Glück machen. In den Hauptstädten, wo die Kunst geschätzt und belohnt wird, unterdrückt der Geschmack und das Vorurtheil für aus- wärtige Produkte die Strebsamkeit und den Muth des russischen Künstlers, und in den Provinzen suchen Talente dieser Gattung ver- gebens ihr Brod. Es ist daher das gewöhn- liche Schicksal junger Künstler, daß sie ge- zwungen sind, den Zweck ihrer Erziehung, der oft zugleich der Gegenstand ihrer feurigsten Lei- denschaft ist, zu verlassen, um sich durch das erste beste Gewerbe Unterhalt zu verschaffen -- glücklich, wenn der Mangel anderer Kennt- nisse sie nicht zwingt, in die niedere Abhän- gigkeit zurückzukehren, die größtentheils bey der Geburt ihre Bestimmung zu seyn schien, und aus welcher die großmüthige Stiftung Katharinens sie gerissen hatte.
Eine zweyte Lehranstalt dieser Gattung schränkt sich einzig auf die Ausbildung zur the- atralischen Kunst ein. Die Zöglinge sind von beyden Geschlechtern und werden ebenfalls aus den untern Volksklassen, aus den Findel- häusern, u. s. w. genommen. Der Unterricht umfaßt alle Gegenstände des Theaters: Mu-
Gluͤck machen. In den Hauptſtaͤdten, wo die Kunſt geſchaͤtzt und belohnt wird, unterdruͤckt der Geſchmack und das Vorurtheil fuͤr aus- waͤrtige Produkte die Strebſamkeit und den Muth des ruſſiſchen Kuͤnſtlers, und in den Provinzen ſuchen Talente dieſer Gattung ver- gebens ihr Brod. Es iſt daher das gewoͤhn- liche Schickſal junger Kuͤnſtler, daß ſie ge- zwungen ſind, den Zweck ihrer Erziehung, der oft zugleich der Gegenſtand ihrer feurigſten Lei- denſchaft iſt, zu verlaſſen, um ſich durch das erſte beſte Gewerbe Unterhalt zu verſchaffen — gluͤcklich, wenn der Mangel anderer Kennt- niſſe ſie nicht zwingt, in die niedere Abhaͤn- gigkeit zuruͤckzukehren, die groͤßtentheils bey der Geburt ihre Beſtimmung zu ſeyn ſchien, und aus welcher die großmuͤthige Stiftung Katharinens ſie geriſſen hatte.
Eine zweyte Lehranſtalt dieſer Gattung ſchraͤnkt ſich einzig auf die Ausbildung zur the- atraliſchen Kunſt ein. Die Zoͤglinge ſind von beyden Geſchlechtern und werden ebenfalls aus den untern Volksklaſſen, aus den Findel- haͤuſern, u. ſ. w. genommen. Der Unterricht umfaßt alle Gegenſtaͤnde des Theaters: Mu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0342"n="306"/>
Gluͤck machen. In den Hauptſtaͤdten, wo die<lb/>
Kunſt geſchaͤtzt und belohnt wird, unterdruͤckt<lb/>
der Geſchmack und das Vorurtheil fuͤr aus-<lb/>
waͤrtige Produkte die Strebſamkeit und den<lb/>
Muth des ruſſiſchen Kuͤnſtlers, und in den<lb/>
Provinzen ſuchen Talente dieſer Gattung ver-<lb/>
gebens ihr Brod. Es iſt daher das gewoͤhn-<lb/>
liche Schickſal junger Kuͤnſtler, daß ſie ge-<lb/>
zwungen ſind, den Zweck ihrer Erziehung, der<lb/>
oft zugleich der Gegenſtand ihrer feurigſten Lei-<lb/>
denſchaft iſt, zu verlaſſen, um ſich durch das<lb/>
erſte beſte Gewerbe Unterhalt zu verſchaffen —<lb/>
gluͤcklich, wenn der Mangel anderer Kennt-<lb/>
niſſe ſie nicht zwingt, in die niedere Abhaͤn-<lb/>
gigkeit zuruͤckzukehren, die groͤßtentheils bey<lb/>
der Geburt ihre Beſtimmung zu ſeyn ſchien,<lb/>
und aus welcher die großmuͤthige Stiftung<lb/><hirendition="#g">Katharinens</hi>ſie geriſſen hatte.</p><lb/><p>Eine zweyte Lehranſtalt dieſer Gattung<lb/>ſchraͤnkt ſich einzig auf die Ausbildung zur <hirendition="#g">the-<lb/>
atraliſchen Kunſt</hi> ein. Die Zoͤglinge ſind<lb/>
von beyden Geſchlechtern und werden ebenfalls<lb/>
aus den untern Volksklaſſen, aus den Findel-<lb/>
haͤuſern, u. ſ. w. genommen. Der Unterricht<lb/>
umfaßt alle Gegenſtaͤnde des Theaters: Mu-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[306/0342]
Gluͤck machen. In den Hauptſtaͤdten, wo die
Kunſt geſchaͤtzt und belohnt wird, unterdruͤckt
der Geſchmack und das Vorurtheil fuͤr aus-
waͤrtige Produkte die Strebſamkeit und den
Muth des ruſſiſchen Kuͤnſtlers, und in den
Provinzen ſuchen Talente dieſer Gattung ver-
gebens ihr Brod. Es iſt daher das gewoͤhn-
liche Schickſal junger Kuͤnſtler, daß ſie ge-
zwungen ſind, den Zweck ihrer Erziehung, der
oft zugleich der Gegenſtand ihrer feurigſten Lei-
denſchaft iſt, zu verlaſſen, um ſich durch das
erſte beſte Gewerbe Unterhalt zu verſchaffen —
gluͤcklich, wenn der Mangel anderer Kennt-
niſſe ſie nicht zwingt, in die niedere Abhaͤn-
gigkeit zuruͤckzukehren, die groͤßtentheils bey
der Geburt ihre Beſtimmung zu ſeyn ſchien,
und aus welcher die großmuͤthige Stiftung
Katharinens ſie geriſſen hatte.
Eine zweyte Lehranſtalt dieſer Gattung
ſchraͤnkt ſich einzig auf die Ausbildung zur the-
atraliſchen Kunſt ein. Die Zoͤglinge ſind
von beyden Geſchlechtern und werden ebenfalls
aus den untern Volksklaſſen, aus den Findel-
haͤuſern, u. ſ. w. genommen. Der Unterricht
umfaßt alle Gegenſtaͤnde des Theaters: Mu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/342>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.