aber der Geist der Dinge, die Hauptsache an allen Dingen, ihr Innerstes, ihre -- Idee. -- Was Du denkst, ist mithin nicht bloß Dein Gedanke?-- -- Im Gegentheil, es ist das Wirk¬ lichste, das eigentlich Wahre an der Welt: es ist die Wahrheit selber; wenn Ich nur wahrhaft denke, so denke Ich die Wahr¬ heit. Ich kann Mich zwar über die Wahrheit täuschen und sie verkennen; wenn Ich aber wahrhaft erkenne, so ist der Gegenstand Meiner Erkenntniß die Wahrheit. -- So trachtest Du wohl allezeit die Wahrheit zu erkennen? -- Die Wahr¬ heit ist Mir heilig. Es kann wohl kommen, daß Ich eine Wahrheit unvollkommen finde und durch eine bessere ersetze, aber die Wahrheit kann Ich nicht abschaffen. An die Wahr¬ heit glaube Ich, darum forsche Ich in ihr; über sie geht's nicht hinaus, sie ist ewig.
Heilig, ewig ist die Wahrheit, sie ist das Heilige, das Ewige. Du aber, der Du von diesem Heiligen Dich erfüllen und leiten lässest, wirst selbst geheiligt. Auch ist das Heilige nicht für Deine Sinne, und niemals entdeckst Du als ein Sinnlicher seine Spur, sondern für Deinen Glauben oder be¬ stimmter noch für Deinen Geist: denn es ist ja selbst ein Geistiges, ein Geist, ist Geist für den Geist.
Das Heilige läßt sich keineswegs so leicht beseitigen, als gegenwärtig Manche behaupten, die dieß "ungehörige" Wort nicht mehr in den Mund nehmen. Werde Ich auch nur in Einer Beziehung noch "Egoist" gescholten, so bleibt der Gedanke an ein Anderes übrig, dem Ich mehr dienen sollte als Mir, und das Mir wichtiger sein müßte als Alles, kurz ein Etwas, worin Ich Mein wahres Heil zu suchen hätte, ein -- "Heiliges". Mag dieß Heilige auch noch so menschlich aussehen, mag es das Mensch¬ liche selber sein, das nimmt ihm die Heiligkeit nicht ab, sondern
aber der Geiſt der Dinge, die Hauptſache an allen Dingen, ihr Innerſtes, ihre — Idee. — Was Du denkſt, iſt mithin nicht bloß Dein Gedanke?— — Im Gegentheil, es iſt das Wirk¬ lichſte, das eigentlich Wahre an der Welt: es iſt die Wahrheit ſelber; wenn Ich nur wahrhaft denke, ſo denke Ich die Wahr¬ heit. Ich kann Mich zwar über die Wahrheit täuſchen und ſie verkennen; wenn Ich aber wahrhaft erkenne, ſo iſt der Gegenſtand Meiner Erkenntniß die Wahrheit. — So trachteſt Du wohl allezeit die Wahrheit zu erkennen? — Die Wahr¬ heit iſt Mir heilig. Es kann wohl kommen, daß Ich eine Wahrheit unvollkommen finde und durch eine beſſere erſetze, aber die Wahrheit kann Ich nicht abſchaffen. An die Wahr¬ heit glaube Ich, darum forſche Ich in ihr; über ſie geht's nicht hinaus, ſie iſt ewig.
Heilig, ewig iſt die Wahrheit, ſie iſt das Heilige, das Ewige. Du aber, der Du von dieſem Heiligen Dich erfüllen und leiten läſſeſt, wirſt ſelbſt geheiligt. Auch iſt das Heilige nicht für Deine Sinne, und niemals entdeckſt Du als ein Sinnlicher ſeine Spur, ſondern für Deinen Glauben oder be¬ ſtimmter noch für Deinen Geiſt: denn es iſt ja ſelbſt ein Geiſtiges, ein Geiſt, iſt Geiſt für den Geiſt.
Das Heilige läßt ſich keineswegs ſo leicht beſeitigen, als gegenwärtig Manche behaupten, die dieß „ungehörige“ Wort nicht mehr in den Mund nehmen. Werde Ich auch nur in Einer Beziehung noch „Egoiſt“ geſcholten, ſo bleibt der Gedanke an ein Anderes übrig, dem Ich mehr dienen ſollte als Mir, und das Mir wichtiger ſein müßte als Alles, kurz ein Etwas, worin Ich Mein wahres Heil zu ſuchen hätte, ein — „Heiliges“. Mag dieß Heilige auch noch ſo menſchlich ausſehen, mag es das Menſch¬ liche ſelber ſein, das nimmt ihm die Heiligkeit nicht ab, ſondern
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aber der Geiſt der Dinge, die Hauptſache an allen Dingen,
ihr Innerſtes, ihre — Idee. — Was Du denkſt, iſt mithin
nicht bloß Dein Gedanke?— — Im Gegentheil, es iſt das Wirk¬
lichſte, das eigentlich Wahre an der Welt: es iſt die Wahrheit
ſelber; wenn Ich nur wahrhaft denke, ſo denke Ich die Wahr¬
heit. Ich kann Mich zwar über die Wahrheit täuſchen und
ſie verkennen; wenn Ich aber wahrhaft erkenne, ſo iſt der
Gegenſtand Meiner Erkenntniß die Wahrheit. — So trachteſt
Du wohl allezeit die Wahrheit zu erkennen? — Die Wahr¬
heit iſt Mir heilig. Es kann wohl kommen, daß Ich eine
Wahrheit unvollkommen finde und durch eine beſſere erſetze,
aber die Wahrheit kann Ich nicht abſchaffen. An die Wahr¬
heit glaube Ich, darum forſche Ich in ihr; über ſie geht's
nicht hinaus, ſie iſt ewig.
Heilig, ewig iſt die Wahrheit, ſie iſt das Heilige, das
Ewige. Du aber, der Du von dieſem Heiligen Dich erfüllen
und leiten läſſeſt, wirſt ſelbſt geheiligt. Auch iſt das Heilige
nicht für Deine Sinne, und niemals entdeckſt Du als ein
Sinnlicher ſeine Spur, ſondern für Deinen Glauben oder be¬
ſtimmter noch für Deinen Geiſt: denn es iſt ja ſelbſt ein
Geiſtiges, ein Geiſt, iſt Geiſt für den Geiſt.
Das Heilige läßt ſich keineswegs ſo leicht beſeitigen, als
gegenwärtig Manche behaupten, die dieß „ungehörige“ Wort
nicht mehr in den Mund nehmen. Werde Ich auch nur in Einer
Beziehung noch „Egoiſt“ geſcholten, ſo bleibt der Gedanke an
ein Anderes übrig, dem Ich mehr dienen ſollte als Mir, und das
Mir wichtiger ſein müßte als Alles, kurz ein Etwas, worin Ich
Mein wahres Heil zu ſuchen hätte, ein — „Heiliges“. Mag dieß
Heilige auch noch ſo menſchlich ausſehen, mag es das Menſch¬
liche ſelber ſein, das nimmt ihm die Heiligkeit nicht ab, ſondern
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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