Kann man jetzt noch Staat und Volk reformiren und bessern? So wenig als den Adel, die Geistlichkeit, die Kirche u. s. w.: man kann sie aufheben, vernichten, abschaffen, nicht reformiren. Kann Ich denn einen Unsinn durch Reformiren in Sinn verwandeln, oder muß ihn geradezu fallen lassen?
Es ist fortan nicht mehr um den Staat (die Staats¬ verfassung u. s. w.) zu thun, sondern um Mich. Damit ver¬ sinken alle Fragen über Fürstenmacht, Constitution u. .s. w. in ihren wahren Abgrund und ihr wahres Nichts. Ich, dieses Nichts, werde meine Schöpfungen aus Mir hervortreiben.
Zu dem Capitel der Gesellschaft gehört auch "die Partei", deren Lob man jüngst gesungen hat.
Im Staate gilt die Partei. "Partei, Partei, wer sollte sie nicht nehmen!" Der Einzelne aber ist einzig, kein Glied der Partei. Er vereinigt sich frei und trennt sich wieder frei. Die Partei ist nichts als ein Staat im Staate, und in diesem kleineren Bienenstaate soll dann ebenso wieder "Friede" herr¬ schen, wie im größeren. Gerade diejenigen, welche am laute¬ sten rufen, daß im Staate eine Opposition sein müsse, eifern gegen jede Uneinigkeit der Partei. Ein Beweis, wie auch sie nur einen -- Staat wollen. Nicht am Staate, sondern am Einzigen zerscheitern alle Parteien.
Nichts hört man jetzt häufiger als die Ermahnung, seiner Partei treu zu bleiben, nichts verachten Parteimenschen so sehr als einen Parteigänger. Man muß mit seiner Partei durch Dick und Dünn laufen und ihre Hauptgrundsätze unbedingt gutheißen und vertreten. Ganz so schlimm wie mit geschlosse¬ nen Gesellschaften steht es zwar hier nicht, weil jene ihre Mit¬
Kann man jetzt noch Staat und Volk reformiren und beſſern? So wenig als den Adel, die Geiſtlichkeit, die Kirche u. ſ. w.: man kann ſie aufheben, vernichten, abſchaffen, nicht reformiren. Kann Ich denn einen Unſinn durch Reformiren in Sinn verwandeln, oder muß ihn geradezu fallen laſſen?
Es iſt fortan nicht mehr um den Staat (die Staats¬ verfaſſung u. ſ. w.) zu thun, ſondern um Mich. Damit ver¬ ſinken alle Fragen über Fürſtenmacht, Conſtitution u. .ſ. w. in ihren wahren Abgrund und ihr wahres Nichts. Ich, dieſes Nichts, werde meine Schöpfungen aus Mir hervortreiben.
Zu dem Capitel der Geſellſchaft gehört auch „die Partei“, deren Lob man jüngſt geſungen hat.
Im Staate gilt die Partei. „Partei, Partei, wer ſollte ſie nicht nehmen!“ Der Einzelne aber iſt einzig, kein Glied der Partei. Er vereinigt ſich frei und trennt ſich wieder frei. Die Partei iſt nichts als ein Staat im Staate, und in dieſem kleineren Bienenſtaate ſoll dann ebenſo wieder „Friede“ herr¬ ſchen, wie im größeren. Gerade diejenigen, welche am laute¬ ſten rufen, daß im Staate eine Oppoſition ſein müſſe, eifern gegen jede Uneinigkeit der Partei. Ein Beweis, wie auch ſie nur einen — Staat wollen. Nicht am Staate, ſondern am Einzigen zerſcheitern alle Parteien.
Nichts hört man jetzt häufiger als die Ermahnung, ſeiner Partei treu zu bleiben, nichts verachten Parteimenſchen ſo ſehr als einen Parteigänger. Man muß mit ſeiner Partei durch Dick und Dünn laufen und ihre Hauptgrundſätze unbedingt gutheißen und vertreten. Ganz ſo ſchlimm wie mit geſchloſſe¬ nen Geſellſchaften ſteht es zwar hier nicht, weil jene ihre Mit¬
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Kann man jetzt noch Staat und Volk reformiren und
beſſern? So wenig als den Adel, die Geiſtlichkeit, die Kirche
u. ſ. w.: man kann ſie aufheben, vernichten, abſchaffen, nicht
reformiren. Kann Ich denn einen Unſinn durch Reformiren
in Sinn verwandeln, oder muß ihn geradezu fallen laſſen?
Es iſt fortan nicht mehr um den Staat (die Staats¬
verfaſſung u. ſ. w.) zu thun, ſondern um Mich. Damit ver¬
ſinken alle Fragen über Fürſtenmacht, Conſtitution u. .ſ. w.
in ihren wahren Abgrund und ihr wahres Nichts. Ich, dieſes
Nichts, werde meine Schöpfungen aus Mir hervortreiben.
Zu dem Capitel der Geſellſchaft gehört auch „die Partei“,
deren Lob man jüngſt geſungen hat.
Im Staate gilt die Partei. „Partei, Partei, wer ſollte
ſie nicht nehmen!“ Der Einzelne aber iſt einzig, kein Glied
der Partei. Er vereinigt ſich frei und trennt ſich wieder frei.
Die Partei iſt nichts als ein Staat im Staate, und in dieſem
kleineren Bienenſtaate ſoll dann ebenſo wieder „Friede“ herr¬
ſchen, wie im größeren. Gerade diejenigen, welche am laute¬
ſten rufen, daß im Staate eine Oppoſition ſein müſſe, eifern
gegen jede Uneinigkeit der Partei. Ein Beweis, wie auch ſie
nur einen — Staat wollen. Nicht am Staate, ſondern am
Einzigen zerſcheitern alle Parteien.
Nichts hört man jetzt häufiger als die Ermahnung, ſeiner
Partei treu zu bleiben, nichts verachten Parteimenſchen ſo ſehr
als einen Parteigänger. Man muß mit ſeiner Partei durch
Dick und Dünn laufen und ihre Hauptgrundſätze unbedingt
gutheißen und vertreten. Ganz ſo ſchlimm wie mit geſchloſſe¬
nen Geſellſchaften ſteht es zwar hier nicht, weil jene ihre Mit¬
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/318>, abgerufen am 26.11.2024.
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