber in die fernſten Gegenden ziehen, und betteln, ehe er mit dem Erzfeinde ſich verbindet, ja er ſollte lieber den Tod leiden. So aber nimmt er von unſerem Thurme die Stellung der Verbündeten auf, verräth

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/256
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/256>, abgerufen am 21.11.2024.