Hier wäre der Ort, die spukenden Geister vorüberziehen zu lassen, wenn sie nicht weiter unten wieder vorkommen mü߬ ten, um vor dem Egoismus zu verfliegen. Daher mögen nur einige derselben beispielsweise namhaft gemacht werden, um sogleich auf unser Verhalten zu ihnen überzuleiten.
Heilig z. B. ist vor allem der "heilige Geist", heilig die Wahrheit, heilig das Recht, das Gesetz, die gute Sache, die Majestät, die Ehe, das Gemeinwohl, die Ordnung, das Va¬ terland u. s. w. u. s. w.
Der Sparren.
Mensch, es spukt in Deinem Kopfe; Du hast einen Spar¬ ren zu viel! Du bildest Dir große Dinge ein und malst Dir eine ganze Götterwelt aus, die für Dich da sei, ein Geister¬ reich, zu welchem Du berufen seist, ein Ideal, das Dir winkt. Du hast eine fixe Idee!
Denke nicht, daß Ich scherze oder bildlich rede, wenn Ich die am Höheren hangenden Menschen, und weil die ungeheure Mehrzahl hierher gehört, fast die ganze Menschenwelt für veri¬ table Narren, Narren im Tollhause ansehe. Was nennt man denn eine "fixe Idee"? Eine Idee, die den Menschen sich unterworfen hat. Erkennt Ihr an einer solchen fixen Idee, daß sie eine Narrheit sei, so sperrt Ihr den Sklaven derselben in eine Irrenanstalt. Und ist etwa die Glaubenswahrheit, an welcher man nicht zweifeln, die Majestät z. B. des Volkes, an der man nicht rütteln (wer es thut, ist ein -- Majestätsver¬ brecher), die Tugend, gegen welche der Censor kein Wörtchen durchlassen soll, damit die Sittlichkeit rein erhalten werde u. s. w., sind dieß nicht "fixe Ideen"? Ist nicht alles dumme Geschwätz, z. B. unserer meisten Zeitungen, das Geplapper von
Hier wäre der Ort, die ſpukenden Geiſter vorüberziehen zu laſſen, wenn ſie nicht weiter unten wieder vorkommen mü߬ ten, um vor dem Egoismus zu verfliegen. Daher mögen nur einige derſelben beiſpielsweiſe namhaft gemacht werden, um ſogleich auf unſer Verhalten zu ihnen überzuleiten.
Heilig z. B. iſt vor allem der „heilige Geiſt“, heilig die Wahrheit, heilig das Recht, das Geſetz, die gute Sache, die Majeſtät, die Ehe, das Gemeinwohl, die Ordnung, das Va¬ terland u. ſ. w. u. ſ. w.
Der Sparren.
Menſch, es ſpukt in Deinem Kopfe; Du haſt einen Spar¬ ren zu viel! Du bildeſt Dir große Dinge ein und malſt Dir eine ganze Götterwelt aus, die für Dich da ſei, ein Geiſter¬ reich, zu welchem Du berufen ſeiſt, ein Ideal, das Dir winkt. Du haſt eine fixe Idee!
Denke nicht, daß Ich ſcherze oder bildlich rede, wenn Ich die am Höheren hangenden Menſchen, und weil die ungeheure Mehrzahl hierher gehört, faſt die ganze Menſchenwelt für veri¬ table Narren, Narren im Tollhauſe anſehe. Was nennt man denn eine „fixe Idee“? Eine Idee, die den Menſchen ſich unterworfen hat. Erkennt Ihr an einer ſolchen fixen Idee, daß ſie eine Narrheit ſei, ſo ſperrt Ihr den Sklaven derſelben in eine Irrenanſtalt. Und iſt etwa die Glaubenswahrheit, an welcher man nicht zweifeln, die Majeſtät z. B. des Volkes, an der man nicht rütteln (wer es thut, iſt ein — Majeſtätsver¬ brecher), die Tugend, gegen welche der Cenſor kein Wörtchen durchlaſſen ſoll, damit die Sittlichkeit rein erhalten werde u. ſ. w., ſind dieß nicht „fixe Ideen“? Iſt nicht alles dumme Geſchwätz, z. B. unſerer meiſten Zeitungen, das Geplapper von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0065"n="57"/><p>Hier wäre der Ort, die ſpukenden Geiſter vorüberziehen<lb/>
zu laſſen, wenn ſie nicht weiter unten wieder vorkommen mü߬<lb/>
ten, um vor dem Egoismus zu verfliegen. Daher mögen nur<lb/>
einige derſelben beiſpielsweiſe namhaft gemacht werden, um<lb/>ſogleich auf unſer Verhalten zu ihnen überzuleiten.</p><lb/><p>Heilig z. B. iſt vor allem der „heilige Geiſt“, heilig die<lb/>
Wahrheit, heilig das Recht, das Geſetz, die gute Sache, die<lb/>
Majeſtät, die Ehe, das Gemeinwohl, die Ordnung, das Va¬<lb/>
terland u. ſ. w. u. ſ. w.</p><lb/></div><divn="5"><head><hirendition="#g">Der Sparren.</hi><lb/></head><p>Menſch, es ſpukt in Deinem Kopfe; Du haſt einen Spar¬<lb/>
ren zu viel! Du bildeſt Dir große Dinge ein und malſt Dir<lb/>
eine ganze Götterwelt aus, die für Dich da ſei, ein Geiſter¬<lb/>
reich, zu welchem Du berufen ſeiſt, ein Ideal, das Dir winkt.<lb/>
Du haſt eine fixe Idee!</p><lb/><p>Denke nicht, daß Ich ſcherze oder bildlich rede, wenn Ich<lb/>
die am Höheren hangenden Menſchen, und weil die ungeheure<lb/>
Mehrzahl hierher gehört, faſt die ganze Menſchenwelt für veri¬<lb/>
table Narren, Narren im Tollhauſe anſehe. Was nennt man<lb/>
denn eine „fixe Idee“? Eine Idee, die den Menſchen ſich<lb/>
unterworfen hat. Erkennt Ihr an einer ſolchen fixen Idee,<lb/>
daß ſie eine Narrheit ſei, ſo ſperrt Ihr den Sklaven derſelben<lb/>
in eine Irrenanſtalt. Und iſt etwa die Glaubenswahrheit, an<lb/>
welcher man nicht zweifeln, die Majeſtät z. B. des Volkes, an<lb/>
der man nicht rütteln (wer es thut, iſt ein — Majeſtätsver¬<lb/>
brecher), die Tugend, gegen welche der Cenſor kein Wörtchen<lb/>
durchlaſſen ſoll, damit die Sittlichkeit rein erhalten werde u.<lb/>ſ. w., ſind dieß nicht „fixe Ideen“? Iſt nicht alles dumme<lb/>
Geſchwätz, z. B. unſerer meiſten Zeitungen, das Geplapper von<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[57/0065]
Hier wäre der Ort, die ſpukenden Geiſter vorüberziehen
zu laſſen, wenn ſie nicht weiter unten wieder vorkommen mü߬
ten, um vor dem Egoismus zu verfliegen. Daher mögen nur
einige derſelben beiſpielsweiſe namhaft gemacht werden, um
ſogleich auf unſer Verhalten zu ihnen überzuleiten.
Heilig z. B. iſt vor allem der „heilige Geiſt“, heilig die
Wahrheit, heilig das Recht, das Geſetz, die gute Sache, die
Majeſtät, die Ehe, das Gemeinwohl, die Ordnung, das Va¬
terland u. ſ. w. u. ſ. w.
Der Sparren.
Menſch, es ſpukt in Deinem Kopfe; Du haſt einen Spar¬
ren zu viel! Du bildeſt Dir große Dinge ein und malſt Dir
eine ganze Götterwelt aus, die für Dich da ſei, ein Geiſter¬
reich, zu welchem Du berufen ſeiſt, ein Ideal, das Dir winkt.
Du haſt eine fixe Idee!
Denke nicht, daß Ich ſcherze oder bildlich rede, wenn Ich
die am Höheren hangenden Menſchen, und weil die ungeheure
Mehrzahl hierher gehört, faſt die ganze Menſchenwelt für veri¬
table Narren, Narren im Tollhauſe anſehe. Was nennt man
denn eine „fixe Idee“? Eine Idee, die den Menſchen ſich
unterworfen hat. Erkennt Ihr an einer ſolchen fixen Idee,
daß ſie eine Narrheit ſei, ſo ſperrt Ihr den Sklaven derſelben
in eine Irrenanſtalt. Und iſt etwa die Glaubenswahrheit, an
welcher man nicht zweifeln, die Majeſtät z. B. des Volkes, an
der man nicht rütteln (wer es thut, iſt ein — Majeſtätsver¬
brecher), die Tugend, gegen welche der Cenſor kein Wörtchen
durchlaſſen ſoll, damit die Sittlichkeit rein erhalten werde u.
ſ. w., ſind dieß nicht „fixe Ideen“? Iſt nicht alles dumme
Geſchwätz, z. B. unſerer meiſten Zeitungen, das Geplapper von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/65>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.