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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Jetzt legte der Ordengesell ihm die Meistertafel vor und
fragte weiter:
Also mit Gunst Fremder, hat er etwa hier einen bekann-
ten Meister oder von einem sagen hören, bei welchem er
einschicken möchte, oder will er vom ältesten bis zum
jüngsten schicken?

Wußte nun der Fremde einen Meister, in dessen Werkstatt
er besonders gern arbeiten mochte, so nannte er ihn, im andern
Fall antwortete er: wo es Arbeit giebt.

Ordengesell. Mit Gunst Fremder, zeige er mir seine
Kundschaft.

Der Fremde reichte sie ihm, beide standen auf und der Or-
dengesell fuhr fort:
Also mit Gunst Fremder, laß Er sich die Zeit nicht lang
dauern, habe ich etwas vergessen, so schreibe Er es unter
den Tisch, wenn ich wiederkomme, stehe es auf dem Tisch,
damit ich es mit einer Kanne Bier (Wein) auslöschen
kann, mit Gunst Fremder, sei Er bedeckt mit dem Hut
und nicht mit dem Tischblatt. *)

Nun verließ er den Fremden und verrichtete die Umschau;
er war gehalten, bei dem Meister zuerst anzufragen, welchen der
Fremde ihm genannt hatte, sodann der Reihe nach bei allen
übrigen. Seine Anrede bei den Meistern lautete so:
Glück zu Meister! Es ist ein fremder Schlosser (Uhrma-
cher etc.) zugereis't kommen, nicht in eines Meisters son-
dern in des Herrn Vaters Haus; er begehret auf vierzehn
Tage Arbeit, will ihm der Meister Arbeit geben, wird es
mir lieb sein, dem Fremden aber noch viel lieber. **)

*) Vielleicht eine etwas derbe Warnung, nicht zuviel zu trinken?
**) Wie lange hält sich doch eine Sitte, wenn sie durch eine Art Gesetzes-
kraft eingeführt wird! Obige Anrede wurde mir vor etwa zehn Jah-
ren von einem gereis'ten Meister in Magdeburg, einem gebornen Han-
noveraner, mitgetheilt; nun höre man was die Schlosser in Halberstadt
1652 ihren Gesellen, als alten Gebrauch, vorschreiben. (Prov.-
Archiv zu Magdeburg.) Zuerst sagen sie, die Gesellen sollen nicht wie
die Bauern fragen: "Meister, wollt ihr einen Knecht ha-
ben
", sondern, "daß ein guter Jünger wandern kommen in des Va-

Jetzt legte der Ordengeſell ihm die Meiſtertafel vor und
fragte weiter:
Alſo mit Gunſt Fremder, hat er etwa hier einen bekann-
ten Meiſter oder von einem ſagen hören, bei welchem er
einſchicken möchte, oder will er vom älteſten bis zum
jüngſten ſchicken?

Wußte nun der Fremde einen Meiſter, in deſſen Werkſtatt
er beſonders gern arbeiten mochte, ſo nannte er ihn, im andern
Fall antwortete er: wo es Arbeit giebt.

Ordengeſell. Mit Gunſt Fremder, zeige er mir ſeine
Kundſchaft.

Der Fremde reichte ſie ihm, beide ſtanden auf und der Or-
dengeſell fuhr fort:
Alſo mit Gunſt Fremder, laß Er ſich die Zeit nicht lang
dauern, habe ich etwas vergeſſen, ſo ſchreibe Er es unter
den Tiſch, wenn ich wiederkomme, ſtehe es auf dem Tiſch,
damit ich es mit einer Kanne Bier (Wein) auslöſchen
kann, mit Gunſt Fremder, ſei Er bedeckt mit dem Hut
und nicht mit dem Tiſchblatt. *)

Nun verließ er den Fremden und verrichtete die Umſchau;
er war gehalten, bei dem Meiſter zuerſt anzufragen, welchen der
Fremde ihm genannt hatte, ſodann der Reihe nach bei allen
übrigen. Seine Anrede bei den Meiſtern lautete ſo:
Glück zu Meiſter! Es iſt ein fremder Schloſſer (Uhrma-
cher ꝛc.) zugereiſ’t kommen, nicht in eines Meiſters ſon-
dern in des Herrn Vaters Haus; er begehret auf vierzehn
Tage Arbeit, will ihm der Meiſter Arbeit geben, wird es
mir lieb ſein, dem Fremden aber noch viel lieber. **)

*) Vielleicht eine etwas derbe Warnung, nicht zuviel zu trinken?
**) Wie lange hält ſich doch eine Sitte, wenn ſie durch eine Art Geſetzes-
kraft eingeführt wird! Obige Anrede wurde mir vor etwa zehn Jah-
ren von einem gereiſ’ten Meiſter in Magdeburg, einem gebornen Han-
noveraner, mitgetheilt; nun höre man was die Schloſſer in Halberſtadt
1652 ihren Geſellen, als alten Gebrauch, vorſchreiben. (Prov.-
Archiv zu Magdeburg.) Zuerſt ſagen ſie, die Geſellen ſollen nicht wie
die Bauern fragen: „Meiſter, wollt ihr einen Knecht ha-
ben
“, ſondern, „daß ein guter Jünger wandern kommen in des Va-
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[63/0073] Jetzt legte der Ordengeſell ihm die Meiſtertafel vor und fragte weiter: Alſo mit Gunſt Fremder, hat er etwa hier einen bekann- ten Meiſter oder von einem ſagen hören, bei welchem er einſchicken möchte, oder will er vom älteſten bis zum jüngſten ſchicken? Wußte nun der Fremde einen Meiſter, in deſſen Werkſtatt er beſonders gern arbeiten mochte, ſo nannte er ihn, im andern Fall antwortete er: wo es Arbeit giebt. Ordengeſell. Mit Gunſt Fremder, zeige er mir ſeine Kundſchaft. Der Fremde reichte ſie ihm, beide ſtanden auf und der Or- dengeſell fuhr fort: Alſo mit Gunſt Fremder, laß Er ſich die Zeit nicht lang dauern, habe ich etwas vergeſſen, ſo ſchreibe Er es unter den Tiſch, wenn ich wiederkomme, ſtehe es auf dem Tiſch, damit ich es mit einer Kanne Bier (Wein) auslöſchen kann, mit Gunſt Fremder, ſei Er bedeckt mit dem Hut und nicht mit dem Tiſchblatt. *) Nun verließ er den Fremden und verrichtete die Umſchau; er war gehalten, bei dem Meiſter zuerſt anzufragen, welchen der Fremde ihm genannt hatte, ſodann der Reihe nach bei allen übrigen. Seine Anrede bei den Meiſtern lautete ſo: Glück zu Meiſter! Es iſt ein fremder Schloſſer (Uhrma- cher ꝛc.) zugereiſ’t kommen, nicht in eines Meiſters ſon- dern in des Herrn Vaters Haus; er begehret auf vierzehn Tage Arbeit, will ihm der Meiſter Arbeit geben, wird es mir lieb ſein, dem Fremden aber noch viel lieber. **) *) Vielleicht eine etwas derbe Warnung, nicht zuviel zu trinken? **) Wie lange hält ſich doch eine Sitte, wenn ſie durch eine Art Geſetzes- kraft eingeführt wird! Obige Anrede wurde mir vor etwa zehn Jah- ren von einem gereiſ’ten Meiſter in Magdeburg, einem gebornen Han- noveraner, mitgetheilt; nun höre man was die Schloſſer in Halberſtadt 1652 ihren Geſellen, als alten Gebrauch, vorſchreiben. (Prov.- Archiv zu Magdeburg.) Zuerſt ſagen ſie, die Geſellen ſollen nicht wie die Bauern fragen: „Meiſter, wollt ihr einen Knecht ha- ben“, ſondern, „daß ein guter Jünger wandern kommen in des Va-

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/73>, abgerufen am 21.11.2024.