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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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als die Regierung waren ihm deren Feinde, denn was er
wollte, verstanden beide nicht, und er hatte sie nur mit Schlan¬
genklugheit von sich abzuhalten. Wenn aber auch kein Volks¬
aufwiegler, kein Demagog oder Revolutionair, so war er und
jeder der alten Christen um so mehr ein Empörer, der
über Alles sich emporhob, was der Regierung und ihren
Widersachern erhaben dünkte, und von Allem sich entband,
woran jene gebunden blieben, und der zugleich die Lebens¬
quellen der ganzen heidnischen Welt abgrub, mit welchen der
bestehende Staat ohnehin verwelken mußte: er war gerade
darum, weil er das Umwerfen des Bestehenden von sich wies,
der Todfeind und wirkliche Vernichter desselben; denn er mauerte
es ein, indem er darüber getrost und rücksichtslos den Bau
seines Tempels aufführte, ohne auf die Schmerzen des Ein¬
gemauerten zu achten.

Nun, wie der heidnischen Weltordnung geschah, wird's
so der christlichen ergehen? Eine Revolution führt gewiß das
Ende nicht herbei, wenn nicht vorher eine Empörung voll¬
bracht ist!

Mein Verkehr mit der Welt, worauf geht er hinaus?
Genießen will Ich sie, darum muß sie mein Eigenthum sein,
und darum will Ich sie gewinnen. Ich will nicht die Frei¬
heit, nicht die Gleichheit der Menschen; Ich will nur meine
Macht über sie, will sie zu meinem Eigenthum, d.h. genie߬
bar
machen. Und gelingt Mir das nicht, nun, die Gewalt
über Leben und Tod, die Kirche und Staat sich vorbehielten,
Ich nenne auch sie die -- meinige. Brandmarkt jene Offi¬
cier-Wittwe, die auf der Flucht in Rußland, nachdem ihr das
Bein weggeschossen, das Strumpfband von diesem abzieht, ihr
Kind damit erdrosselt und dann neben der Leiche verblutet, --

als die Regierung waren ihm deren Feinde, denn was er
wollte, verſtanden beide nicht, und er hatte ſie nur mit Schlan¬
genklugheit von ſich abzuhalten. Wenn aber auch kein Volks¬
aufwiegler, kein Demagog oder Revolutionair, ſo war er und
jeder der alten Chriſten um ſo mehr ein Empörer, der
über Alles ſich emporhob, was der Regierung und ihren
Widerſachern erhaben dünkte, und von Allem ſich entband,
woran jene gebunden blieben, und der zugleich die Lebens¬
quellen der ganzen heidniſchen Welt abgrub, mit welchen der
beſtehende Staat ohnehin verwelken mußte: er war gerade
darum, weil er das Umwerfen des Beſtehenden von ſich wies,
der Todfeind und wirkliche Vernichter deſſelben; denn er mauerte
es ein, indem er darüber getroſt und rückſichtslos den Bau
ſeines Tempels aufführte, ohne auf die Schmerzen des Ein¬
gemauerten zu achten.

Nun, wie der heidniſchen Weltordnung geſchah, wird's
ſo der chriſtlichen ergehen? Eine Revolution führt gewiß das
Ende nicht herbei, wenn nicht vorher eine Empörung voll¬
bracht iſt!

Mein Verkehr mit der Welt, worauf geht er hinaus?
Genießen will Ich ſie, darum muß ſie mein Eigenthum ſein,
und darum will Ich ſie gewinnen. Ich will nicht die Frei¬
heit, nicht die Gleichheit der Menſchen; Ich will nur meine
Macht über ſie, will ſie zu meinem Eigenthum, d.h. genie߬
bar
machen. Und gelingt Mir das nicht, nun, die Gewalt
über Leben und Tod, die Kirche und Staat ſich vorbehielten,
Ich nenne auch ſie die — meinige. Brandmarkt jene Offi¬
cier-Wittwe, die auf der Flucht in Rußland, nachdem ihr das
Bein weggeſchoſſen, das Strumpfband von dieſem abzieht, ihr
Kind damit erdroſſelt und dann neben der Leiche verblutet, —

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[424/0432] als die Regierung waren ihm deren Feinde, denn was er wollte, verſtanden beide nicht, und er hatte ſie nur mit Schlan¬ genklugheit von ſich abzuhalten. Wenn aber auch kein Volks¬ aufwiegler, kein Demagog oder Revolutionair, ſo war er und jeder der alten Chriſten um ſo mehr ein Empörer, der über Alles ſich emporhob, was der Regierung und ihren Widerſachern erhaben dünkte, und von Allem ſich entband, woran jene gebunden blieben, und der zugleich die Lebens¬ quellen der ganzen heidniſchen Welt abgrub, mit welchen der beſtehende Staat ohnehin verwelken mußte: er war gerade darum, weil er das Umwerfen des Beſtehenden von ſich wies, der Todfeind und wirkliche Vernichter deſſelben; denn er mauerte es ein, indem er darüber getroſt und rückſichtslos den Bau ſeines Tempels aufführte, ohne auf die Schmerzen des Ein¬ gemauerten zu achten. Nun, wie der heidniſchen Weltordnung geſchah, wird's ſo der chriſtlichen ergehen? Eine Revolution führt gewiß das Ende nicht herbei, wenn nicht vorher eine Empörung voll¬ bracht iſt! Mein Verkehr mit der Welt, worauf geht er hinaus? Genießen will Ich ſie, darum muß ſie mein Eigenthum ſein, und darum will Ich ſie gewinnen. Ich will nicht die Frei¬ heit, nicht die Gleichheit der Menſchen; Ich will nur meine Macht über ſie, will ſie zu meinem Eigenthum, d.h. genie߬ bar machen. Und gelingt Mir das nicht, nun, die Gewalt über Leben und Tod, die Kirche und Staat ſich vorbehielten, Ich nenne auch ſie die — meinige. Brandmarkt jene Offi¬ cier-Wittwe, die auf der Flucht in Rußland, nachdem ihr das Bein weggeſchoſſen, das Strumpfband von dieſem abzieht, ihr Kind damit erdroſſelt und dann neben der Leiche verblutet, —

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/432>, abgerufen am 25.11.2024.