Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.civilisirte Europa *), das Festhalten an den eben erwähnten Ge- *) In der dritten Ehre der Böttchergesellen in Magdeburg, welche sie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus- brachten, hieß es: Mit Gunst, daß ich mag unsern ehrlichen Will- kommen von des Krugvaters Tisch aufheben, ihn an meinen Mund setzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Gesellen zu der vor mir war und nach mir kommen wird, er sey aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband, so er hierher kommt, soll er Bescheid thun, das gilt dir Hans, prosit Hans! **) In dem Generalprivilegio des Tischler-Handwerks für die Altmark von 1563, erneuert durch den Churfürsten Friedrich Wilhelm 1645, heißt es: Item, so ein Meister etwas unredlichs oder unleidlichs von einem Gesellen vermerkt, soll er ihn vor beklagen vor den Gesellen und so es die Gesellen nicht strafen wollten oder nicht entrichten könn- ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten lassen. (Prov.- Archiv in Magdeburg.) ***) In den Staaten, wo man die Gesellen-Brüderschaften nur duldete, durften sie keine Lade führen, sondern mußten ihre Gesellschaftskasse in einer Büchse verwahrt in die Meisterlade legen, z. B. die Schuh- machergesellen in Münster; im Vten Artikel ihres Statuts von 1553 heißt es: Item eth sollen de Schoknechte eine Büsse hebben dar se düsse vorgeschrevne pennige vnd brocke insammeln. Das sal de Büsse syn by den Lechtvaders +) und de slottel by den Lechtschaffers. Auch die Tischlergesellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr- hunderts keine Lade, sondern nur eine Büchse zu ihren Beiträgen hal- ten; man sieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverstanden mit den Meistern, auf die Führung einer Handwerkslade legten. (Prov.-Archiv in Münster.) +) Lechtvader, Lechtscheffer oder Schaffer, Gesellenvater, Alt-
gesell, von Einlegen; sie hatten auf das richtige Einlegen der Gesellenbeiträge zu halten. civiliſirte Europa *), das Feſthalten an den eben erwähnten Ge- *) In der dritten Ehre der Böttchergeſellen in Magdeburg, welche ſie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus- brachten, hieß es: Mit Gunſt, daß ich mag unſern ehrlichen Will- kommen von des Krugvaters Tiſch aufheben, ihn an meinen Mund ſetzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Geſellen zu der vor mir war und nach mir kommen wird, er ſey aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband, ſo er hierher kommt, ſoll er Beſcheid thun, das gilt dir Hans, proſit Hans! **) In dem Generalprivilegio des Tiſchler-Handwerks für die Altmark von 1563, erneuert durch den Churfürſten Friedrich Wilhelm 1645, heißt es: Item, ſo ein Meiſter etwas unredlichs oder unleidlichs von einem Geſellen vermerkt, ſoll er ihn vor beklagen vor den Geſellen und ſo es die Geſellen nicht ſtrafen wollten oder nicht entrichten könn- ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten laſſen. (Prov.- Archiv in Magdeburg.) ***) In den Staaten, wo man die Geſellen-Brüderſchaften nur duldete, durften ſie keine Lade führen, ſondern mußten ihre Geſellſchaftskaſſe in einer Büchſe verwahrt in die Meiſterlade legen, z. B. die Schuh- machergeſellen in Münſter; im Vten Artikel ihres Statuts von 1553 heißt es: Item eth ſollen de Schoknechte eine Büſſe hebben dar ſe düſſe vorgeſchrevne pennige vnd brocke inſammeln. Das ſal de Büſſe ſyn by den Lechtvaders †) und de ſlottel by den Lechtſchaffers. Auch die Tiſchlergeſellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr- hunderts keine Lade, ſondern nur eine Büchſe zu ihren Beiträgen hal- ten; man ſieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverſtanden mit den Meiſtern, auf die Führung einer Handwerkslade legten. (Prov.-Archiv in Münſter.) †) Lechtvader, Lechtſcheffer oder Schaffer, Geſellenvater, Alt-
geſell, von Einlegen; ſie hatten auf das richtige Einlegen der Geſellenbeiträge zu halten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="5"/> civiliſirte Europa <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">In der dritten Ehre</hi> der Böttchergeſellen in Magdeburg, welche<lb/> ſie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus-<lb/> brachten, hieß es: Mit Gunſt, daß ich mag unſern ehrlichen Will-<lb/> kommen von des Krugvaters Tiſch aufheben, ihn an meinen Mund<lb/> ſetzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Geſellen<lb/> zu <hi rendition="#g">der vor mir war und nach mir kommen wird, er ſey<lb/> aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband,<lb/> ſo er hierher kommt, ſoll er Beſcheid thun, das gilt<lb/> dir Hans, proſit Hans</hi>!</note>, das Feſthalten an den eben erwähnten Ge-<lb/> wohnheiten und Gebräuchen, eine Neigung das fröhliche Jugend-<lb/> leben bis zur höchſten Gleichgültigkeit gegen Mangel, Hitze und<lb/> Kälte zu ſteigern. Ueberall ſind ſie einheimiſch, wo ſie Hand-<lb/> werksgewohnheit finden und einige Cameraden die feſt an ihr<lb/> halten. Als conſtituirte Corporationen hatten ſie Beamtete,<lb/> führten öffentliche Siegel, unter welchen ſie oft die ausgedehnte-<lb/> ſten Verbindungen unterhielten, und vermöge der ihnen geſtatte-<lb/> ten Gerichtsbarkeit in erſter Inſtanz <note place="foot" n="**)">In dem Generalprivilegio des Tiſchler-Handwerks für die Altmark<lb/> von 1563, erneuert durch den Churfürſten Friedrich Wilhelm 1645,<lb/> heißt es: Item, ſo ein Meiſter etwas unredlichs oder unleidlichs von<lb/> einem Geſellen vermerkt, ſoll er ihn vor beklagen vor den Geſellen<lb/> und ſo es die Geſellen nicht ſtrafen wollten oder nicht entrichten könn-<lb/> ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten laſſen. (Prov.-<lb/> Archiv in Magdeburg.)</note> die Symbole volksthüm-<lb/> lich richterlicher Gewalt, Hammer und Stab. Gleich den Mei-<lb/> ſtern unterhielten ſie Ehrengeräthe, nehmlich Lade, <note place="foot" n="***)">In den Staaten, wo man die Geſellen-Brüderſchaften <hi rendition="#g">nur duldete</hi>,<lb/> durften ſie keine Lade führen, ſondern mußten ihre Geſellſchaftskaſſe<lb/> in einer Büchſe verwahrt in die Meiſterlade legen, z. B. die Schuh-<lb/> machergeſellen in Münſter; im <hi rendition="#aq">V</hi>ten Artikel ihres Statuts von 1553<lb/> heißt es: Item eth ſollen de Schoknechte eine Büſſe hebben dar ſe<lb/> düſſe vorgeſchrevne pennige vnd brocke inſammeln. Das ſal de Büſſe<lb/> ſyn by den Lechtvaders <note place="foot" n="†)"><hi rendition="#g">Lechtvader, Lechtſcheffer</hi> oder Schaffer, Geſellenvater, Alt-<lb/> geſell, von <hi rendition="#g">Einlegen</hi>; ſie hatten auf das richtige Einlegen der<lb/> Geſellenbeiträge zu halten.</note> und de ſlottel by den Lechtſchaffers. Auch<lb/> die Tiſchlergeſellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr-<lb/> hunderts keine Lade, ſondern nur eine Büchſe zu ihren Beiträgen hal-<lb/> ten; man ſieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverſtanden<lb/> mit den Meiſtern, auf die Führung einer Handwerkslade legten.<lb/> (Prov.-Archiv in Münſter.)</note> Willkom-<lb/> men, Jungfernkannen und Fahnen zu Feſtzügen, und in dieſem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0015]
civiliſirte Europa *), das Feſthalten an den eben erwähnten Ge-
wohnheiten und Gebräuchen, eine Neigung das fröhliche Jugend-
leben bis zur höchſten Gleichgültigkeit gegen Mangel, Hitze und
Kälte zu ſteigern. Ueberall ſind ſie einheimiſch, wo ſie Hand-
werksgewohnheit finden und einige Cameraden die feſt an ihr
halten. Als conſtituirte Corporationen hatten ſie Beamtete,
führten öffentliche Siegel, unter welchen ſie oft die ausgedehnte-
ſten Verbindungen unterhielten, und vermöge der ihnen geſtatte-
ten Gerichtsbarkeit in erſter Inſtanz **) die Symbole volksthüm-
lich richterlicher Gewalt, Hammer und Stab. Gleich den Mei-
ſtern unterhielten ſie Ehrengeräthe, nehmlich Lade, ***) Willkom-
men, Jungfernkannen und Fahnen zu Feſtzügen, und in dieſem
*) In der dritten Ehre der Böttchergeſellen in Magdeburg, welche
ſie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus-
brachten, hieß es: Mit Gunſt, daß ich mag unſern ehrlichen Will-
kommen von des Krugvaters Tiſch aufheben, ihn an meinen Mund
ſetzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Geſellen
zu der vor mir war und nach mir kommen wird, er ſey
aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband,
ſo er hierher kommt, ſoll er Beſcheid thun, das gilt
dir Hans, proſit Hans!
**) In dem Generalprivilegio des Tiſchler-Handwerks für die Altmark
von 1563, erneuert durch den Churfürſten Friedrich Wilhelm 1645,
heißt es: Item, ſo ein Meiſter etwas unredlichs oder unleidlichs von
einem Geſellen vermerkt, ſoll er ihn vor beklagen vor den Geſellen
und ſo es die Geſellen nicht ſtrafen wollten oder nicht entrichten könn-
ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten laſſen. (Prov.-
Archiv in Magdeburg.)
***) In den Staaten, wo man die Geſellen-Brüderſchaften nur duldete,
durften ſie keine Lade führen, ſondern mußten ihre Geſellſchaftskaſſe
in einer Büchſe verwahrt in die Meiſterlade legen, z. B. die Schuh-
machergeſellen in Münſter; im Vten Artikel ihres Statuts von 1553
heißt es: Item eth ſollen de Schoknechte eine Büſſe hebben dar ſe
düſſe vorgeſchrevne pennige vnd brocke inſammeln. Das ſal de Büſſe
ſyn by den Lechtvaders †) und de ſlottel by den Lechtſchaffers. Auch
die Tiſchlergeſellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr-
hunderts keine Lade, ſondern nur eine Büchſe zu ihren Beiträgen hal-
ten; man ſieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverſtanden
mit den Meiſtern, auf die Führung einer Handwerkslade legten.
(Prov.-Archiv in Münſter.)
†) Lechtvader, Lechtſcheffer oder Schaffer, Geſellenvater, Alt-
geſell, von Einlegen; ſie hatten auf das richtige Einlegen der
Geſellenbeiträge zu halten.
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