Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Heilig also ist das höchste Wesen und alles, worin dieß
höchste Wesen sich offenbart oder offenbaren wird; geheiligt
aber diejenigen, welche dieß höchste Wesen sammt dem Seinen,
d. h. sammt den Offenbarungen desselben anerkennen. Das
Heilige heiligt hinwiederum seinen Verehrer, der durch den
Cultus selbst zu einem Heiligen wird, wie denn gleichfalls,
was er thut, heilig ist: ein heiliger Wandel, ein heiliges
Denken und Thun, Tichten und Trachten u. s. w.

Was als das höchste Wesen verehrt wird, darüber kann
begreiflicher Weise nur so lange der Streit bedeutungsvoll sein,
als selbst die erbittertsten Gegner einander den Hauptsatz ein¬
räumen, daß es ein höchstes Wesen gebe, dem Cultus oder
Dienst gebühre. Lächelte Einer mitleidig über den ganzen
Kampf um ein höchstes Wesen, wie etwa ein Christ bei dem
Wortgefecht eines Schiiten mit einem Sunniten oder eines
Brahminen mit einem Buddhisten, so gälte ihm die Hypothese
von einem höchsten Wesen für nichtig und der Streit auf die¬
ser Basis für ein eitles Spiel. Ob dann der einige oder
dreieinige Gott, ob der luthersche Gott oder das etre supreme
oder Gott gar nicht, sondern "der Mensch" das höchste Wesen
vorstellen mag, das macht für den durchaus keinen Unterschied,
der das höchste Wesen selbst negirt, denn in seinen Augen sind
jene Diener eines höchsten Wesens insgesammt -- fromme Leute:
der wüthendste Atheist nicht weniger als der gläubigste Christ.

Obenan steht also im Heiligen das höchste Wesen und
der Glaube an dieß Wesen, Unser "heiliger Glaube".

Der Spuk.

Mit den Gespenstern gelangen Wir ins Geisterreich, ins
Reich der Wesen.

Heilig alſo iſt das höchſte Weſen und alles, worin dieß
höchſte Weſen ſich offenbart oder offenbaren wird; geheiligt
aber diejenigen, welche dieß höchſte Weſen ſammt dem Seinen,
d. h. ſammt den Offenbarungen deſſelben anerkennen. Das
Heilige heiligt hinwiederum ſeinen Verehrer, der durch den
Cultus ſelbſt zu einem Heiligen wird, wie denn gleichfalls,
was er thut, heilig iſt: ein heiliger Wandel, ein heiliges
Denken und Thun, Tichten und Trachten u. ſ. w.

Was als das höchſte Weſen verehrt wird, darüber kann
begreiflicher Weiſe nur ſo lange der Streit bedeutungsvoll ſein,
als ſelbſt die erbittertſten Gegner einander den Hauptſatz ein¬
räumen, daß es ein höchſtes Weſen gebe, dem Cultus oder
Dienſt gebühre. Lächelte Einer mitleidig über den ganzen
Kampf um ein höchſtes Weſen, wie etwa ein Chriſt bei dem
Wortgefecht eines Schiiten mit einem Sunniten oder eines
Brahminen mit einem Buddhiſten, ſo gälte ihm die Hypotheſe
von einem höchſten Weſen für nichtig und der Streit auf die¬
ſer Baſis für ein eitles Spiel. Ob dann der einige oder
dreieinige Gott, ob der lutherſche Gott oder das être suprême
oder Gott gar nicht, ſondern „der Menſch“ das höchſte Weſen
vorſtellen mag, das macht für den durchaus keinen Unterſchied,
der das höchſte Weſen ſelbſt negirt, denn in ſeinen Augen ſind
jene Diener eines höchſten Weſens insgeſammt — fromme Leute:
der wüthendſte Atheiſt nicht weniger als der gläubigſte Chriſt.

Obenan ſteht alſo im Heiligen das höchſte Weſen und
der Glaube an dieß Weſen, Unſer „heiliger Glaube“.

Der Spuk.

Mit den Geſpenſtern gelangen Wir ins Geiſterreich, ins
Reich der Weſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0060" n="52"/>
              <p>Heilig al&#x017F;o i&#x017F;t das höch&#x017F;te We&#x017F;en und alles, worin dieß<lb/>
höch&#x017F;te We&#x017F;en &#x017F;ich offenbart oder offenbaren wird; geheiligt<lb/>
aber diejenigen, welche dieß höch&#x017F;te We&#x017F;en &#x017F;ammt dem Seinen,<lb/>
d. h. &#x017F;ammt den Offenbarungen de&#x017F;&#x017F;elben anerkennen. Das<lb/>
Heilige heiligt hinwiederum &#x017F;einen Verehrer, der durch den<lb/>
Cultus &#x017F;elb&#x017F;t zu einem Heiligen wird, wie denn gleichfalls,<lb/>
was er thut, heilig i&#x017F;t: ein heiliger Wandel, ein heiliges<lb/>
Denken und Thun, Tichten und Trachten u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>Was als das höch&#x017F;te We&#x017F;en verehrt wird, darüber kann<lb/>
begreiflicher Wei&#x017F;e nur &#x017F;o lange der Streit bedeutungsvoll &#x017F;ein,<lb/>
als &#x017F;elb&#x017F;t die erbittert&#x017F;ten Gegner einander den Haupt&#x017F;atz ein¬<lb/>
räumen, daß es ein höch&#x017F;tes We&#x017F;en gebe, dem Cultus oder<lb/>
Dien&#x017F;t gebühre. Lächelte Einer mitleidig über den ganzen<lb/>
Kampf um ein höch&#x017F;tes We&#x017F;en, wie etwa ein Chri&#x017F;t bei dem<lb/>
Wortgefecht eines Schiiten mit einem Sunniten oder eines<lb/>
Brahminen mit einem Buddhi&#x017F;ten, &#x017F;o gälte ihm die Hypothe&#x017F;e<lb/>
von einem höch&#x017F;ten We&#x017F;en für nichtig und der Streit auf die¬<lb/>
&#x017F;er Ba&#x017F;is für ein eitles Spiel. Ob dann der einige oder<lb/>
dreieinige Gott, ob der luther&#x017F;che Gott oder das <hi rendition="#aq">être suprême</hi><lb/>
oder Gott gar nicht, &#x017F;ondern &#x201E;der Men&#x017F;ch&#x201C; das höch&#x017F;te We&#x017F;en<lb/>
vor&#x017F;tellen mag, das macht für den durchaus keinen Unter&#x017F;chied,<lb/>
der das höch&#x017F;te We&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t negirt, denn in &#x017F;einen Augen &#x017F;ind<lb/>
jene Diener eines höch&#x017F;ten We&#x017F;ens insge&#x017F;ammt &#x2014; fromme Leute:<lb/>
der wüthend&#x017F;te Athei&#x017F;t nicht weniger als der gläubig&#x017F;te Chri&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Obenan &#x017F;teht al&#x017F;o im Heiligen das höch&#x017F;te We&#x017F;en und<lb/>
der Glaube an dieß We&#x017F;en, Un&#x017F;er &#x201E;heiliger Glaube&#x201C;.</p><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#g">Der Spuk</hi>.<lb/></head>
                <p>Mit den Ge&#x017F;pen&#x017F;tern gelangen Wir ins Gei&#x017F;terreich, ins<lb/>
Reich der We&#x017F;en.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0060] Heilig alſo iſt das höchſte Weſen und alles, worin dieß höchſte Weſen ſich offenbart oder offenbaren wird; geheiligt aber diejenigen, welche dieß höchſte Weſen ſammt dem Seinen, d. h. ſammt den Offenbarungen deſſelben anerkennen. Das Heilige heiligt hinwiederum ſeinen Verehrer, der durch den Cultus ſelbſt zu einem Heiligen wird, wie denn gleichfalls, was er thut, heilig iſt: ein heiliger Wandel, ein heiliges Denken und Thun, Tichten und Trachten u. ſ. w. Was als das höchſte Weſen verehrt wird, darüber kann begreiflicher Weiſe nur ſo lange der Streit bedeutungsvoll ſein, als ſelbſt die erbittertſten Gegner einander den Hauptſatz ein¬ räumen, daß es ein höchſtes Weſen gebe, dem Cultus oder Dienſt gebühre. Lächelte Einer mitleidig über den ganzen Kampf um ein höchſtes Weſen, wie etwa ein Chriſt bei dem Wortgefecht eines Schiiten mit einem Sunniten oder eines Brahminen mit einem Buddhiſten, ſo gälte ihm die Hypotheſe von einem höchſten Weſen für nichtig und der Streit auf die¬ ſer Baſis für ein eitles Spiel. Ob dann der einige oder dreieinige Gott, ob der lutherſche Gott oder das être suprême oder Gott gar nicht, ſondern „der Menſch“ das höchſte Weſen vorſtellen mag, das macht für den durchaus keinen Unterſchied, der das höchſte Weſen ſelbſt negirt, denn in ſeinen Augen ſind jene Diener eines höchſten Weſens insgeſammt — fromme Leute: der wüthendſte Atheiſt nicht weniger als der gläubigſte Chriſt. Obenan ſteht alſo im Heiligen das höchſte Weſen und der Glaube an dieß Weſen, Unſer „heiliger Glaube“. Der Spuk. Mit den Geſpenſtern gelangen Wir ins Geiſterreich, ins Reich der Weſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/60
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/60>, abgerufen am 27.11.2024.