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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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sitorische Processe, er fiscalische, kurz dort Sünden, hier
Verbrechen, dort Sünder, hier Verbrecher, dort Inquisition und
hier -- Inquisition. Wird die Heiligkeit des Staats nicht
gleich der kirchlichen fallen? Der Schauer seiner Gesetze, die
Ehrfurcht vor seiner Hoheit, die Demuth seiner "Unterthanen",
wird dieß bleiben? Wird das "Heiligengesicht" nicht verun¬
ziert werden?

Welch' eine Thorheit, von der Staatsgewalt zu verlangen,
daß sie mit dem Einzelnen einen ehrlichen Kampf eingehen
und, wie man bei der Preßfreiheit sich ausdrückt, Sonne und
Wind gleich theilen solle. Wenn der Staat, dieser Gedanke,
eine geltende Macht sein soll, so muß er eben eine höhere
Macht gegen den Einzelnen sein. Der Staat ist "heilig" und
darf sich den "frechen Angriffen" der Einzelnen nicht aussetzen.
Ist der Staat heilig, so muß Censur sein. Die politischen
Liberalen geben das erstere zu und bestreiten die Consequenz.
Jedenfalls aber räumen sie ihm die Repressivmaaßregeln ein,
denn -- sie bleiben dabei, daß Staat mehr sei als der Ein¬
zelne und eine berechtigte Rache ausübe, Strafe genannt.

Strafe hat nur dann einen Sinn, wenn sie die Sühne
für die Verletzung eines Heiligen gewähren soll. Ist Einem
etwas heilig, so verdient er allerdings, wo er es anfeindet,
Strafe. Ein Mensch, der ein Menschenleben bestehen läßt,
weil es ihm heilig ist, und er eine Scheu vor seiner Anta¬
stung trägt, ist eben ein -- religiöser Mensch.

Weitling legt die Verbrechen der "gesellschaftlichen Unord¬
nung" zur Last und lebt der Erwartung, daß unter communi¬
stischen Einrichtungen die Verbrechen unmöglich werden, weil
die Versuchungen zu denselben, z. B. das Geld, wegfallen.
Da indeß seine organisirte Gesellschaft auch zur heiligen und

ſitoriſche Proceſſe, er fiscaliſche, kurz dort Sünden, hier
Verbrechen, dort Sünder, hier Verbrecher, dort Inquiſition und
hier — Inquiſition. Wird die Heiligkeit des Staats nicht
gleich der kirchlichen fallen? Der Schauer ſeiner Geſetze, die
Ehrfurcht vor ſeiner Hoheit, die Demuth ſeiner „Unterthanen“,
wird dieß bleiben? Wird das „Heiligengeſicht“ nicht verun¬
ziert werden?

Welch' eine Thorheit, von der Staatsgewalt zu verlangen,
daß ſie mit dem Einzelnen einen ehrlichen Kampf eingehen
und, wie man bei der Preßfreiheit ſich ausdrückt, Sonne und
Wind gleich theilen ſolle. Wenn der Staat, dieſer Gedanke,
eine geltende Macht ſein ſoll, ſo muß er eben eine höhere
Macht gegen den Einzelnen ſein. Der Staat iſt „heilig“ und
darf ſich den „frechen Angriffen“ der Einzelnen nicht ausſetzen.
Iſt der Staat heilig, ſo muß Cenſur ſein. Die politiſchen
Liberalen geben das erſtere zu und beſtreiten die Conſequenz.
Jedenfalls aber räumen ſie ihm die Repreſſivmaaßregeln ein,
denn — ſie bleiben dabei, daß Staat mehr ſei als der Ein¬
zelne und eine berechtigte Rache ausübe, Strafe genannt.

Strafe hat nur dann einen Sinn, wenn ſie die Sühne
für die Verletzung eines Heiligen gewähren ſoll. Iſt Einem
etwas heilig, ſo verdient er allerdings, wo er es anfeindet,
Strafe. Ein Menſch, der ein Menſchenleben beſtehen läßt,
weil es ihm heilig iſt, und er eine Scheu vor ſeiner Anta¬
ſtung trägt, iſt eben ein — religiöſer Menſch.

Weitling legt die Verbrechen der „geſellſchaftlichen Unord¬
nung“ zur Laſt und lebt der Erwartung, daß unter communi¬
ſtiſchen Einrichtungen die Verbrechen unmöglich werden, weil
die Verſuchungen zu denſelben, z. B. das Geld, wegfallen.
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[316/0324] ſitoriſche Proceſſe, er fiscaliſche, kurz dort Sünden, hier Verbrechen, dort Sünder, hier Verbrecher, dort Inquiſition und hier — Inquiſition. Wird die Heiligkeit des Staats nicht gleich der kirchlichen fallen? Der Schauer ſeiner Geſetze, die Ehrfurcht vor ſeiner Hoheit, die Demuth ſeiner „Unterthanen“, wird dieß bleiben? Wird das „Heiligengeſicht“ nicht verun¬ ziert werden? Welch' eine Thorheit, von der Staatsgewalt zu verlangen, daß ſie mit dem Einzelnen einen ehrlichen Kampf eingehen und, wie man bei der Preßfreiheit ſich ausdrückt, Sonne und Wind gleich theilen ſolle. Wenn der Staat, dieſer Gedanke, eine geltende Macht ſein ſoll, ſo muß er eben eine höhere Macht gegen den Einzelnen ſein. Der Staat iſt „heilig“ und darf ſich den „frechen Angriffen“ der Einzelnen nicht ausſetzen. Iſt der Staat heilig, ſo muß Cenſur ſein. Die politiſchen Liberalen geben das erſtere zu und beſtreiten die Conſequenz. Jedenfalls aber räumen ſie ihm die Repreſſivmaaßregeln ein, denn — ſie bleiben dabei, daß Staat mehr ſei als der Ein¬ zelne und eine berechtigte Rache ausübe, Strafe genannt. Strafe hat nur dann einen Sinn, wenn ſie die Sühne für die Verletzung eines Heiligen gewähren ſoll. Iſt Einem etwas heilig, ſo verdient er allerdings, wo er es anfeindet, Strafe. Ein Menſch, der ein Menſchenleben beſtehen läßt, weil es ihm heilig iſt, und er eine Scheu vor ſeiner Anta¬ ſtung trägt, iſt eben ein — religiöſer Menſch. Weitling legt die Verbrechen der „geſellſchaftlichen Unord¬ nung“ zur Laſt und lebt der Erwartung, daß unter communi¬ ſtiſchen Einrichtungen die Verbrechen unmöglich werden, weil die Verſuchungen zu denſelben, z. B. das Geld, wegfallen. Da indeß ſeine organiſirte Geſellſchaft auch zur heiligen und

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/324>, abgerufen am 26.11.2024.