seine von der Noth des Augenblicks erzwunge- ne Arbeit trägt das Gepräge dieses Zwanges.
Sobald aber die Beschäftigungen vertheilt sind, erhebt sich die rohe Arbeit zur Kunst; die unaufhörliche Uebung lehrt Handgriffe und Vortheile kennen, bahnt den Weg zu neuen Er- findungen und bringt schon vorhandene zur Vollkommenheit und Reife. Wenn man wissen will, sagt ein berühmter Schriftsteller, ob ein Volk kultivirt sey, so frage man, ob es Münzen habe; ich würde fragen: giebt es Schuster, Schneider, Zimmerleute unter dem- selben?
Wenn ein Volk einmal diese Schwierigkeit überwunden hat, so ist kein Zweifel mehr, daß es beträchtliche Fortschritte in seiner Kultur thun kann; aber eben diese Fortschritte werden ihm um desto eher fühlbar machen, daß es eine zweyte Grenze zu durchbrechen hat, um unge- hindert seinen großen Gang zur endlichen Ver- vollkommung zu gehen. Mit der Vertheilung der Arbeit wächst die Menge ihrer Produkte. Jedes abgetheilte Geschäft begreift mehrere ein- zelne; auch diese werden immer weiter vertheilt, bis endlich das höchste Raffinement des Kunst-
ſeine von der Noth des Augenblicks erzwunge- ne Arbeit traͤgt das Gepraͤge dieſes Zwanges.
Sobald aber die Beſchaͤftigungen vertheilt ſind, erhebt ſich die rohe Arbeit zur Kunſt; die unaufhoͤrliche Uebung lehrt Handgriffe und Vortheile kennen, bahnt den Weg zu neuen Er- findungen und bringt ſchon vorhandene zur Vollkommenheit und Reife. Wenn man wiſſen will, ſagt ein beruͤhmter Schriftſteller, ob ein Volk kultivirt ſey, ſo frage man, ob es Muͤnzen habe; ich wuͤrde fragen: giebt es Schuſter, Schneider, Zimmerleute unter dem- ſelben?
Wenn ein Volk einmal dieſe Schwierigkeit uͤberwunden hat, ſo iſt kein Zweifel mehr, daß es betraͤchtliche Fortſchritte in ſeiner Kultur thun kann; aber eben dieſe Fortſchritte werden ihm um deſto eher fuͤhlbar machen, daß es eine zweyte Grenze zu durchbrechen hat, um unge- hindert ſeinen großen Gang zur endlichen Ver- vollkommung zu gehen. Mit der Vertheilung der Arbeit waͤchſt die Menge ihrer Produkte. Jedes abgetheilte Geſchaͤft begreift mehrere ein- zelne; auch dieſe werden immer weiter vertheilt, bis endlich das hoͤchſte Raffinement des Kunſt-
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ſeine von der Noth des Augenblicks erzwunge-
ne Arbeit traͤgt das Gepraͤge dieſes Zwanges.
Sobald aber die Beſchaͤftigungen vertheilt
ſind, erhebt ſich die rohe Arbeit zur Kunſt;
die unaufhoͤrliche Uebung lehrt Handgriffe und
Vortheile kennen, bahnt den Weg zu neuen Er-
findungen und bringt ſchon vorhandene zur
Vollkommenheit und Reife. Wenn man wiſſen
will, ſagt ein beruͤhmter Schriftſteller, ob
ein Volk kultivirt ſey, ſo frage man, ob es
Muͤnzen habe; ich wuͤrde fragen: giebt es
Schuſter, Schneider, Zimmerleute unter dem-
ſelben?
Wenn ein Volk einmal dieſe Schwierigkeit
uͤberwunden hat, ſo iſt kein Zweifel mehr, daß
es betraͤchtliche Fortſchritte in ſeiner Kultur
thun kann; aber eben dieſe Fortſchritte werden
ihm um deſto eher fuͤhlbar machen, daß es eine
zweyte Grenze zu durchbrechen hat, um unge-
hindert ſeinen großen Gang zur endlichen Ver-
vollkommung zu gehen. Mit der Vertheilung
der Arbeit waͤchſt die Menge ihrer Produkte.
Jedes abgetheilte Geſchaͤft begreift mehrere ein-
zelne; auch dieſe werden immer weiter vertheilt,
bis endlich das hoͤchſte Raffinement des Kunſt-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/24>, abgerufen am 23.11.2024.
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