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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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"Ja," sagte Sanna, und klammerte sich an ihn an.

Sie schlugen von dem Eise eine Richtung durch
den Schnee abwärts ein, die sie in das Thal führen
sollte. Aber sie kamen nicht weit hinab. Ein neuer
Strom von Eis, gleichsam ein riesenhaft aufge¬
thürmter und aufgewölbter Wall lag quer durch den
weichen Schnee, und grif gleichsam mit Armen rechts
und links um sie herum. Unter der weißen Deke, die
ihn verhüllte, glimmerte es seitwärts grünlich und
bläulich und dunkel und schwarz und selbst gelblich
und röthlich heraus. Sie konnten es nun auf weitere
Streken sehen, weil das ungeheure und unermüdliche
Schneien sich gemildert hatte, und nur mehr wie an
gewöhnlichen Schneetagen vom Himmel fiel. Mit
dem Starkmuthe der Unwissenheit kletterten sie in das
Eis hinein, um den vorgeschobenen Strom desselben
zu überschreiten, und dann jenseits weiter hinab zu
kommen. Sie schoben sich in die Zwischenräume hin¬
ein, sie sezten den Fuß auf jedes Körperstük, das mit
einer weißen Schneehaube versehen war, war es Fels
oder Eis, sie nahmen die Hände zur Hilfe, krochen,
wo sie nicht gehen konnten, und arbeiteten sich mit
ihren leichten Körpern hinauf, bis sie die Seite des
Walles überwunden hatten, und oben waren.

Jenseits wollten sie wieder hinabklettern.

„Ja,“ ſagte Sanna, und klammerte ſich an ihn an.

Sie ſchlugen von dem Eiſe eine Richtung durch
den Schnee abwärts ein, die ſie in das Thal führen
ſollte. Aber ſie kamen nicht weit hinab. Ein neuer
Strom von Eis, gleichſam ein rieſenhaft aufge¬
thürmter und aufgewölbter Wall lag quer durch den
weichen Schnee, und grif gleichſam mit Armen rechts
und links um ſie herum. Unter der weißen Deke, die
ihn verhüllte, glimmerte es ſeitwärts grünlich und
bläulich und dunkel und ſchwarz und ſelbſt gelblich
und röthlich heraus. Sie konnten es nun auf weitere
Streken ſehen, weil das ungeheure und unermüdliche
Schneien ſich gemildert hatte, und nur mehr wie an
gewöhnlichen Schneetagen vom Himmel fiel. Mit
dem Starkmuthe der Unwiſſenheit kletterten ſie in das
Eis hinein, um den vorgeſchobenen Strom desſelben
zu überſchreiten, und dann jenſeits weiter hinab zu
kommen. Sie ſchoben ſich in die Zwiſchenräume hin¬
ein, ſie ſezten den Fuß auf jedes Körperſtük, das mit
einer weißen Schneehaube verſehen war, war es Fels
oder Eis, ſie nahmen die Hände zur Hilfe, krochen,
wo ſie nicht gehen konnten, und arbeiteten ſich mit
ihren leichten Körpern hinauf, bis ſie die Seite des
Walles überwunden hatten, und oben waren.

Jenſeits wollten ſie wieder hinabklettern.

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[61/0072] „Ja,“ ſagte Sanna, und klammerte ſich an ihn an. Sie ſchlugen von dem Eiſe eine Richtung durch den Schnee abwärts ein, die ſie in das Thal führen ſollte. Aber ſie kamen nicht weit hinab. Ein neuer Strom von Eis, gleichſam ein rieſenhaft aufge¬ thürmter und aufgewölbter Wall lag quer durch den weichen Schnee, und grif gleichſam mit Armen rechts und links um ſie herum. Unter der weißen Deke, die ihn verhüllte, glimmerte es ſeitwärts grünlich und bläulich und dunkel und ſchwarz und ſelbſt gelblich und röthlich heraus. Sie konnten es nun auf weitere Streken ſehen, weil das ungeheure und unermüdliche Schneien ſich gemildert hatte, und nur mehr wie an gewöhnlichen Schneetagen vom Himmel fiel. Mit dem Starkmuthe der Unwiſſenheit kletterten ſie in das Eis hinein, um den vorgeſchobenen Strom desſelben zu überſchreiten, und dann jenſeits weiter hinab zu kommen. Sie ſchoben ſich in die Zwiſchenräume hin¬ ein, ſie ſezten den Fuß auf jedes Körperſtük, das mit einer weißen Schneehaube verſehen war, war es Fels oder Eis, ſie nahmen die Hände zur Hilfe, krochen, wo ſie nicht gehen konnten, und arbeiteten ſich mit ihren leichten Körpern hinauf, bis ſie die Seite des Walles überwunden hatten, und oben waren. Jenſeits wollten ſie wieder hinabklettern.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/72>, abgerufen am 21.11.2024.