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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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mehr bekümmert, thun? Das Private unmöglich machen?
Nein, sondern es dem "Gesellschaftsinteresse unterordnen und
z. B. dem Privatwillen überlassen, Feiertage, so viel wie er
will, zu setzen, wenn er nur nicht mit dem allgemeinen In¬
teresse in Collision tritt." *)Alles Private wird freigelas¬
sen
, d. h. es hat für die Gesellschaft kein Interesse.

"Durch ihre Absperrung gegen die Wissenschaft haben die
Kirche und Religiosität ausgesprochen, daß sie sind, was sie
immer waren, was sich aber unter einem andern Scheine ver¬
barg, wenn sie für die Basis und nothwendige Begründung
des Staats ausgegeben wurden -- -- eine reine Privatange¬
legenheit. Auch damals, als sie mit dem Staate zusammen¬
hingen und diesen zum christlichen machten, waren sie nur der
Beweis, daß der Staat noch nicht seine allgemeine politische
Idee entwickelt habe, daß er nur Privatrechte setze -- -- sie
waren nur der höchste Ausdruck dafür, daß der Staat eine
Privatsache sei und nur mit Privatsachen zu thun habe. Wenn
der Staat endlich den Muth und die Kraft haben wird, seine
allgemeine Bestimmung zu erfüllen und frei zu sein, wenn er
also auch im Stande ist, den besondern Interessen und Privat¬
angelegenheiten ihre wahre Stellung zu geben -- dann werden
Religion und Kirche frei sein, wie sie es bisher noch nie ge¬
wesen. Als die reinste Privatangelegenheit und Befriedigung
des rein persönlichen Bedürfnisses werden sie sich selbst über¬
lassen sein, und jeder Einzelne, jede Gemeinde und Kirchenge¬
meinschaft werden für die Seligkeit der Seele sorgen können,
wie sie wollen und wie sie es für nöthig halten. Für seiner
Seele Seligkeit wird Jeder sorgen, so weit es ihm persönliches

*) Bruno Bauer: Judenfrage. S. 66.
12

mehr bekümmert, thun? Das Private unmöglich machen?
Nein, ſondern es dem „Geſellſchaftsintereſſe unterordnen und
z. B. dem Privatwillen überlaſſen, Feiertage, ſo viel wie er
will, zu ſetzen, wenn er nur nicht mit dem allgemeinen In¬
tereſſe in Colliſion tritt.“ *)Alles Private wird freigelaſ¬
ſen
, d. h. es hat für die Geſellſchaft kein Intereſſe.

„Durch ihre Abſperrung gegen die Wiſſenſchaft haben die
Kirche und Religioſität ausgeſprochen, daß ſie ſind, was ſie
immer waren, was ſich aber unter einem andern Scheine ver¬
barg, wenn ſie für die Baſis und nothwendige Begründung
des Staats ausgegeben wurden — — eine reine Privatange¬
legenheit. Auch damals, als ſie mit dem Staate zuſammen¬
hingen und dieſen zum chriſtlichen machten, waren ſie nur der
Beweis, daß der Staat noch nicht ſeine allgemeine politiſche
Idee entwickelt habe, daß er nur Privatrechte ſetze — — ſie
waren nur der höchſte Ausdruck dafür, daß der Staat eine
Privatſache ſei und nur mit Privatſachen zu thun habe. Wenn
der Staat endlich den Muth und die Kraft haben wird, ſeine
allgemeine Beſtimmung zu erfüllen und frei zu ſein, wenn er
alſo auch im Stande iſt, den beſondern Intereſſen und Privat¬
angelegenheiten ihre wahre Stellung zu geben — dann werden
Religion und Kirche frei ſein, wie ſie es bisher noch nie ge¬
weſen. Als die reinſte Privatangelegenheit und Befriedigung
des rein perſönlichen Bedürfniſſes werden ſie ſich ſelbſt über¬
laſſen ſein, und jeder Einzelne, jede Gemeinde und Kirchenge¬
meinſchaft werden für die Seligkeit der Seele ſorgen können,
wie ſie wollen und wie ſie es für nöthig halten. Für ſeiner
Seele Seligkeit wird Jeder ſorgen, ſo weit es ihm perſönliches

*) Bruno Bauer: Judenfrage. S. 66.
12
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[179/0187] mehr bekümmert, thun? Das Private unmöglich machen? Nein, ſondern es dem „Geſellſchaftsintereſſe unterordnen und z. B. dem Privatwillen überlaſſen, Feiertage, ſo viel wie er will, zu ſetzen, wenn er nur nicht mit dem allgemeinen In¬ tereſſe in Colliſion tritt.“ *)Alles Private wird freigelaſ¬ ſen, d. h. es hat für die Geſellſchaft kein Intereſſe. „Durch ihre Abſperrung gegen die Wiſſenſchaft haben die Kirche und Religioſität ausgeſprochen, daß ſie ſind, was ſie immer waren, was ſich aber unter einem andern Scheine ver¬ barg, wenn ſie für die Baſis und nothwendige Begründung des Staats ausgegeben wurden — — eine reine Privatange¬ legenheit. Auch damals, als ſie mit dem Staate zuſammen¬ hingen und dieſen zum chriſtlichen machten, waren ſie nur der Beweis, daß der Staat noch nicht ſeine allgemeine politiſche Idee entwickelt habe, daß er nur Privatrechte ſetze — — ſie waren nur der höchſte Ausdruck dafür, daß der Staat eine Privatſache ſei und nur mit Privatſachen zu thun habe. Wenn der Staat endlich den Muth und die Kraft haben wird, ſeine allgemeine Beſtimmung zu erfüllen und frei zu ſein, wenn er alſo auch im Stande iſt, den beſondern Intereſſen und Privat¬ angelegenheiten ihre wahre Stellung zu geben — dann werden Religion und Kirche frei ſein, wie ſie es bisher noch nie ge¬ weſen. Als die reinſte Privatangelegenheit und Befriedigung des rein perſönlichen Bedürfniſſes werden ſie ſich ſelbſt über¬ laſſen ſein, und jeder Einzelne, jede Gemeinde und Kirchenge¬ meinſchaft werden für die Seligkeit der Seele ſorgen können, wie ſie wollen und wie ſie es für nöthig halten. Für ſeiner Seele Seligkeit wird Jeder ſorgen, ſo weit es ihm perſönliches *) Bruno Bauer: Judenfrage. S. 66. 12

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/187>, abgerufen am 24.11.2024.