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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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von den Felsen umstanden ist, dahin, bis man zu dem
ältern Firn gelangt, der die Eisspalten überbaut, und in
den meisten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt.
An der höchsten Stelle des Firns erheben sich die
zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere
mithin die Spize des Berges ist. Diese Kuppen sind
sehr schwer zu erklimmen; da sie mit einem oft breite¬
ren oft engeren Schneegraben -- dem Firnschrunde --
umgeben sind, der übersprungen werden muß, und da
ihre steilrechten Wände nur kleine Absäze haben, in
welche der Fuß eingesezt werden muß, so begnügen
sich die meisten Besteiger des Berges damit, bis zu
dem Firnschrunde gelangt zu sein, und dort die Rund¬
sicht, so weit sie nicht durch das Horn verdekt ist, zu ge¬
nießen. Die den Gipfel besteigen wollen, müssen dies
mit Hilfe von Steigeisen, Striken und Klammern thun.

Außer diesem Berge stehen an derselben Mittag¬
seite noch andere, aber keiner ist so hoch, wenn sie sich
auch früh im Herbste mit Schnee bedeken, und ihn bis tief
in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber
nimmt denselben immer weg, und die Felsen glän¬
zen freundlich im Sonnenscheine, und die tiefer
gelegenen Wälder zeigen ihr sanftes Grün von breiten
blauen Schatten durchschnitten, die so schön sind, daß
man sich in seinem Leben nicht satt daran sehen kann.

von den Felſen umſtanden iſt, dahin, bis man zu dem
ältern Firn gelangt, der die Eisſpalten überbaut, und in
den meiſten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt.
An der höchſten Stelle des Firns erheben ſich die
zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere
mithin die Spize des Berges iſt. Dieſe Kuppen ſind
ſehr ſchwer zu erklimmen; da ſie mit einem oft breite¬
ren oft engeren Schneegraben — dem Firnſchrunde —
umgeben ſind, der überſprungen werden muß, und da
ihre ſteilrechten Wände nur kleine Abſäze haben, in
welche der Fuß eingeſezt werden muß, ſo begnügen
ſich die meiſten Beſteiger des Berges damit, bis zu
dem Firnſchrunde gelangt zu ſein, und dort die Rund¬
ſicht, ſo weit ſie nicht durch das Horn verdekt iſt, zu ge¬
nießen. Die den Gipfel beſteigen wollen, müſſen dies
mit Hilfe von Steigeiſen, Striken und Klammern thun.

Außer dieſem Berge ſtehen an derſelben Mittag¬
ſeite noch andere, aber keiner iſt ſo hoch, wenn ſie ſich
auch früh im Herbſte mit Schnee bedeken, und ihn bis tief
in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber
nimmt denſelben immer weg, und die Felſen glän¬
zen freundlich im Sonnenſcheine, und die tiefer
gelegenen Wälder zeigen ihr ſanftes Grün von breiten
blauen Schatten durchſchnitten, die ſo ſchön ſind, daß
man ſich in ſeinem Leben nicht ſatt daran ſehen kann.

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[16/0027] von den Felſen umſtanden iſt, dahin, bis man zu dem ältern Firn gelangt, der die Eisſpalten überbaut, und in den meiſten Zeiten des Jahres den Wanderer trägt. An der höchſten Stelle des Firns erheben ſich die zwei Hörner aus dem Schnee, wovon eines das höhere mithin die Spize des Berges iſt. Dieſe Kuppen ſind ſehr ſchwer zu erklimmen; da ſie mit einem oft breite¬ ren oft engeren Schneegraben — dem Firnſchrunde — umgeben ſind, der überſprungen werden muß, und da ihre ſteilrechten Wände nur kleine Abſäze haben, in welche der Fuß eingeſezt werden muß, ſo begnügen ſich die meiſten Beſteiger des Berges damit, bis zu dem Firnſchrunde gelangt zu ſein, und dort die Rund¬ ſicht, ſo weit ſie nicht durch das Horn verdekt iſt, zu ge¬ nießen. Die den Gipfel beſteigen wollen, müſſen dies mit Hilfe von Steigeiſen, Striken und Klammern thun. Außer dieſem Berge ſtehen an derſelben Mittag¬ ſeite noch andere, aber keiner iſt ſo hoch, wenn ſie ſich auch früh im Herbſte mit Schnee bedeken, und ihn bis tief in den Frühling hinein behalten. Der Sommer aber nimmt denſelben immer weg, und die Felſen glän¬ zen freundlich im Sonnenſcheine, und die tiefer gelegenen Wälder zeigen ihr ſanftes Grün von breiten blauen Schatten durchſchnitten, die ſo ſchön ſind, daß man ſich in ſeinem Leben nicht ſatt daran ſehen kann.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/27>, abgerufen am 21.11.2024.