Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.Der Genius. Den schwachen Flügel reizet der Aether nicht! Jm Felsenneste fühlt sich der Adler schon Voll seiner Urkraft! hebt den Fittig, Senkt sich, und hebt sich, und trinkt die Sonne! Du gabst, Natur, ihm Flug und den Sonnendurst! Mir gabst du Feuer! Durst nach Unsterblichkeit! Dies Toben in der Brust! Dies Staunen, Welches durch jegliche Nerve zittert, Wenn schon die Seelen werdender Lieder mir Das Haupt umschweben, eh das nachahmende Gewand der Sprache sie umfliesset, Ohne den geistigen Flug zu hemmen! Der Genius. Den ſchwachen Fluͤgel reizet der Aether nicht! Jm Felſenneſte fuͤhlt ſich der Adler ſchon Voll ſeiner Urkraft! hebt den Fittig, Senkt ſich, und hebt ſich, und trinkt die Sonne! Du gabſt, Natur, ihm Flug und den Sonnendurſt! Mir gabſt du Feuer! Durſt nach Unſterblichkeit! Dies Toben in der Bruſt! Dies Staunen, Welches durch jegliche Nerve zittert, Wenn ſchon die Seelen werdender Lieder mir Das Haupt umſchweben, eh das nachahmende Gewand der Sprache ſie umflieſſet, Ohne den geiſtigen Flug zu hemmen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="16"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Der Genius.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="19"> <l><hi rendition="#in">D</hi>en ſchwachen Fluͤgel reizet der Aether nicht!</l><lb/> <l>Jm Felſenneſte fuͤhlt ſich der Adler ſchon</l><lb/> <l>Voll ſeiner Urkraft! hebt den Fittig,</l><lb/> <l>Senkt ſich, und hebt ſich, und trinkt die<lb/><hi rendition="#et">Sonne!</hi></l> </lg><lb/> <lg n="1"> <l>Du gabſt, Natur, ihm Flug und den Sonnendurſt!</l><lb/> <l>Mir gabſt du Feuer! Durſt nach Unſterblichkeit!</l><lb/> <l>Dies Toben in der Bruſt! Dies Staunen,</l><lb/> <l>Welches durch jegliche Nerve zittert,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn ſchon die Seelen werdender Lieder mir</l><lb/> <l>Das Haupt umſchweben, eh das nachahmende</l><lb/> <l>Gewand der Sprache ſie umflieſſet,</l><lb/> <l>Ohne den geiſtigen Flug zu hemmen!</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
Der Genius.
Den ſchwachen Fluͤgel reizet der Aether nicht!
Jm Felſenneſte fuͤhlt ſich der Adler ſchon
Voll ſeiner Urkraft! hebt den Fittig,
Senkt ſich, und hebt ſich, und trinkt die
Sonne!
Du gabſt, Natur, ihm Flug und den Sonnendurſt!
Mir gabſt du Feuer! Durſt nach Unſterblichkeit!
Dies Toben in der Bruſt! Dies Staunen,
Welches durch jegliche Nerve zittert,
Wenn ſchon die Seelen werdender Lieder mir
Das Haupt umſchweben, eh das nachahmende
Gewand der Sprache ſie umflieſſet,
Ohne den geiſtigen Flug zu hemmen!
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