Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Als, schon zärtlich, die lallende Schwester, mit
hüpfenden Füssen
Dein sich freute, schon da in die Arme dich schloß!
Oft mit kindisch sorgsamer Hand die wankende
Wiege
Faßte, und von dir summende Fliegen vertrieb!
Später ward ich, und später die jüngern Schwe-
stern geboren,
Und wir wuchsen empor freudig, wie Stauden
am Bach,
Kanten früh die süssesten Freuden des Lebens, und
pflückten
Jeden kleinen Genuß, der sich im Schatten
verbirgt.
Ungesondert lebt' ich mit dir die Tage der Jugend;
Wenn ein Morgen uns schied, schied uns der
Abend nicht mehr.
Wie, aus Einem Born, von Einem Schatten
gekühlet,
Zwillingsströme sich hell stürzen vom Felsen
herab,
Mit vereinter Kraft bald Tannen wälzen und Felsen,
Bald mit spiegelnder Flut schlängeln im ruhi-
gen Thal;
Als, ſchon zaͤrtlich, die lallende Schweſter, mit
huͤpfenden Fuͤſſen
Dein ſich freute, ſchon da in die Arme dich ſchloß!
Oft mit kindiſch ſorgſamer Hand die wankende
Wiege
Faßte, und von dir ſummende Fliegen vertrieb!
Spaͤter ward ich, und ſpaͤter die juͤngern Schwe-
ſtern geboren,
Und wir wuchſen empor freudig, wie Stauden
am Bach,
Kanten fruͤh die ſuͤſſeſten Freuden des Lebens, und
pfluͤckten
Jeden kleinen Genuß, der ſich im Schatten
verbirgt.
Ungeſondert lebt’ ich mit dir die Tage der Jugend;
Wenn ein Morgen uns ſchied, ſchied uns der
Abend nicht mehr.
Wie, aus Einem Born, von Einem Schatten
gekuͤhlet,
Zwillingsſtroͤme ſich hell ſtuͤrzen vom Felſen
herab,
Mit vereinter Kraft bald Tannen waͤlzen und Felſen,
Bald mit ſpiegelnder Flut ſchlaͤngeln im ruhi-
gen Thal;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0304" n="288"/>
            <l>Als, &#x017F;chon za&#x0364;rtlich, die lallende Schwe&#x017F;ter, mit</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">hu&#x0364;pfenden Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi> </l><lb/>
            <l>Dein &#x017F;ich freute, &#x017F;chon da in die Arme dich &#x017F;chloß!</l><lb/>
            <l>Oft mit kindi&#x017F;ch &#x017F;org&#x017F;amer Hand die wankende</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Wiege</hi> </l><lb/>
            <l>Faßte, und von dir &#x017F;ummende Fliegen vertrieb!</l><lb/>
            <l>Spa&#x0364;ter ward ich, und &#x017F;pa&#x0364;ter die ju&#x0364;ngern Schwe-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tern geboren,</hi> </l><lb/>
            <l>Und wir wuch&#x017F;en empor freudig, wie Stauden</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">am Bach,</hi> </l><lb/>
            <l>Kanten fru&#x0364;h die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Freuden des Lebens, und</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">pflu&#x0364;ckten</hi> </l><lb/>
            <l>Jeden kleinen Genuß, der &#x017F;ich im Schatten</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">verbirgt.</hi> </l><lb/>
            <l>Unge&#x017F;ondert lebt&#x2019; ich mit dir die Tage der Jugend;</l><lb/>
            <l>Wenn ein Morgen uns &#x017F;chied, &#x017F;chied uns der</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Abend nicht mehr.</hi> </l><lb/>
            <l>Wie, aus Einem Born, von Einem Schatten</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">geku&#x0364;hlet,</hi> </l><lb/>
            <l>Zwillings&#x017F;tro&#x0364;me &#x017F;ich hell &#x017F;tu&#x0364;rzen vom Fel&#x017F;en</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">herab,</hi> </l><lb/>
            <l>Mit vereinter Kraft bald Tannen wa&#x0364;lzen und Fel&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Bald mit &#x017F;piegelnder Flut &#x017F;chla&#x0364;ngeln im ruhi-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">gen Thal;</hi> </l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0304] Als, ſchon zaͤrtlich, die lallende Schweſter, mit huͤpfenden Fuͤſſen Dein ſich freute, ſchon da in die Arme dich ſchloß! Oft mit kindiſch ſorgſamer Hand die wankende Wiege Faßte, und von dir ſummende Fliegen vertrieb! Spaͤter ward ich, und ſpaͤter die juͤngern Schwe- ſtern geboren, Und wir wuchſen empor freudig, wie Stauden am Bach, Kanten fruͤh die ſuͤſſeſten Freuden des Lebens, und pfluͤckten Jeden kleinen Genuß, der ſich im Schatten verbirgt. Ungeſondert lebt’ ich mit dir die Tage der Jugend; Wenn ein Morgen uns ſchied, ſchied uns der Abend nicht mehr. Wie, aus Einem Born, von Einem Schatten gekuͤhlet, Zwillingsſtroͤme ſich hell ſtuͤrzen vom Felſen herab, Mit vereinter Kraft bald Tannen waͤlzen und Felſen, Bald mit ſpiegelnder Flut ſchlaͤngeln im ruhi- gen Thal;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/304
Zitationshilfe: Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stolbergstolberg_gedichte_1779/304>, abgerufen am 17.05.2024.