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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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lichkeit, daß man zu seiner Partei halte, und ihr abtrünnig
werden, heißt sich mit dem Makel der "Untreue" beflecken;
allein die Eigenheit kennt kein Gebot der "Treue, Anhänglich¬
keit u. s. w.", die Eigenheit erlaubt Alles, auch die Abtrün¬
nigkeit, den Uebertritt. Unbewußt lassen sich auch selbst die
Sittlichen von diesem Grundsatze leiten, wenn es gilt, einen
zu ihrer Partei Uebertretenden zu beurtheilen, ja sie machen
wohl Proselyten; sie sollten nur zugleich sich darüber ein Be¬
wußtsein verschaffen, daß man unsittlich handeln müsse, um
eigen zu handeln, d. h. hier, daß man die Treue brechen
müsse, ja selbst seinen Eid, um sich selbst zu bestimmen, statt
von sittlichen Rücksichten bestimmt zu werden. In den Augen
der Leute von streng sittlichem Urtheil schillert ein Apostat
stets in zweideutigen Farben, und wird nicht leicht ihr Ver¬
trauen erwerben: ihm klebt ja der Flecken der "Untreue" an,
d. h. einer Unsittlichkeit. Bei dem niederen Manne findet
man diese Ansicht fast allgemein: die Aufgeklärten gerathen,
wie immer, auch hier in eine Unsicherheit und Verwirrung,
und der in dem Principe der Sittlichkeit nothwendig begrün¬
dete Widerspruch kommt ihnen wegen der Confusion ihrer Be¬
griffe nicht zum deutlichen Bewußtsein. Den Apostaten gerade¬
hin unsittlich zu nennen, getrauen sie sich nicht, weil sie selbst
zur Apostasie, zum Uebertritt von einer Religion zur andern
u. s. w. verleiten, und den Standpunkt der Sittlichkeit ver¬
mögen sie doch auch nicht aufzugeben. Und doch wäre hier
die Gelegenheit zu ergreifen, um aus der Sittlichkeit hinaus¬
zuschreiten.

Sind etwa die Eignen oder Einzigen eine Partei? Wie
könnten sie Eigne sein, wenn sie die Angehörigen einer
Partei wären!

lichkeit, daß man zu ſeiner Partei halte, und ihr abtrünnig
werden, heißt ſich mit dem Makel der „Untreue“ beflecken;
allein die Eigenheit kennt kein Gebot der „Treue, Anhänglich¬
keit u. ſ. w.“, die Eigenheit erlaubt Alles, auch die Abtrün¬
nigkeit, den Uebertritt. Unbewußt laſſen ſich auch ſelbſt die
Sittlichen von dieſem Grundſatze leiten, wenn es gilt, einen
zu ihrer Partei Uebertretenden zu beurtheilen, ja ſie machen
wohl Proſelyten; ſie ſollten nur zugleich ſich darüber ein Be¬
wußtſein verſchaffen, daß man unſittlich handeln müſſe, um
eigen zu handeln, d. h. hier, daß man die Treue brechen
müſſe, ja ſelbſt ſeinen Eid, um ſich ſelbſt zu beſtimmen, ſtatt
von ſittlichen Rückſichten beſtimmt zu werden. In den Augen
der Leute von ſtreng ſittlichem Urtheil ſchillert ein Apoſtat
ſtets in zweideutigen Farben, und wird nicht leicht ihr Ver¬
trauen erwerben: ihm klebt ja der Flecken der „Untreue“ an,
d. h. einer Unſittlichkeit. Bei dem niederen Manne findet
man dieſe Anſicht faſt allgemein: die Aufgeklärten gerathen,
wie immer, auch hier in eine Unſicherheit und Verwirrung,
und der in dem Principe der Sittlichkeit nothwendig begrün¬
dete Widerſpruch kommt ihnen wegen der Confuſion ihrer Be¬
griffe nicht zum deutlichen Bewußtſein. Den Apoſtaten gerade¬
hin unſittlich zu nennen, getrauen ſie ſich nicht, weil ſie ſelbſt
zur Apoſtaſie, zum Uebertritt von einer Religion zur andern
u. ſ. w. verleiten, und den Standpunkt der Sittlichkeit ver¬
mögen ſie doch auch nicht aufzugeben. Und doch wäre hier
die Gelegenheit zu ergreifen, um aus der Sittlichkeit hinaus¬
zuſchreiten.

Sind etwa die Eignen oder Einzigen eine Partei? Wie
könnten ſie Eigne ſein, wenn ſie die Angehörigen einer
Partei wären!

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[312/0320] lichkeit, daß man zu ſeiner Partei halte, und ihr abtrünnig werden, heißt ſich mit dem Makel der „Untreue“ beflecken; allein die Eigenheit kennt kein Gebot der „Treue, Anhänglich¬ keit u. ſ. w.“, die Eigenheit erlaubt Alles, auch die Abtrün¬ nigkeit, den Uebertritt. Unbewußt laſſen ſich auch ſelbſt die Sittlichen von dieſem Grundſatze leiten, wenn es gilt, einen zu ihrer Partei Uebertretenden zu beurtheilen, ja ſie machen wohl Proſelyten; ſie ſollten nur zugleich ſich darüber ein Be¬ wußtſein verſchaffen, daß man unſittlich handeln müſſe, um eigen zu handeln, d. h. hier, daß man die Treue brechen müſſe, ja ſelbſt ſeinen Eid, um ſich ſelbſt zu beſtimmen, ſtatt von ſittlichen Rückſichten beſtimmt zu werden. In den Augen der Leute von ſtreng ſittlichem Urtheil ſchillert ein Apoſtat ſtets in zweideutigen Farben, und wird nicht leicht ihr Ver¬ trauen erwerben: ihm klebt ja der Flecken der „Untreue“ an, d. h. einer Unſittlichkeit. Bei dem niederen Manne findet man dieſe Anſicht faſt allgemein: die Aufgeklärten gerathen, wie immer, auch hier in eine Unſicherheit und Verwirrung, und der in dem Principe der Sittlichkeit nothwendig begrün¬ dete Widerſpruch kommt ihnen wegen der Confuſion ihrer Be¬ griffe nicht zum deutlichen Bewußtſein. Den Apoſtaten gerade¬ hin unſittlich zu nennen, getrauen ſie ſich nicht, weil ſie ſelbſt zur Apoſtaſie, zum Uebertritt von einer Religion zur andern u. ſ. w. verleiten, und den Standpunkt der Sittlichkeit ver¬ mögen ſie doch auch nicht aufzugeben. Und doch wäre hier die Gelegenheit zu ergreifen, um aus der Sittlichkeit hinaus¬ zuſchreiten. Sind etwa die Eignen oder Einzigen eine Partei? Wie könnten ſie Eigne ſein, wenn ſie die Angehörigen einer Partei wären!

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/320>, abgerufen am 26.11.2024.