Jahr 1775 als Gelegenheitsdichter auf; aber schon seine ersten Versuche erhielten einen Bey- fall, den seit Lomonossow keiner in dem Maaße genossen hatte. Eine kühne, schwelge- rische Phantasie, eine bilderreiche Sprache und eine Komposition die Kultur und Geschmack verräth, zeichnen seine Muse auf eine sehr vorzügliche Weise aus. Mit den großen Mu- stern des Alterthums vertraut, hat er sich diese nicht nur zum Studium, sondern sogar zum Ziel seiner litterarischen Thätigkeit gemacht. Seine poetische Uebersetzung der Aeneis, die vorhin schon angeführt ist, wird von Kennern für ein Meisterstück gehalten; aber der unbe- friedigte Verfasser hat sie einer gänzlichen Um- arbeitung unterworfen. Ein langer Aufenthalt in England flößte ihm eine Vorliebe für die brittische Litteratur ein, die ihn zu dem schwe- ren Unternehmen begeisterte, Milton's ver- lornes Paradies in seine Muttersprache überzutragen. Auch diese Uebersetzung, die in Prose verfaßt ist, hat seinen Ruhm auf eine gerechte Weise vergrößert. Von seinen lyri- schen Gedichten, die vor einigen Jahren ge- sammelt und verbessert herausgekommen sind,
Jahr 1775 als Gelegenheitsdichter auf; aber ſchon ſeine erſten Verſuche erhielten einen Bey- fall, den ſeit Lomonoſſow keiner in dem Maaße genoſſen hatte. Eine kuͤhne, ſchwelge- riſche Phantaſie, eine bilderreiche Sprache und eine Kompoſition die Kultur und Geſchmack verraͤth, zeichnen ſeine Muſe auf eine ſehr vorzuͤgliche Weiſe aus. Mit den großen Mu- ſtern des Alterthums vertraut, hat er ſich dieſe nicht nur zum Studium, ſondern ſogar zum Ziel ſeiner litterariſchen Thaͤtigkeit gemacht. Seine poetiſche Ueberſetzung der Aeneis, die vorhin ſchon angefuͤhrt iſt, wird von Kennern fuͤr ein Meiſterſtuͤck gehalten; aber der unbe- friedigte Verfaſſer hat ſie einer gaͤnzlichen Um- arbeitung unterworfen. Ein langer Aufenthalt in England floͤßte ihm eine Vorliebe fuͤr die brittiſche Litteratur ein, die ihn zu dem ſchwe- ren Unternehmen begeiſterte, Milton’s ver- lornes Paradies in ſeine Mutterſprache uͤberzutragen. Auch dieſe Ueberſetzung, die in Proſe verfaßt iſt, hat ſeinen Ruhm auf eine gerechte Weiſe vergroͤßert. Von ſeinen lyri- ſchen Gedichten, die vor einigen Jahren ge- ſammelt und verbeſſert herausgekommen ſind,
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Jahr 1775 als Gelegenheitsdichter auf; aber
ſchon ſeine erſten Verſuche erhielten einen Bey-
fall, den ſeit Lomonoſſow keiner in dem
Maaße genoſſen hatte. Eine kuͤhne, ſchwelge-
riſche Phantaſie, eine bilderreiche Sprache und
eine Kompoſition die Kultur und Geſchmack
verraͤth, zeichnen ſeine Muſe auf eine ſehr
vorzuͤgliche Weiſe aus. Mit den großen Mu-
ſtern des Alterthums vertraut, hat er ſich dieſe
nicht nur zum Studium, ſondern ſogar zum
Ziel ſeiner litterariſchen Thaͤtigkeit gemacht.
Seine poetiſche Ueberſetzung der Aeneis, die
vorhin ſchon angefuͤhrt iſt, wird von Kennern
fuͤr ein Meiſterſtuͤck gehalten; aber der unbe-
friedigte Verfaſſer hat ſie einer gaͤnzlichen Um-
arbeitung unterworfen. Ein langer Aufenthalt
in England floͤßte ihm eine Vorliebe fuͤr die
brittiſche Litteratur ein, die ihn zu dem ſchwe-
ren Unternehmen begeiſterte, Milton’s ver-
lornes Paradies in ſeine Mutterſprache
uͤberzutragen. Auch dieſe Ueberſetzung, die in
Proſe verfaßt iſt, hat ſeinen Ruhm auf eine
gerechte Weiſe vergroͤßert. Von ſeinen lyri-
ſchen Gedichten, die vor einigen Jahren ge-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/260>, abgerufen am 24.11.2024.
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