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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Mit der Zeit der Bourgeoisie beginnt die des Liberalis¬
mus. Man will überall das "Vernünftige", das "Zeitge¬
mäße" u.s.w. hergestellt sehen. Folgende Definition des Li¬
beralismus, die ihm zu Ehren gesagt sein soll, bezeichnet ihn
vollständig: "Der Liberalismus ist nichts anders, als die Ver¬
nunfterkenntniß angewandt auf unsere bestehenden Verhältnisse." *)
Sein Ziel ist eine "vernünftige Ordnung" ein "sittliches Ver¬
halten", eine "beschränkte Freiheit", nicht die Anarchie, die
Gesetzlosigkeit, die Eigenheit. Herrscht aber die Vernunft, so
unterliegt die Person. Die Kunst hat längst das Häßliche
nicht nur gelten lassen, sondern als zu ihrem Bestehen noth¬
wendig erachtet und in sich aufgenommen: sie braucht den
Bösewicht u.s.w. Auch im religiösen Gebiete gehen die
extremsten Liberalen so weit, daß sie den religiösesten Menschen
für einen Staatsbürger angesehen wissen wollen, d.h. den
religiösen Bösewicht; sie wollen nichts mehr von Ketzergerichten
wissen. Aber gegen das "vernünftige Gesetz" soll sich Keiner
empören, sonst droht ihm die härteste -- Strafe. Man
will nicht eine freie Bewegung und Geltung der Person oder
Meiner, sondern der Vernunft, d. h. eine Venunftherrschaft,
eine Herrschaft. Die Liberalen sind Eiferer, nicht gerade
für den Glauben, für Gott u.s.w., wohl aber Ver¬
nunft, ihre Herrin. Sie vertragen keine Ungezogenheit und
darum keine Selbstentwicklung und Selbstbestimmung: sie be¬
vormunden trotz den absolutesten Herrschern.

"Politische Freiheit" was soll man sich darunter denken?
Etwa die Freiheit des Einzelnen vom Staate und seinen Ge¬
setzen? Nein, im Gegentheil die Gebundenheit des Ein¬

*) Ein und zwanzig Bogen. S. 12.

Mit der Zeit der Bourgeoiſie beginnt die des Liberalis¬
mus. Man will überall das „Vernünftige“, das „Zeitge¬
mäße“ u.ſ.w. hergeſtellt ſehen. Folgende Definition des Li¬
beralismus, die ihm zu Ehren geſagt ſein ſoll, bezeichnet ihn
vollſtändig: „Der Liberalismus iſt nichts anders, als die Ver¬
nunfterkenntniß angewandt auf unſere beſtehenden Verhältniſſe.“ *)
Sein Ziel iſt eine „vernünftige Ordnung“ ein „ſittliches Ver¬
halten“, eine „beſchränkte Freiheit“, nicht die Anarchie, die
Geſetzloſigkeit, die Eigenheit. Herrſcht aber die Vernunft, ſo
unterliegt die Perſon. Die Kunſt hat längſt das Häßliche
nicht nur gelten laſſen, ſondern als zu ihrem Beſtehen noth¬
wendig erachtet und in ſich aufgenommen: ſie braucht den
Böſewicht u.ſ.w. Auch im religiöſen Gebiete gehen die
extremſten Liberalen ſo weit, daß ſie den religiöſeſten Menſchen
für einen Staatsbürger angeſehen wiſſen wollen, d.h. den
religiöſen Böſewicht; ſie wollen nichts mehr von Ketzergerichten
wiſſen. Aber gegen das „vernünftige Geſetz“ ſoll ſich Keiner
empören, ſonſt droht ihm die härteſte — Strafe. Man
will nicht eine freie Bewegung und Geltung der Perſon oder
Meiner, ſondern der Vernunft, d. h. eine Venunftherrſchaft,
eine Herrſchaft. Die Liberalen ſind Eiferer, nicht gerade
für den Glauben, für Gott u.ſ.w., wohl aber Ver¬
nunft, ihre Herrin. Sie vertragen keine Ungezogenheit und
darum keine Selbſtentwicklung und Selbſtbeſtimmung: ſie be¬
vormunden trotz den abſoluteſten Herrſchern.

„Politiſche Freiheit“ was ſoll man ſich darunter denken?
Etwa die Freiheit des Einzelnen vom Staate und ſeinen Ge¬
ſetzen? Nein, im Gegentheil die Gebundenheit des Ein¬

*) Ein und zwanzig Bogen. S. 12.
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[139/0147] Mit der Zeit der Bourgeoiſie beginnt die des Liberalis¬ mus. Man will überall das „Vernünftige“, das „Zeitge¬ mäße“ u.ſ.w. hergeſtellt ſehen. Folgende Definition des Li¬ beralismus, die ihm zu Ehren geſagt ſein ſoll, bezeichnet ihn vollſtändig: „Der Liberalismus iſt nichts anders, als die Ver¬ nunfterkenntniß angewandt auf unſere beſtehenden Verhältniſſe.“ *) Sein Ziel iſt eine „vernünftige Ordnung“ ein „ſittliches Ver¬ halten“, eine „beſchränkte Freiheit“, nicht die Anarchie, die Geſetzloſigkeit, die Eigenheit. Herrſcht aber die Vernunft, ſo unterliegt die Perſon. Die Kunſt hat längſt das Häßliche nicht nur gelten laſſen, ſondern als zu ihrem Beſtehen noth¬ wendig erachtet und in ſich aufgenommen: ſie braucht den Böſewicht u.ſ.w. Auch im religiöſen Gebiete gehen die extremſten Liberalen ſo weit, daß ſie den religiöſeſten Menſchen für einen Staatsbürger angeſehen wiſſen wollen, d.h. den religiöſen Böſewicht; ſie wollen nichts mehr von Ketzergerichten wiſſen. Aber gegen das „vernünftige Geſetz“ ſoll ſich Keiner empören, ſonſt droht ihm die härteſte — Strafe. Man will nicht eine freie Bewegung und Geltung der Perſon oder Meiner, ſondern der Vernunft, d. h. eine Venunftherrſchaft, eine Herrſchaft. Die Liberalen ſind Eiferer, nicht gerade für den Glauben, für Gott u.ſ.w., wohl aber Ver¬ nunft, ihre Herrin. Sie vertragen keine Ungezogenheit und darum keine Selbſtentwicklung und Selbſtbeſtimmung: ſie be¬ vormunden trotz den abſoluteſten Herrſchern. „Politiſche Freiheit“ was ſoll man ſich darunter denken? Etwa die Freiheit des Einzelnen vom Staate und ſeinen Ge¬ ſetzen? Nein, im Gegentheil die Gebundenheit des Ein¬ *) Ein und zwanzig Bogen. S. 12.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/147>, abgerufen am 23.11.2024.