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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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meinen auch betreffen. So ist's auch Gebrauch, daß die
zuletzt in Arbeit gekommenen die Büchsenpfennige zuerst
auflegen.

Nun wurde das übliche Auflagegeld entrichtet, sodann bat
der Altgesell mit den gewöhnlichen Bitten um Erlaubniß, eine
freundliche Umfrage halten
zu dürfen, was dann die Ge-
sellschaft in hergebrachter Form genehmigte; darauf wendete er
sich an den zuletzt eingewanderten Gesellen, der bis jetzt bey-
sitzen der Schenkgesell
genannt wurde, weil er das große
Eingeschenk, oder den Ehrentrunk, noch nicht empfangen hatte,
und redete ihn so an:

So mit V. u. G. meine Gesellschaft, so komme ich zu
Dir, und frage Dich, wie ein Altgeselle Macht hat einen
ehrlichen Gesellen zu fragen, ob Du auf die Meister,
auf mich oder andere ehrliche Gesellen und Jünger
etwas weißt? Du wollest so wohl thun und es melden
oder zu verstehen geben, damit Friede und Einigkeit unter
uns erhalten werde.
Der Geselle, indem er aufsteht: Gar gern, denn es ist
Handwerksgebrauch.

Hatte er nun etwas Nachtheiliges von Meister oder Gesellen
zu sagen, so mußte er es jetzt thun, vorher aber den großen
Gruß sprechen; wußte er nichts, so sprach er:

So mit V. u. G. mein Altgesell, weil Du mich fragest
nach Handwerksgebrauch, so ist's billig und recht, daß
ich Dir Rede und Antwort gebe. So weiß ich auf
Dich und alle ehrliche Meister und Gesellen nichts als
Liebes und Gutes. Weiß einer oder der andere etwas
auf mich, so mag er es melden, verschweigt er es aus
Liebe, so habe ich ihm zu danken, doch soll der Dank
nicht zu groß sein, es mag ein Jeder reden, was er
verantworten kann. Wenn ich nach Handwerksgebrauch
mich nicht rechtfertigen kann, so will ich die gebührende
Strafe leiden, welche Du und alle ehrliche Meister und
Gesellen erkennen werden. So mit Gunst hab' ich aus-
geredet, aber noch nicht gar, so hätte ich noch einige
meinen auch betreffen. So iſt’s auch Gebrauch, daß die
zuletzt in Arbeit gekommenen die Büchſenpfennige zuerſt
auflegen.

Nun wurde das übliche Auflagegeld entrichtet, ſodann bat
der Altgeſell mit den gewöhnlichen Bitten um Erlaubniß, eine
freundliche Umfrage halten
zu dürfen, was dann die Ge-
ſellſchaft in hergebrachter Form genehmigte; darauf wendete er
ſich an den zuletzt eingewanderten Geſellen, der bis jetzt bey-
ſitzen der Schenkgeſell
genannt wurde, weil er das große
Eingeſchenk, oder den Ehrentrunk, noch nicht empfangen hatte,
und redete ihn ſo an:

So mit V. u. G. meine Geſellſchaft, ſo komme ich zu
Dir, und frage Dich, wie ein Altgeſelle Macht hat einen
ehrlichen Geſellen zu fragen, ob Du auf die Meiſter,
auf mich oder andere ehrliche Geſellen und Jünger
etwas weißt? Du wolleſt ſo wohl thun und es melden
oder zu verſtehen geben, damit Friede und Einigkeit unter
uns erhalten werde.
Der Geſelle, indem er aufſteht: Gar gern, denn es iſt
Handwerksgebrauch.

Hatte er nun etwas Nachtheiliges von Meiſter oder Geſellen
zu ſagen, ſo mußte er es jetzt thun, vorher aber den großen
Gruß ſprechen; wußte er nichts, ſo ſprach er:

So mit V. u. G. mein Altgeſell, weil Du mich frageſt
nach Handwerksgebrauch, ſo iſt’s billig und recht, daß
ich Dir Rede und Antwort gebe. So weiß ich auf
Dich und alle ehrliche Meiſter und Geſellen nichts als
Liebes und Gutes. Weiß einer oder der andere etwas
auf mich, ſo mag er es melden, verſchweigt er es aus
Liebe, ſo habe ich ihm zu danken, doch ſoll der Dank
nicht zu groß ſein, es mag ein Jeder reden, was er
verantworten kann. Wenn ich nach Handwerksgebrauch
mich nicht rechtfertigen kann, ſo will ich die gebührende
Strafe leiden, welche Du und alle ehrliche Meiſter und
Geſellen erkennen werden. So mit Gunſt hab’ ich aus-
geredet, aber noch nicht gar, ſo hätte ich noch einige
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[92/0102] meinen auch betreffen. So iſt’s auch Gebrauch, daß die zuletzt in Arbeit gekommenen die Büchſenpfennige zuerſt auflegen. Nun wurde das übliche Auflagegeld entrichtet, ſodann bat der Altgeſell mit den gewöhnlichen Bitten um Erlaubniß, eine freundliche Umfrage halten zu dürfen, was dann die Ge- ſellſchaft in hergebrachter Form genehmigte; darauf wendete er ſich an den zuletzt eingewanderten Geſellen, der bis jetzt bey- ſitzen der Schenkgeſell genannt wurde, weil er das große Eingeſchenk, oder den Ehrentrunk, noch nicht empfangen hatte, und redete ihn ſo an: So mit V. u. G. meine Geſellſchaft, ſo komme ich zu Dir, und frage Dich, wie ein Altgeſelle Macht hat einen ehrlichen Geſellen zu fragen, ob Du auf die Meiſter, auf mich oder andere ehrliche Geſellen und Jünger etwas weißt? Du wolleſt ſo wohl thun und es melden oder zu verſtehen geben, damit Friede und Einigkeit unter uns erhalten werde. Der Geſelle, indem er aufſteht: Gar gern, denn es iſt Handwerksgebrauch. Hatte er nun etwas Nachtheiliges von Meiſter oder Geſellen zu ſagen, ſo mußte er es jetzt thun, vorher aber den großen Gruß ſprechen; wußte er nichts, ſo ſprach er: So mit V. u. G. mein Altgeſell, weil Du mich frageſt nach Handwerksgebrauch, ſo iſt’s billig und recht, daß ich Dir Rede und Antwort gebe. So weiß ich auf Dich und alle ehrliche Meiſter und Geſellen nichts als Liebes und Gutes. Weiß einer oder der andere etwas auf mich, ſo mag er es melden, verſchweigt er es aus Liebe, ſo habe ich ihm zu danken, doch ſoll der Dank nicht zu groß ſein, es mag ein Jeder reden, was er verantworten kann. Wenn ich nach Handwerksgebrauch mich nicht rechtfertigen kann, ſo will ich die gebührende Strafe leiden, welche Du und alle ehrliche Meiſter und Geſellen erkennen werden. So mit Gunſt hab’ ich aus- geredet, aber noch nicht gar, ſo hätte ich noch einige

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/102>, abgerufen am 22.11.2024.