als mein Eigenthum vorweg und treibe sie einstweilen in der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmugg¬ ler sich diese Rechenschaft über ihr Thun zu geben wissen, aber der Instinct des Egoismus ersetzt ihr Bewußtsein. Von der Preßfreiheit habe Ich dasselbe oben gezeigt.
Alles ist mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was sich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich stets wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienstbarkeit Mir entschlüpfet bin. Aber auch dieß ist nicht mein Beruf, sondern meine na¬ türliche That.
Genug, es ist ein mächtiger Unterschied, ob Ich Mich zum Ausgangs- oder zum Zielpunkte mache. Als letzteren habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin mein Wesen, mein "wahres Wesen", und dieses Mir fremde "wahre Wesen" wird als ein Spuk von tausenderlei Namen sein Gespött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin, so ist ein Anderer (wie Gott, der wahre Mensch, der wahrhaft Fromme, der Vernünftige, der Freie u. s. w.) Ich, mein Ich.
Von Mir noch fern trenne Ich Mich in zwei Hälften, deren eine, die unerreichte und zu erfüllende, die wahre ist. Die eine, die unwahre, muß zum Opfer gebracht werden, nämlich die ungeistige; die andere, die wahre, soll der ganze Mensch sein, nämlich der Geist. Dann heißt es: "Der Geist ist das eigentliche Wesen des Menschen" oder "der Mensch existirt als Mensch nur geistig." Nun geht es mit Gier dar¬ auf los, den Geist zu fahen, als hätte man sich dann erwischt, und so im Jagen nach sich verliert man sich, der man ist, aus den Augen.
Und wie man stürmisch sich selbst, dem nie erreichten, nachsetzt, so verachtet man auch die Regel der Klugen, die
als mein Eigenthum vorweg und treibe ſie einſtweilen in der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmugg¬ ler ſich dieſe Rechenſchaft über ihr Thun zu geben wiſſen, aber der Inſtinct des Egoismus erſetzt ihr Bewußtſein. Von der Preßfreiheit habe Ich daſſelbe oben gezeigt.
Alles iſt mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was ſich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich ſtets wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienſtbarkeit Mir entſchlüpfet bin. Aber auch dieß iſt nicht mein Beruf, ſondern meine na¬ türliche That.
Genug, es iſt ein mächtiger Unterſchied, ob Ich Mich zum Ausgangs- oder zum Zielpunkte mache. Als letzteren habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin mein Weſen, mein „wahres Weſen“, und dieſes Mir fremde „wahre Weſen“ wird als ein Spuk von tauſenderlei Namen ſein Geſpött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin, ſo iſt ein Anderer (wie Gott, der wahre Menſch, der wahrhaft Fromme, der Vernünftige, der Freie u. ſ. w.) Ich, mein Ich.
Von Mir noch fern trenne Ich Mich in zwei Hälften, deren eine, die unerreichte und zu erfüllende, die wahre iſt. Die eine, die unwahre, muß zum Opfer gebracht werden, nämlich die ungeiſtige; die andere, die wahre, ſoll der ganze Menſch ſein, nämlich der Geiſt. Dann heißt es: „Der Geiſt iſt das eigentliche Weſen des Menſchen“ oder „der Menſch exiſtirt als Menſch nur geiſtig.“ Nun geht es mit Gier dar¬ auf los, den Geiſt zu fahen, als hätte man ſich dann erwiſcht, und ſo im Jagen nach ſich verliert man ſich, der man iſt, aus den Augen.
Und wie man ſtürmiſch ſich ſelbſt, dem nie erreichten, nachſetzt, ſo verachtet man auch die Regel der Klugen, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0446"n="438"/>
als mein Eigenthum vorweg und treibe ſie einſtweilen in der<lb/>
Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmugg¬<lb/>
ler ſich dieſe Rechenſchaft über ihr Thun zu geben wiſſen,<lb/>
aber der Inſtinct des Egoismus erſetzt ihr Bewußtſein. Von<lb/>
der Preßfreiheit habe Ich daſſelbe oben gezeigt.</p><lb/><p>Alles iſt mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was<lb/>ſich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich ſtets<lb/>
wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienſtbarkeit Mir entſchlüpfet<lb/>
bin. Aber auch dieß iſt nicht mein Beruf, ſondern meine na¬<lb/>
türliche That.</p><lb/><p>Genug, es iſt ein mächtiger Unterſchied, ob Ich Mich<lb/>
zum Ausgangs- oder zum Zielpunkte mache. Als letzteren<lb/>
habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin mein<lb/><hirendition="#g">Weſen</hi>, mein „wahres Weſen“, und dieſes Mir fremde<lb/>„wahre Weſen“ wird als ein Spuk von tauſenderlei Namen<lb/>ſein Geſpött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin,<lb/>ſo iſt ein Anderer (wie Gott, der wahre Menſch, der wahrhaft<lb/>
Fromme, der Vernünftige, der Freie u. ſ. w.) Ich, mein Ich.</p><lb/><p>Von Mir noch fern trenne Ich Mich in zwei Hälften,<lb/>
deren eine, die unerreichte und zu erfüllende, die wahre iſt.<lb/>
Die eine, die unwahre, muß zum Opfer gebracht werden,<lb/>
nämlich die ungeiſtige; die andere, die wahre, ſoll der ganze<lb/>
Menſch ſein, nämlich der Geiſt. Dann heißt es: „Der Geiſt<lb/>
iſt das eigentliche Weſen des Menſchen“ oder „der Menſch<lb/>
exiſtirt als Menſch nur geiſtig.“ Nun geht es mit Gier dar¬<lb/>
auf los, den Geiſt zu fahen, als hätte man <hirendition="#g">ſich</hi> dann erwiſcht,<lb/>
und ſo im Jagen nach ſich verliert man ſich, der man iſt, aus<lb/>
den Augen.</p><lb/><p>Und wie man ſtürmiſch ſich ſelbſt, dem nie erreichten,<lb/>
nachſetzt, ſo verachtet man auch die Regel der Klugen, die<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[438/0446]
als mein Eigenthum vorweg und treibe ſie einſtweilen in der
Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmugg¬
ler ſich dieſe Rechenſchaft über ihr Thun zu geben wiſſen,
aber der Inſtinct des Egoismus erſetzt ihr Bewußtſein. Von
der Preßfreiheit habe Ich daſſelbe oben gezeigt.
Alles iſt mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was
ſich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich ſtets
wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienſtbarkeit Mir entſchlüpfet
bin. Aber auch dieß iſt nicht mein Beruf, ſondern meine na¬
türliche That.
Genug, es iſt ein mächtiger Unterſchied, ob Ich Mich
zum Ausgangs- oder zum Zielpunkte mache. Als letzteren
habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin mein
Weſen, mein „wahres Weſen“, und dieſes Mir fremde
„wahre Weſen“ wird als ein Spuk von tauſenderlei Namen
ſein Geſpött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin,
ſo iſt ein Anderer (wie Gott, der wahre Menſch, der wahrhaft
Fromme, der Vernünftige, der Freie u. ſ. w.) Ich, mein Ich.
Von Mir noch fern trenne Ich Mich in zwei Hälften,
deren eine, die unerreichte und zu erfüllende, die wahre iſt.
Die eine, die unwahre, muß zum Opfer gebracht werden,
nämlich die ungeiſtige; die andere, die wahre, ſoll der ganze
Menſch ſein, nämlich der Geiſt. Dann heißt es: „Der Geiſt
iſt das eigentliche Weſen des Menſchen“ oder „der Menſch
exiſtirt als Menſch nur geiſtig.“ Nun geht es mit Gier dar¬
auf los, den Geiſt zu fahen, als hätte man ſich dann erwiſcht,
und ſo im Jagen nach ſich verliert man ſich, der man iſt, aus
den Augen.
Und wie man ſtürmiſch ſich ſelbſt, dem nie erreichten,
nachſetzt, ſo verachtet man auch die Regel der Klugen, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/446>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.