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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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besonders im Geist der ältern und vornehmern Gilden, denen sie
sich auf alle Weise zu nähern suchten, eine freie eheliche Geburt
und Abstammung auf vier Ahnen zurück, zum ersten Erforderniß
machten. Nächst diesem hatte das Gewerbe der Eltern und ihr
moralischer Ruf großen Einfluß auf ihre Aufnahme. Alle nach
der eingetretenen Sonderung städtischer Gewerbe, und nach den
Begriffen des Jahrhunderts, geringfügige Beschäftigungen, alle
niedern besonders städtische Bedienungen, Zöllner, Rathsdiener,
Frohnvögte, Schäfer, Hirten, Bader, Livrebediente etc. schlossen
von der Erlernung eines zur Gilde oder Innung erhobenen
Handwerks aus. Daß der Knabe diese Eigenschaften besaß,
wurde in einer Urkunde bestätiget, die noch in neuerer Zeit, unter
dem Namen Geburtsbrief, bekannt geblieben ist. Nach dem
Reichsgesetz von 1731 sollte allen Knaben ohne Unterschied der
Abkunft, der Eintritt in eine Innung oder Handwerk gestattet
werden, daher faßte man auch in den Königlich Preußischen
Staaten alle bisherigen Anforderungen der Corporationen in der
Erklärung zusammen: der Knabe sey von solchen Eltern
geboren, die aller Innungen, Zünfte und ehrbaren
Gesellschaften fähig wären
. Bei außer der Ehe gebore-
nen vertrat die landesherrliche Legitimation die Stelle des Ge-
burtsbriefes. Man kann jenes Gesetz ein wahres Wagstück poli-
zeylicher Gesetzgebung nennen, dessen guter Erfolg ihm nicht
allein, sondern dem bald darauf kräftig aufblühenden Schulun-
terricht zuzuschreiben ist. Verweilen wir nun einige Augenblicke
bei dem Zustande des Lehrlings während einer gemäßigten Zunft-
verfassung.

Mit dem Eintritt in die Werkstatt beginnt für ihn ein
zweiter Schul-Cursus, wenn er ja schon einen durchgemacht hat.
In der Schule wurden nur seine Geistesfähigkeiten in Anspruch
genommen, während seine Körperkräfte der langsamen Entwicke-
lung der Natur überlassen blieben. Er mußte seinen Lehrern
gehorchen, aber nur in einigen Tagesstunden, alle übrigen ver-
lebte er unter der duldenden Nachsicht seiner Eltern. Der ernste
Meister nimmt ihn dagegen ganz in Anspruch, er verlangt unbe-
dingten Gehorsam; am frühen Morgen muß er der Erste in der

beſonders im Geiſt der ältern und vornehmern Gilden, denen ſie
ſich auf alle Weiſe zu nähern ſuchten, eine freie eheliche Geburt
und Abſtammung auf vier Ahnen zurück, zum erſten Erforderniß
machten. Nächſt dieſem hatte das Gewerbe der Eltern und ihr
moraliſcher Ruf großen Einfluß auf ihre Aufnahme. Alle nach
der eingetretenen Sonderung ſtädtiſcher Gewerbe, und nach den
Begriffen des Jahrhunderts, geringfügige Beſchäftigungen, alle
niedern beſonders ſtädtiſche Bedienungen, Zöllner, Rathsdiener,
Frohnvögte, Schäfer, Hirten, Bader, Livrebediente ꝛc. ſchloſſen
von der Erlernung eines zur Gilde oder Innung erhobenen
Handwerks aus. Daß der Knabe dieſe Eigenſchaften beſaß,
wurde in einer Urkunde beſtätiget, die noch in neuerer Zeit, unter
dem Namen Geburtsbrief, bekannt geblieben iſt. Nach dem
Reichsgeſetz von 1731 ſollte allen Knaben ohne Unterſchied der
Abkunft, der Eintritt in eine Innung oder Handwerk geſtattet
werden, daher faßte man auch in den Königlich Preußiſchen
Staaten alle bisherigen Anforderungen der Corporationen in der
Erklärung zuſammen: der Knabe ſey von ſolchen Eltern
geboren, die aller Innungen, Zünfte und ehrbaren
Geſellſchaften fähig wären
. Bei außer der Ehe gebore-
nen vertrat die landesherrliche Legitimation die Stelle des Ge-
burtsbriefes. Man kann jenes Geſetz ein wahres Wagſtück poli-
zeylicher Geſetzgebung nennen, deſſen guter Erfolg ihm nicht
allein, ſondern dem bald darauf kräftig aufblühenden Schulun-
terricht zuzuſchreiben iſt. Verweilen wir nun einige Augenblicke
bei dem Zuſtande des Lehrlings während einer gemäßigten Zunft-
verfaſſung.

Mit dem Eintritt in die Werkſtatt beginnt für ihn ein
zweiter Schul-Curſus, wenn er ja ſchon einen durchgemacht hat.
In der Schule wurden nur ſeine Geiſtesfähigkeiten in Anſpruch
genommen, während ſeine Körperkräfte der langſamen Entwicke-
lung der Natur überlaſſen blieben. Er mußte ſeinen Lehrern
gehorchen, aber nur in einigen Tagesſtunden, alle übrigen ver-
lebte er unter der duldenden Nachſicht ſeiner Eltern. Der ernſte
Meiſter nimmt ihn dagegen ganz in Anſpruch, er verlangt unbe-
dingten Gehorſam; am frühen Morgen muß er der Erſte in der

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[18/0028] beſonders im Geiſt der ältern und vornehmern Gilden, denen ſie ſich auf alle Weiſe zu nähern ſuchten, eine freie eheliche Geburt und Abſtammung auf vier Ahnen zurück, zum erſten Erforderniß machten. Nächſt dieſem hatte das Gewerbe der Eltern und ihr moraliſcher Ruf großen Einfluß auf ihre Aufnahme. Alle nach der eingetretenen Sonderung ſtädtiſcher Gewerbe, und nach den Begriffen des Jahrhunderts, geringfügige Beſchäftigungen, alle niedern beſonders ſtädtiſche Bedienungen, Zöllner, Rathsdiener, Frohnvögte, Schäfer, Hirten, Bader, Livrebediente ꝛc. ſchloſſen von der Erlernung eines zur Gilde oder Innung erhobenen Handwerks aus. Daß der Knabe dieſe Eigenſchaften beſaß, wurde in einer Urkunde beſtätiget, die noch in neuerer Zeit, unter dem Namen Geburtsbrief, bekannt geblieben iſt. Nach dem Reichsgeſetz von 1731 ſollte allen Knaben ohne Unterſchied der Abkunft, der Eintritt in eine Innung oder Handwerk geſtattet werden, daher faßte man auch in den Königlich Preußiſchen Staaten alle bisherigen Anforderungen der Corporationen in der Erklärung zuſammen: der Knabe ſey von ſolchen Eltern geboren, die aller Innungen, Zünfte und ehrbaren Geſellſchaften fähig wären. Bei außer der Ehe gebore- nen vertrat die landesherrliche Legitimation die Stelle des Ge- burtsbriefes. Man kann jenes Geſetz ein wahres Wagſtück poli- zeylicher Geſetzgebung nennen, deſſen guter Erfolg ihm nicht allein, ſondern dem bald darauf kräftig aufblühenden Schulun- terricht zuzuſchreiben iſt. Verweilen wir nun einige Augenblicke bei dem Zuſtande des Lehrlings während einer gemäßigten Zunft- verfaſſung. Mit dem Eintritt in die Werkſtatt beginnt für ihn ein zweiter Schul-Curſus, wenn er ja ſchon einen durchgemacht hat. In der Schule wurden nur ſeine Geiſtesfähigkeiten in Anſpruch genommen, während ſeine Körperkräfte der langſamen Entwicke- lung der Natur überlaſſen blieben. Er mußte ſeinen Lehrern gehorchen, aber nur in einigen Tagesſtunden, alle übrigen ver- lebte er unter der duldenden Nachſicht ſeiner Eltern. Der ernſte Meiſter nimmt ihn dagegen ganz in Anſpruch, er verlangt unbe- dingten Gehorſam; am frühen Morgen muß er der Erſte in der

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/28>, abgerufen am 21.11.2024.