Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie aber, bleibt Mir's nicht unbenommen, Mich zum
Berechtiger, zum Mittler und zum eigenen Selbst zu erklären?
Dann lautet es also:

Meine Macht ist mein Eigenthum.

Meine Macht giebt Mir Eigenthum.

Meine Macht bin Ich selbst und bin durch sie mein
Eigenthum.


I. Meine Macht.

Das Recht ist der Geist der Gesellschaft. Hat die
Gesellschaft einen Willen, so ist dieser Wille eben das Recht:
sie besteht nur durch das Recht. Da sie aber nur dadurch
besteht, daß sie über die Einzelnen eine Herrschaft übt, so
ist das Recht ihr Herrscherwille. Aristoteles sagt, Gerech¬
tigkeit sei der Nutzen der Gesellschaft.

Alles bestehende Recht ist -- fremdes Recht, ist Recht,
welches man Mir "giebt", Mir "widerfahren läßt". Hätte
Ich aber darum Recht, wenn alle Welt Mir Recht gäbe? Und
doch, was ist das Recht, das Ich im Staate, in der Gesell¬
schaft, erlange, anders, als ein Recht von Fremden? Wenn
ein Dummkopf Mir Recht giebt, so werde Ich mißtrauisch ge¬
gen mein Recht; Ich mag sein Rechtgeben nicht. Aber auch wenn
ein Weiser Mir Recht giebt, habe Ich's darum doch noch nicht.
Ob Ich Recht habe, ist völlig unabhängig von dem Rechtgeben
des Thoren und des Weisen.

Gleichwohl haben Wir bis jetzt nach diesem Rechte ge¬
trachtet. Wir suchen Recht und wenden Uns zu dem Zwecke

Wie aber, bleibt Mir's nicht unbenommen, Mich zum
Berechtiger, zum Mittler und zum eigenen Selbſt zu erklären?
Dann lautet es alſo:

Meine Macht iſt mein Eigenthum.

Meine Macht giebt Mir Eigenthum.

Meine Macht bin Ich ſelbſt und bin durch ſie mein
Eigenthum.


I. Meine Macht.

Das Recht iſt der Geiſt der Geſellſchaft. Hat die
Geſellſchaft einen Willen, ſo iſt dieſer Wille eben das Recht:
ſie beſteht nur durch das Recht. Da ſie aber nur dadurch
beſteht, daß ſie über die Einzelnen eine Herrſchaft übt, ſo
iſt das Recht ihr Herrſcherwille. Ariſtoteles ſagt, Gerech¬
tigkeit ſei der Nutzen der Geſellſchaft.

Alles beſtehende Recht iſt — fremdes Recht, iſt Recht,
welches man Mir „giebt“, Mir „widerfahren läßt“. Hätte
Ich aber darum Recht, wenn alle Welt Mir Recht gäbe? Und
doch, was iſt das Recht, das Ich im Staate, in der Geſell¬
ſchaft, erlange, anders, als ein Recht von Fremden? Wenn
ein Dummkopf Mir Recht giebt, ſo werde Ich mißtrauiſch ge¬
gen mein Recht; Ich mag ſein Rechtgeben nicht. Aber auch wenn
ein Weiſer Mir Recht giebt, habe Ich's darum doch noch nicht.
Ob Ich Recht habe, iſt völlig unabhängig von dem Rechtgeben
des Thoren und des Weiſen.

Gleichwohl haben Wir bis jetzt nach dieſem Rechte ge¬
trachtet. Wir ſuchen Recht und wenden Uns zu dem Zwecke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0252" n="244"/>
          <p>Wie aber, bleibt Mir's nicht unbenommen, <hi rendition="#g">Mich</hi> zum<lb/>
Berechtiger, zum Mittler und zum eigenen Selb&#x017F;t zu erklären?<lb/>
Dann lautet es al&#x017F;o:</p><lb/>
          <p>Meine Macht <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi> mein Eigenthum.</p><lb/>
          <p>Meine Macht <hi rendition="#g">giebt</hi> Mir Eigenthum.</p><lb/>
          <p>Meine Macht <hi rendition="#g">bin</hi> Ich &#x017F;elb&#x017F;t und bin durch &#x017F;ie mein<lb/>
Eigenthum.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">I</hi>. <hi rendition="#g">Meine Macht.</hi><lb/></head>
            <p>Das <hi rendition="#g">Recht</hi> i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi>. Hat die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft einen <hi rendition="#g">Willen</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;er Wille eben das Recht:<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;teht nur durch das Recht. Da &#x017F;ie aber nur dadurch<lb/>
be&#x017F;teht, daß &#x017F;ie über die Einzelnen eine <hi rendition="#g">Herr&#x017F;chaft</hi> übt, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t das Recht ihr <hi rendition="#b">Herr&#x017F;cherwille</hi>. Ari&#x017F;toteles &#x017F;agt, Gerech¬<lb/>
tigkeit &#x017F;ei der Nutzen der <hi rendition="#g">Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi>.</p><lb/>
            <p>Alles be&#x017F;tehende Recht i&#x017F;t &#x2014; <hi rendition="#g">fremdes Recht</hi>, i&#x017F;t Recht,<lb/>
welches man Mir &#x201E;giebt&#x201C;, Mir &#x201E;widerfahren läßt&#x201C;. Hätte<lb/>
Ich aber darum Recht, wenn alle Welt Mir Recht gäbe? Und<lb/>
doch, was i&#x017F;t das Recht, das Ich im Staate, in der Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft, erlange, anders, als ein Recht von <hi rendition="#g">Fremden</hi>? Wenn<lb/>
ein Dummkopf Mir Recht giebt, &#x017F;o werde Ich mißtraui&#x017F;ch ge¬<lb/>
gen mein Recht; Ich mag &#x017F;ein Rechtgeben nicht. Aber auch wenn<lb/>
ein Wei&#x017F;er Mir Recht giebt, habe Ich's darum doch noch nicht.<lb/>
Ob Ich Recht habe, i&#x017F;t völlig unabhängig von dem Rechtgeben<lb/>
des Thoren und des Wei&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Gleichwohl haben Wir bis jetzt nach die&#x017F;em Rechte ge¬<lb/>
trachtet. Wir &#x017F;uchen Recht und wenden Uns zu dem Zwecke<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0252] Wie aber, bleibt Mir's nicht unbenommen, Mich zum Berechtiger, zum Mittler und zum eigenen Selbſt zu erklären? Dann lautet es alſo: Meine Macht iſt mein Eigenthum. Meine Macht giebt Mir Eigenthum. Meine Macht bin Ich ſelbſt und bin durch ſie mein Eigenthum. I. Meine Macht. Das Recht iſt der Geiſt der Geſellſchaft. Hat die Geſellſchaft einen Willen, ſo iſt dieſer Wille eben das Recht: ſie beſteht nur durch das Recht. Da ſie aber nur dadurch beſteht, daß ſie über die Einzelnen eine Herrſchaft übt, ſo iſt das Recht ihr Herrſcherwille. Ariſtoteles ſagt, Gerech¬ tigkeit ſei der Nutzen der Geſellſchaft. Alles beſtehende Recht iſt — fremdes Recht, iſt Recht, welches man Mir „giebt“, Mir „widerfahren läßt“. Hätte Ich aber darum Recht, wenn alle Welt Mir Recht gäbe? Und doch, was iſt das Recht, das Ich im Staate, in der Geſell¬ ſchaft, erlange, anders, als ein Recht von Fremden? Wenn ein Dummkopf Mir Recht giebt, ſo werde Ich mißtrauiſch ge¬ gen mein Recht; Ich mag ſein Rechtgeben nicht. Aber auch wenn ein Weiſer Mir Recht giebt, habe Ich's darum doch noch nicht. Ob Ich Recht habe, iſt völlig unabhängig von dem Rechtgeben des Thoren und des Weiſen. Gleichwohl haben Wir bis jetzt nach dieſem Rechte ge¬ trachtet. Wir ſuchen Recht und wenden Uns zu dem Zwecke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/252
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/252>, abgerufen am 23.11.2024.