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Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.

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O dann sollen mich oft Phantome der Abend' um-
schweben,
Die, uns jeglichesmal täuschend, zu flüchtig ent-
flohn!
Jezo wanderten wir, mit Frühlingsruhe ge-
segnet,
Arm geschlungen in Arm, blühende Thäler
hinab;
Lagerten jezo uns hin am moosigen Ufer des
Baches,
Und dem süssen Geschwäz horchte vertrau-
lich der Mond.
O, wie schmolz uns dann das Herz in sanfter
Empfindung!
O, wie schmeckten wir dich, himmlische Freund-
schaft, so süß!
Einstens pflückt' ich zwo junge Vergißmeinnicht,
und streute,
Wo am klärsten er floß, sie in den kräuselnden
Bach.
Eine riß er hinweg; die andere weilt' am Ufer!
Und du starrtest mich an; Thränen bewölkten
den Blick!
O dann ſollen mich oft Phantome der Abend’ um-
ſchweben,
Die, uns jeglichesmal taͤuſchend, zu fluͤchtig ent-
flohn!
Jezo wanderten wir, mit Fruͤhlingsruhe ge-
ſegnet,
Arm geſchlungen in Arm, bluͤhende Thaͤler
hinab;
Lagerten jezo uns hin am mooſigen Ufer des
Baches,
Und dem ſuͤſſen Geſchwaͤz horchte vertrau-
lich der Mond.
O, wie ſchmolz uns dann das Herz in ſanfter
Empfindung!
O, wie ſchmeckten wir dich, himmliſche Freund-
ſchaft, ſo ſuͤß!
Einſtens pfluͤckt’ ich zwo junge Vergißmeinnicht,
und ſtreute,
Wo am klaͤrſten er floß, ſie in den kraͤuſelnden
Bach.
Eine riß er hinweg; die andere weilt’ am Ufer!
Und du ſtarrteſt mich an; Thraͤnen bewoͤlkten
den Blick!
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[20/0030] O dann ſollen mich oft Phantome der Abend’ um- ſchweben, Die, uns jeglichesmal taͤuſchend, zu fluͤchtig ent- flohn! Jezo wanderten wir, mit Fruͤhlingsruhe ge- ſegnet, Arm geſchlungen in Arm, bluͤhende Thaͤler hinab; Lagerten jezo uns hin am mooſigen Ufer des Baches, Und dem ſuͤſſen Geſchwaͤz horchte vertrau- lich der Mond. O, wie ſchmolz uns dann das Herz in ſanfter Empfindung! O, wie ſchmeckten wir dich, himmliſche Freund- ſchaft, ſo ſuͤß! Einſtens pfluͤckt’ ich zwo junge Vergißmeinnicht, und ſtreute, Wo am klaͤrſten er floß, ſie in den kraͤuſelnden Bach. Eine riß er hinweg; die andere weilt’ am Ufer! Und du ſtarrteſt mich an; Thraͤnen bewoͤlkten den Blick!

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Zitationshilfe: Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/30>, abgerufen am 03.12.2024.