Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

menzupressen versteht, sondern, um als er selbst erkannt zu
werden, in seinen sonstigen Lebensbeziehungen aufgesucht wer¬
den muß, und daß dein Bedürfniß, durch dessen Befriedigung
jenes Werk zu Stande kam, ein -- theoretisches war.

Aber Du wirst erwidern, daß Du einen ganz andern,
einen würdigern, höheren, größeren Menschen offenbarest, einen
Menschen, der mehr Mensch sei, als jener Andere. Ich will
annehmen, daß Du das Menschenmögliche vollführest, daß Du
zu Stande bringest, was keinem Andern gelingt. Worin be¬
steht denn deine Größe? Gerade darin, daß Du mehr bist
als andere Menschen (die "Masse"), mehr bist, als Men¬
schen gewöhnlich sind, mehr als "gewöhnliche Menschen",
gerade in deiner Erhabenheit über den Menschen. Vor an¬
dern Menschen zeichnest Du Dich nicht dadurch aus, daß Du
Mensch bist, sondern weil Du ein "einziger" Mensch bist.
Du zeigst wohl, was ein Mensch leisten kann, aber weil Du,
ein Mensch, das leistest, darum können Andere, auch Menschen,
es noch keineswegs leisten: Du hast es nur als einziger
Mensch verrichtet und bist darin einzig.

Nicht der Mensch macht deine Größe aus, sondern Du
erschaffst sie, weil Du mehr bist, als Mensch, und gewaltiger,
als andere -- Menschen.

Man glaubt nicht mehr sein zu können, als Mensch.
Vielmehr kann man nicht weniger sein!

Man glaubt ferner, was man immer auch erreiche, das
komme dem Menschen zu Gute. In so fern Ich jederzeit
Mensch bleibe, oder, wie Schiller, Schwabe, wie Kant, Preuße,
wie Gustav Adolph, Kurzsichtiger, so werde Ich durch meine
Vorzüge freilich ein ausgezeichneter Mensch, Schwabe, Preuße
oder Kurzsichtiger. Aber damit steht's nicht viel besser, wie

menzupreſſen verſteht, ſondern, um als er ſelbſt erkannt zu
werden, in ſeinen ſonſtigen Lebensbeziehungen aufgeſucht wer¬
den muß, und daß dein Bedürfniß, durch deſſen Befriedigung
jenes Werk zu Stande kam, ein — theoretiſches war.

Aber Du wirſt erwidern, daß Du einen ganz andern,
einen würdigern, höheren, größeren Menſchen offenbareſt, einen
Menſchen, der mehr Menſch ſei, als jener Andere. Ich will
annehmen, daß Du das Menſchenmögliche vollführeſt, daß Du
zu Stande bringeſt, was keinem Andern gelingt. Worin be¬
ſteht denn deine Größe? Gerade darin, daß Du mehr biſt
als andere Menſchen (die „Maſſe“), mehr biſt, als Men¬
ſchen gewöhnlich ſind, mehr als „gewöhnliche Menſchen“,
gerade in deiner Erhabenheit über den Menſchen. Vor an¬
dern Menſchen zeichneſt Du Dich nicht dadurch aus, daß Du
Menſch biſt, ſondern weil Du ein „einziger“ Menſch biſt.
Du zeigſt wohl, was ein Menſch leiſten kann, aber weil Du,
ein Menſch, das leiſteſt, darum können Andere, auch Menſchen,
es noch keineswegs leiſten: Du haſt es nur als einziger
Menſch verrichtet und biſt darin einzig.

Nicht der Menſch macht deine Größe aus, ſondern Du
erſchaffſt ſie, weil Du mehr biſt, als Menſch, und gewaltiger,
als andere — Menſchen.

Man glaubt nicht mehr ſein zu können, als Menſch.
Vielmehr kann man nicht weniger ſein!

Man glaubt ferner, was man immer auch erreiche, das
komme dem Menſchen zu Gute. In ſo fern Ich jederzeit
Menſch bleibe, oder, wie Schiller, Schwabe, wie Kant, Preuße,
wie Guſtav Adolph, Kurzſichtiger, ſo werde Ich durch meine
Vorzüge freilich ein ausgezeichneter Menſch, Schwabe, Preuße
oder Kurzſichtiger. Aber damit ſteht's nicht viel beſſer, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
menzupre&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;teht, &#x017F;ondern, um als er &#x017F;elb&#x017F;t erkannt zu<lb/>
werden, in &#x017F;einen &#x017F;on&#x017F;tigen Lebensbeziehungen aufge&#x017F;ucht wer¬<lb/>
den muß, und daß dein Bedürfniß, durch de&#x017F;&#x017F;en Befriedigung<lb/>
jenes Werk zu Stande kam, ein &#x2014; theoreti&#x017F;ches war.</p><lb/>
              <p>Aber Du wir&#x017F;t erwidern, daß Du einen ganz andern,<lb/>
einen würdigern, höheren, größeren Men&#x017F;chen offenbare&#x017F;t, einen<lb/>
Men&#x017F;chen, der mehr Men&#x017F;ch &#x017F;ei, als jener Andere. Ich will<lb/>
annehmen, daß Du das Men&#x017F;chenmögliche vollführe&#x017F;t, daß Du<lb/>
zu Stande bringe&#x017F;t, was keinem Andern gelingt. Worin be¬<lb/>
&#x017F;teht denn deine Größe? Gerade darin, daß Du mehr bi&#x017F;t<lb/>
als andere Men&#x017F;chen (die &#x201E;Ma&#x017F;&#x017F;e&#x201C;), mehr bi&#x017F;t, als <hi rendition="#g">Men</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;chen</hi> gewöhnlich &#x017F;ind, mehr als &#x201E;gewöhnliche Men&#x017F;chen&#x201C;,<lb/>
gerade in deiner Erhabenheit über den Men&#x017F;chen. Vor an¬<lb/>
dern Men&#x017F;chen zeichne&#x017F;t Du Dich nicht dadurch aus, daß Du<lb/>
Men&#x017F;ch bi&#x017F;t, &#x017F;ondern weil Du ein &#x201E;einziger&#x201C; Men&#x017F;ch bi&#x017F;t.<lb/>
Du zeig&#x017F;t wohl, was ein Men&#x017F;ch lei&#x017F;ten kann, aber weil Du,<lb/>
ein Men&#x017F;ch, das lei&#x017F;te&#x017F;t, darum können Andere, auch Men&#x017F;chen,<lb/>
es noch keineswegs lei&#x017F;ten: Du ha&#x017F;t es nur als <hi rendition="#g">einziger</hi><lb/>
Men&#x017F;ch verrichtet und bi&#x017F;t darin einzig.</p><lb/>
              <p>Nicht der Men&#x017F;ch macht deine Größe aus, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">Du</hi><lb/>
er&#x017F;chaff&#x017F;t &#x017F;ie, weil Du mehr bi&#x017F;t, als Men&#x017F;ch, und gewaltiger,<lb/>
als andere &#x2014; Men&#x017F;chen.</p><lb/>
              <p>Man glaubt nicht mehr &#x017F;ein zu können, als Men&#x017F;ch.<lb/>
Vielmehr kann man nicht weniger &#x017F;ein!</p><lb/>
              <p>Man glaubt ferner, was man immer auch erreiche, das<lb/>
komme dem Men&#x017F;chen zu Gute. In &#x017F;o fern Ich jederzeit<lb/>
Men&#x017F;ch bleibe, oder, wie Schiller, Schwabe, wie Kant, Preuße,<lb/>
wie Gu&#x017F;tav Adolph, Kurz&#x017F;ichtiger, &#x017F;o werde Ich durch meine<lb/>
Vorzüge freilich ein ausgezeichneter Men&#x017F;ch, Schwabe, Preuße<lb/>
oder Kurz&#x017F;ichtiger. Aber damit &#x017F;teht's nicht viel be&#x017F;&#x017F;er, wie<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] menzupreſſen verſteht, ſondern, um als er ſelbſt erkannt zu werden, in ſeinen ſonſtigen Lebensbeziehungen aufgeſucht wer¬ den muß, und daß dein Bedürfniß, durch deſſen Befriedigung jenes Werk zu Stande kam, ein — theoretiſches war. Aber Du wirſt erwidern, daß Du einen ganz andern, einen würdigern, höheren, größeren Menſchen offenbareſt, einen Menſchen, der mehr Menſch ſei, als jener Andere. Ich will annehmen, daß Du das Menſchenmögliche vollführeſt, daß Du zu Stande bringeſt, was keinem Andern gelingt. Worin be¬ ſteht denn deine Größe? Gerade darin, daß Du mehr biſt als andere Menſchen (die „Maſſe“), mehr biſt, als Men¬ ſchen gewöhnlich ſind, mehr als „gewöhnliche Menſchen“, gerade in deiner Erhabenheit über den Menſchen. Vor an¬ dern Menſchen zeichneſt Du Dich nicht dadurch aus, daß Du Menſch biſt, ſondern weil Du ein „einziger“ Menſch biſt. Du zeigſt wohl, was ein Menſch leiſten kann, aber weil Du, ein Menſch, das leiſteſt, darum können Andere, auch Menſchen, es noch keineswegs leiſten: Du haſt es nur als einziger Menſch verrichtet und biſt darin einzig. Nicht der Menſch macht deine Größe aus, ſondern Du erſchaffſt ſie, weil Du mehr biſt, als Menſch, und gewaltiger, als andere — Menſchen. Man glaubt nicht mehr ſein zu können, als Menſch. Vielmehr kann man nicht weniger ſein! Man glaubt ferner, was man immer auch erreiche, das komme dem Menſchen zu Gute. In ſo fern Ich jederzeit Menſch bleibe, oder, wie Schiller, Schwabe, wie Kant, Preuße, wie Guſtav Adolph, Kurzſichtiger, ſo werde Ich durch meine Vorzüge freilich ein ausgezeichneter Menſch, Schwabe, Preuße oder Kurzſichtiger. Aber damit ſteht's nicht viel beſſer, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/184
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/184>, abgerufen am 25.11.2024.