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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Du egoistisch, in dieser menschlich, d. h. religiös, als ein
"Glied am Leibe dieses Herrn": der Gesellschaft schuldest Du,
was Du hast, und bist ihr verpflichtet, bist von "socialen Pflich¬
ten" -- besessen, den Verein benutzest Du und giebst ihn,
pflicht- und treulos, auf, wenn Du keinen Nutzen weiter aus
ihm zu ziehen weißt. Ist die Gesellschaft mehr als Du, so
geht sie Dir über Dich; der Verein ist nur dein Werkzeug
oder das Schwert, wodurch Du deine natürliche Kraft ver¬
schärfst und vergrößerst; der Verein ist für Dich und durch
Dich da, die Gesellschaft nimmt umgekehrt Dich für sich in
Anspruch und ist auch ohne Dich; kurz die Gesellschaft ist
heilig, der Verein dein eigen: die Gesellschaft verbraucht
Dich, den Verein verbrauchst Du.

Man wird gleichwohl mit dem Einwande nicht zurück¬
halten, daß Uns die geschlossene Uebereinkunft wieder lästig
werden und unsere Freiheit beschränken könne; man wird sagen,
Wir kämen auch endlich darauf hinaus, daß "Jeder um des
Allgemeinen willen einen Theil seiner Freiheit opfern müsse".
Allein um des "Allgemeinen" willen fiele das Opfer ganz und
gar nicht, so wenig als Ich die Uebereinkunft um des "Allge¬
meinen" oder auch nur um irgend eines andem Menschen
willen schloß; vielmehr ging Ich auf sie nur um meines eige¬
nen Nutzens willen, aus Eigennutz, ein. Was aber das
Opfern betrifft, so "opfere" Ich doch wohl nur dasjenige, was
nicht in meiner Gewalt steht, d. h. "opfere" gar nichts.

Auf das Eigenthum zurückzukommen, so ist Eigenthümer
der Herr. Wähle denn, ob Du der Herr sein willst, oder die
Gesellschaft Herrin sein soll! Davon hängt es ab, ob Du ein
Eigner oder ein Lump sein wirst: Der Egoist ist Eigner,
der Sociale ein Lump. Lumperei aber oder Eigenthumslosig¬

Du egoiſtiſch, in dieſer menſchlich, d. h. religiös, als ein
„Glied am Leibe dieſes Herrn“: der Geſellſchaft ſchuldeſt Du,
was Du haſt, und biſt ihr verpflichtet, biſt von „ſocialen Pflich¬
ten“ — beſeſſen, den Verein benutzeſt Du und giebſt ihn,
pflicht- und treulos, auf, wenn Du keinen Nutzen weiter aus
ihm zu ziehen weißt. Iſt die Geſellſchaft mehr als Du, ſo
geht ſie Dir über Dich; der Verein iſt nur dein Werkzeug
oder das Schwert, wodurch Du deine natürliche Kraft ver¬
ſchärfſt und vergrößerſt; der Verein iſt für Dich und durch
Dich da, die Geſellſchaft nimmt umgekehrt Dich für ſich in
Anſpruch und iſt auch ohne Dich; kurz die Geſellſchaft iſt
heilig, der Verein dein eigen: die Geſellſchaft verbraucht
Dich, den Verein verbrauchſt Du.

Man wird gleichwohl mit dem Einwande nicht zurück¬
halten, daß Uns die geſchloſſene Uebereinkunft wieder läſtig
werden und unſere Freiheit beſchränken könne; man wird ſagen,
Wir kämen auch endlich darauf hinaus, daß „Jeder um des
Allgemeinen willen einen Theil ſeiner Freiheit opfern müſſe“.
Allein um des „Allgemeinen“ willen fiele das Opfer ganz und
gar nicht, ſo wenig als Ich die Uebereinkunft um des „Allge¬
meinen“ oder auch nur um irgend eines andem Menſchen
willen ſchloß; vielmehr ging Ich auf ſie nur um meines eige¬
nen Nutzens willen, aus Eigennutz, ein. Was aber das
Opfern betrifft, ſo „opfere“ Ich doch wohl nur dasjenige, was
nicht in meiner Gewalt ſteht, d. h. „opfere“ gar nichts.

Auf das Eigenthum zurückzukommen, ſo iſt Eigenthümer
der Herr. Wähle denn, ob Du der Herr ſein willſt, oder die
Geſellſchaft Herrin ſein ſoll! Davon hängt es ab, ob Du ein
Eigner oder ein Lump ſein wirſt: Der Egoiſt iſt Eigner,
der Sociale ein Lump. Lumperei aber oder Eigenthumsloſig¬

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[418/0426] Du egoiſtiſch, in dieſer menſchlich, d. h. religiös, als ein „Glied am Leibe dieſes Herrn“: der Geſellſchaft ſchuldeſt Du, was Du haſt, und biſt ihr verpflichtet, biſt von „ſocialen Pflich¬ ten“ — beſeſſen, den Verein benutzeſt Du und giebſt ihn, pflicht- und treulos, auf, wenn Du keinen Nutzen weiter aus ihm zu ziehen weißt. Iſt die Geſellſchaft mehr als Du, ſo geht ſie Dir über Dich; der Verein iſt nur dein Werkzeug oder das Schwert, wodurch Du deine natürliche Kraft ver¬ ſchärfſt und vergrößerſt; der Verein iſt für Dich und durch Dich da, die Geſellſchaft nimmt umgekehrt Dich für ſich in Anſpruch und iſt auch ohne Dich; kurz die Geſellſchaft iſt heilig, der Verein dein eigen: die Geſellſchaft verbraucht Dich, den Verein verbrauchſt Du. Man wird gleichwohl mit dem Einwande nicht zurück¬ halten, daß Uns die geſchloſſene Uebereinkunft wieder läſtig werden und unſere Freiheit beſchränken könne; man wird ſagen, Wir kämen auch endlich darauf hinaus, daß „Jeder um des Allgemeinen willen einen Theil ſeiner Freiheit opfern müſſe“. Allein um des „Allgemeinen“ willen fiele das Opfer ganz und gar nicht, ſo wenig als Ich die Uebereinkunft um des „Allge¬ meinen“ oder auch nur um irgend eines andem Menſchen willen ſchloß; vielmehr ging Ich auf ſie nur um meines eige¬ nen Nutzens willen, aus Eigennutz, ein. Was aber das Opfern betrifft, ſo „opfere“ Ich doch wohl nur dasjenige, was nicht in meiner Gewalt ſteht, d. h. „opfere“ gar nichts. Auf das Eigenthum zurückzukommen, ſo iſt Eigenthümer der Herr. Wähle denn, ob Du der Herr ſein willſt, oder die Geſellſchaft Herrin ſein ſoll! Davon hängt es ab, ob Du ein Eigner oder ein Lump ſein wirſt: Der Egoiſt iſt Eigner, der Sociale ein Lump. Lumperei aber oder Eigenthumsloſig¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/426>, abgerufen am 26.11.2024.