unverwandt auf jene Gegend hin. Das Feuer hüpfte immer fort, und es schien, als ob es näher käme; denn sie sahen es größer und sahen das Hüpfen deut¬ licher. Es verschwand nicht mehr so oft und nicht mehr auf so lange Zeit wie früher. Nach einer Weile vernahmen sie in der stillen blauen Luft schwach sehr schwach etwas wie einen lange anhaltenden Ton aus einem Hirtenhorne. Wie aus Instinkt schrieen beide Kinder laut. Nach einer Zeit hörten sie den Ton wieder. Sie schrieen wieder, und blieben auf der nehmlichen Stelle stehen. Das Feuer näherte sich auch. Der Ton wurde zum drittenmale vernommen, und dieses Mal deutlicher. Die Kinder antworteten wieder durch lautes Schreien. Nach einer geraumen Weile erkannten sie auch das Feuer. Es war kein Feuer, es war eine rothe Fahne, die geschwungen wurde. Zugleich ertönte das Hirtenhorn näher, und die Kinder antworteten.
"Sanna," rief der Knabe, "da kommen Leute aus Gschaid, ich kenne die Fahne, es ist die rothe Fahne, welche der fremde Herr, der mit dem jungen Eschenjäger den Gars bestiegen hatte, auf dem Gipfel aufpflanzte, daß sie der Herr Pfarrer mit dem Fern¬ rohre sähe, was als Zeichen gälte, daß sie oben seien, und welche Fahne damals der fremde Herr dem
unverwandt auf jene Gegend hin. Das Feuer hüpfte immer fort, und es ſchien, als ob es näher käme; denn ſie ſahen es größer und ſahen das Hüpfen deut¬ licher. Es verſchwand nicht mehr ſo oft und nicht mehr auf ſo lange Zeit wie früher. Nach einer Weile vernahmen ſie in der ſtillen blauen Luft ſchwach ſehr ſchwach etwas wie einen lange anhaltenden Ton aus einem Hirtenhorne. Wie aus Inſtinkt ſchrieen beide Kinder laut. Nach einer Zeit hörten ſie den Ton wieder. Sie ſchrieen wieder, und blieben auf der nehmlichen Stelle ſtehen. Das Feuer näherte ſich auch. Der Ton wurde zum drittenmale vernommen, und dieſes Mal deutlicher. Die Kinder antworteten wieder durch lautes Schreien. Nach einer geraumen Weile erkannten ſie auch das Feuer. Es war kein Feuer, es war eine rothe Fahne, die geſchwungen wurde. Zugleich ertönte das Hirtenhorn näher, und die Kinder antworteten.
„Sanna,“ rief der Knabe, „da kommen Leute aus Gſchaid, ich kenne die Fahne, es iſt die rothe Fahne, welche der fremde Herr, der mit dem jungen Eſchenjäger den Gars beſtiegen hatte, auf dem Gipfel aufpflanzte, daß ſie der Herr Pfarrer mit dem Fern¬ rohre ſähe, was als Zeichen gälte, daß ſie oben ſeien, und welche Fahne damals der fremde Herr dem
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unverwandt auf jene Gegend hin. Das Feuer hüpfte
immer fort, und es ſchien, als ob es näher käme;
denn ſie ſahen es größer und ſahen das Hüpfen deut¬
licher. Es verſchwand nicht mehr ſo oft und nicht
mehr auf ſo lange Zeit wie früher. Nach einer Weile
vernahmen ſie in der ſtillen blauen Luft ſchwach ſehr
ſchwach etwas wie einen lange anhaltenden Ton
aus einem Hirtenhorne. Wie aus Inſtinkt ſchrieen
beide Kinder laut. Nach einer Zeit hörten ſie den Ton
wieder. Sie ſchrieen wieder, und blieben auf der
nehmlichen Stelle ſtehen. Das Feuer näherte ſich
auch. Der Ton wurde zum drittenmale vernommen,
und dieſes Mal deutlicher. Die Kinder antworteten
wieder durch lautes Schreien. Nach einer geraumen
Weile erkannten ſie auch das Feuer. Es war kein
Feuer, es war eine rothe Fahne, die geſchwungen
wurde. Zugleich ertönte das Hirtenhorn näher, und
die Kinder antworteten.
„Sanna,“ rief der Knabe, „da kommen Leute
aus Gſchaid, ich kenne die Fahne, es iſt die rothe
Fahne, welche der fremde Herr, der mit dem jungen
Eſchenjäger den Gars beſtiegen hatte, auf dem Gipfel
aufpflanzte, daß ſie der Herr Pfarrer mit dem Fern¬
rohre ſähe, was als Zeichen gälte, daß ſie oben ſeien,
und welche Fahne damals der fremde Herr dem
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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